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475. Nachdenkliches für Manager – Rückstellungsfragen 12-96

Montag, 19. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Rückstellungsfragen

„Gibt es bei Ihnen eine schöne Tasse Kaffee?“ fragte Hugo Winkelmann, der Buchhaltungschef, als er sich mir gegenüber seufzend niederließ: „Die kalte Jahreszeit so kurz vor Weihnachten ist partout nichts für mich, dann meldet sich mein Ischias regelmäßig zurück und erinnert mich daran, daß ich ein vergängliches, schwaches Wesen bin“. Ich blickte lachend auf seine stattlichen neunzig Kilo.

Winkelmann zündete sich eine seiner kostbaren Zigarren an und ich wußte, wenn ich heute nachhause kam, würde meine Frau spontan wissen, mit wem ich eine Besprechung gehabt hatte, denn den edlen, unverwechselbaren Duft dieser Seelentröster nahm jeder der Beteiligten in der Kleidung mit.

Nach der üblichen Vorrede, wie es denn bitteschön ginge und, in diesem speziellen Fall jahreszeitlich bedingt, mit der Frage, ob denn alle Geschenke für das Fest schon gekauft seien und wie es denn stünde mit den ganz persönlichen Plänen und Vorhaben für die bevorstehenden neuen zwölf Monate, kam Hugo Winkelmann zur Sache:
„Sie haben mich neulich informiert“, sagte er, „daß Sie die Absicht haben, aus der Konkursmasse von H&G Maschinen zurückzukaufen. Was schätzen Sie, um welchen Betrag sich das ungefähr handeln wird, ich möchte nämlich in der Bilanz zum 31.12. eine entsprechende Rückstellung machen.“
„Ganz nüchtern und realistisch so rund zweieinhalb Millionen“ antwortete ich.
Winkelmann nickte mit dem Kopf, machte sich eine kurze Notiz, wir unterhielten uns noch weiter über das Geschäft, die Märkte, die Zukunftsprognosen, bis seine Zigarre zu Ende war, dann gaben wir uns die Hand und er ging.

Meine Sekretärin kam durch die nur angelehnte Vorzimmertür in mein Büro: „Chef, ganz ungewollt habe ich das eben mitbekommen, und wenn Sie mich für mich ungebildet halten, aber könnten Sie mir das mal erklären, mit den Rückstellungen?“
„Also“, holte ich tief Luft, „in den Lehrbüchern steht, daß Rückstellungen Positionen sind, die zu Verbindlichkeiten führen.
Im Klartext: Die Maschinen wollen wir haben, das ist klar und beschlossen und mit H&G und dem Konkursverwalter ist das auch generell vereinbart, nur der endgültige Kaufpreis liegt noch nicht fest und bis das der Fall ist, wird es Anfang Januar. Damit werden die schätzungsweise zweieinhalb Millionen erst im nächsten Jahr fällig. Weil wir aber ein gutes Geschäftsergebnis haben und praktisch auch schon in der Pflicht stehen, nehmen wir das Geld sinnbildlich schon jetzt aus der Kasse, buchen es ein und wenn wir dann im Januar bezahlen, lösen wir diese Rückstellung wieder auf. Damit geht das Geld in diesem Jahr aus dem Gewinn und nicht erst im nächsten.“
„Aha“, meinte sie und verschwand wieder in ihrem Zimmer.

Ich sah ihr hinterher und dachte noch einmal über mein Gespräch mit Hugo Winkelmann nach. Wie es denn mit meinen persönlichen Plänen für das kommende Jahr aussähe, hatte er mich gefragt. Und er meinte wohl damit alle die guten, oder wenigstens gut gemeinten Vorsätze. Die Absicht, noch gerechter, besser, verständnisvoller, gewissenhafter, nachdenklicher, liebevoller, zugewandter, gegenwärtiger zu werden und zu sein. Das immer wieder defizitäre Leben einer gründlichen Inventur zu unterziehen, Bilanz zu machen. Was bei so vielen von uns nötig wäre.
Wie steht es mit den nur halbherzig oder überhaupt nicht eingelösten Versprechungen und Verpflichtungen gegenüber dem Ehepartner, den Kindern, den Mitarbeitern? Gegenüber unserer Wahrhaftigkeit, unserer Moral, unserem Glaubwürdigsein?

Und, dachte ich weiter, was ist eigentlich mit unseren stillen, heimlichen oder laut gesprochenen Gelübden? Abgelegt in schwierigen, notvollen Situationen, mitten in der Klemme sitzend. Gelübde, die immer die gleiche Worte als Anfang haben: Gott, wenn Du mir hier raus hilfst, dann….
Sind solche Formulierungen nicht auch so etwas wie gültige Verträge? Eingegangene Bindungen?

„Wenn Du Gott, dem Herrn, etwas versprichst, dann mußt du es erfüllen, sonst wirst Du Schuld auf Dich laden. Gott nimmt Dich beim Wort. Er hat nicht verlangt, daß du ihm etwas gelobst, aber wenn Du es getan hast, dann mußt Du es auch halten.“
So steht es in der Bibel.

Könnte es sein, daß alle unsere Zusagen gegenüber Gott auch so eine Art Rückstellungsposition für eingegangene Verbindlichkeiten sind? Wir stehen im Obligo und haben es zu erfüllen, aber wir schieben die Zahlung ins nächste, ins übernächste, und von dort wieder ins nächste Jahr, manche ein ganzes Leben lang.

Sollten wir vielleicht die stillen Tage zwischen Weihnachten und Neujahr zum Anlaß nehmen, auch darüber einmal nachzusinnen?
Besonders dann, wenn auf unserem Konto dieser bewußte Satz so weitergeht: „Gott, wenn Du mir hier raus hilfst, dann werde ich meine Haltung Dir gegenüber ändern, dann will ich Dich ernst nehmen!“.

Welche Zeit wäre dazu besser geeignet, als gerade diese, jetzt.
Gesegnete, konsequente, tapfere Feiertage!
Karlheinz Binder

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474. Nachdenkliches für Manager – Konterfei 11-96

Montag, 19. Oktober 2015 | Autor:

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die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Konterfei

Es war ein wunderbares Wochenende. Eingeladen von lieben Freunden zur runden Geburtstagsfeier, Brunch unter der weit ausladenden, uralten Kastanie eines idyllisch gelegenen Hotels in einer ehemaligen Mühle, mit einer fröhlichen Dampferfahrt auf dem sonnenüberglänzten Rhein, mit einem gemächlichen Bummel durch das romantische Bacherach und am Abend der festliche Abschluß auf einer vom hohen Fels stolz aufragenden Burg mit weitem Blick über den Strom und die ihn einrahmenden Weinberge.

Die geladenen Gäste hatten unter diesen so gelungenen, harmonischen Umständen keinerlei Probleme, schnell, herzlich und entspannt in Kontakt miteinander zu kommen, nur bei einem, dem lieben, langjährigen Freund Josef, mußte ich auf der Hut sein, denn ständig lag er mit seinem Fotoapparat auf der Lauer, das Objektiv bedrohlich und herausfordernd auf mich gerichtet.
Josef hatte von seine Tochter, Ihres Zeichens Chefredakteuerin dieser erlauchten Zeitschrift, in der Sie gerade lesen, den Auftrag bekommen, von Karlheinz Binder ein Bild heimzubringen. Ein Bild auf dem ich, wie Josef mir sagte, so alt aussehe, wie ich bin. Wir standen also beide unter einem gewissen Leistungsdruck. Er, mich im richtigen Moment aus dem richtigen Winkel zu erwischen und ich, jederzeit einen dynamisch-lockeren, fröhlich-konzentrierten Eindruck zu machen.
Und beide hofften wir, es möge uns zur Zufriedenheit gelingen.

Eigentlich, dachte ich, als unser Dampfer geruhsam über die Wellen des Rheins dahintuckerte, eigentlich war das mit meinen Konterfeis schon fast der Stoff für ein handfestes Drama.
Vor etlichen Jahren, als ich anfing, für dieses Blatt mit Freude zu schreiben, gab es ein erstes Telefonat in dieser Sache: „Esther“, sagte ich zur Chefredakteuerin, „Esther, Ihr solltet ein besseres Foto von mir bringen, denn so, wie ich darauf erscheine, hoffe ich noch nicht einmal in zwanzig Jahren auszusehen“. „Dieses Bild“, hat sie mir geantwortet, „ist unser Beitrag zu Deiner Demut!“
Ich klammerte mich im Schmerz der jähen Selbsterkenntnis an den Hörer. Eins zu Null für Esther.

Aber ein wenig später erhörten die Fleißigen im Verlag doch meine Bitte und jetzt gefiel ich mir besser.

Dann hatte ich in Fribourg einen Vortrag zu halten.
Nach meinem Referat kam eine junge Frau auf mich zu. Sie gehörte zu den attraktivsten Exemplaren der weiblichen Spezies Mensch, die mir jemals begegnet sind und als sie mich anstrahlte und sagte: Herr Binder, ich bin heute Abend extra Ihretwegen gekommen“, da verlagerte ich spontan meine gesamten Atemluftvorräte vom Zwerchfell in den Brustraum, reckte mich und hatte das Gefühl, ein paar Zentimeter an Statur zugenommen zu haben. „Ich lese“, setzte sie hinzu, „ich lese auch immer Ihre Artikel in „Geschäftsmann und Christ“ und ich fühlte mich innerlich noch größer. „Aber“, ergänzte die charmante Dame, und sie musterte mich sehr aufmerksam, „aber auf Ihren Fotos sehen Sie jünger aus“. Und da war ich wieder so groß wie der Karlheinz Binder.

Leider blieb mein Waterloo der Umwelt nicht verborgen mit der Folge: Es gab ein neues, angeblich aktuelles Foto unter meinen Artikeln. Wer es geknipst, und ich gebrauche bewußt und verbittert diesen Ausdruck, wer es geknipst hatte, ist mir nie kund geworden, sonst hätte ich diesen unromantischen Menschen erbarmungslos zur Rechenschaft gezogen und nun, so mein Freund Josef, sollte zu aller Zufriedenheit eine energische Annäherung an die bestehenden Realitäten erfolgen. Die von ihm benutzte Kamera war gediegene, erste Klasse, seine Hand absolut zitterfrei. Es lag also ganz allein an meiner eigenen Person, wie freundlich, unverkrampft und gegenwartsnah das zu erwartende Ergebnis ausfallen wird.

Natürlich habe ich davon eine klare Vorstellung, in sozusagen nüchterner Selbsteinschätzung, geläutert durch Esthers Demutsschule, aber, frage ich mich, ist dieser Karlheinz Binder, dem ich jeden Morgen im Spiegel begegne, derselbe, wie Josef ihn durch seinen Kamerasucher sieht? Ist er derselbe, wie seine Frau, seiner Kinder, seine Freunde, seine Kritiker ihn sehen?
Ist das, was wir von uns selber halten, nur ein Teilaspekt? Denn in Wahrheit bestehen wir ja aus drei Bildern:
Zum Ersten aus dem Bild, das ich von mir selber habe.
Zum Zweiten aus dem, wie mich die anderen sehen.
Und zum Dritten, wer und was ich in den Augen Gottes bin.
Und sind womöglich diese 3 Bilder nicht überall und nicht immer deckungsgleich?
Wer bin ich wirklich? Was ist die objektive Realität? Denn es kann doch letzten Endes nur ein einziges, tatsächlich wahres Bild von mir geben.
Ist es vielleicht das Gottes? Sieht nur er uns so, wie wir wirklich sind? Bedingt das, uns einmal im Licht der Bibel und damit aus dem Blickwinkel Gottes sehr kritisch zu sehen? Abstand von uns selber zu gewinnen? Von unseren Einbildungen, unserem Selbstverständnis, unseren Beschönigungen und Verharmlosungen?
Bitte, recht freundlich!
Und bitte recht nachdenklich.
Karlheinz Binder

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473. Nachdenkliches für Manager – Stellungs-Frage 10-96

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

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die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

 

Stellungs-Frage

„Chef“, rief meine Sekretärin ganz aufgeregt mitten im Diktat, „da kommt er!“
„Wer kommt?“, fragte ich, und sie deutete aus dem Fenster: „Der Flieger mit der Gratulation für Max Rade“.
Ich sah hinaus. Draußen brummte eine einmotorige Piper vorbei und sie zog ein Banner hinter sich her: „Glückwunsch an Max Rade“.
„Das haben sich seine Mitarbeiter ausgedacht als Gratulation zum 25. Dienstjubiläum. Ich finde, es ist wirklich was Besonderes“, sagte meine Sekretärin mit Anerkennung in der Stimme und ich pflichtete uneingeschränkt bei.

Die Feier des Ereignisses im Kreis der Geschäftsleitung fand mit einem festlichen Essen im Kasino statt.
Der Chef hatte es sich nicht nehmen lassen, die Laudatio selber zu halten und er würdigte mit sehr persönlichen, warmherzigen Worten Umsicht, Intelligenz, Tüchtigkeit, das Wesen und die Erfolge von Max Rade. „Er ist“, so der Chef, „wie ein erstklassiger Fußballspieler. Ganz gleich, aus welcher Situation heraus man ihn anspielen will, er steht immer genau richtig, überblickt die Lage, ist einsatzbereit und schießt das Tor. Da gibt es kein Zögern, kein ratloses Dribbeln, keine falschen Vorlagen, was immer er tut, es stimmt. Und daß wir in die Oberliga unserer Branche aufgestiegen sind, ist zu einem ganz erheblichen Teil sein Verdienst“.

Ich sah zu Rade hinüber. Er spürte meinen Blick, wandte den Kopf zu mir und in seinen strahlenden Augen sah ich Rührung und Stolz, aber eben genau in jenem Maß, das den Klugen von einem Eingebildeten unterscheidet.

Nachdem der Chef unter großem Beifall seine Rede beendet und man uns den Nachtisch serviert hatte, ging ich zu Rade, legte meine Hand auf seine Schulter und sagte: „Wenn es jemanden gibt, der solch ein Lob vom allerhöchsten Chef verdient hat, dann Sie!“
Er stand auf, lachte mich an: „Danke, daß ich das gerade von Ihnen höre, denn ich schätze Ihr Urteil besonders“.
Wir sahen uns gegenseitig ruhig und lange in die Augen und wußten, in diesem Moment waren wir endgültig Freunde geworden.

Er ist schon ein ungewöhnlicher Mensch, dieser Max Rade, dachte ich. Gut für Höchstleistungen, medaillenverdächtig. Blitzschnell im Erfassen von Situationen und Chancen. Klar und nüchtern in seinem Urteil und dabei niemals überheblich. Eigentlich die Idealfigur eines Managers mit allen Begabungen und Fähigkeiten, die dazugehören. Oder, überlegte ich, war da nicht doch noch ein Faktor, den wir so oft vergessen, weil er uns für Berufsleben, Erfolg und Wohlstand nicht relevant erscheint?

„Worin besteht für Sie der Sinn des Lebens?“ hatte kürzlich eine große Wirtschaftszeitung einen großen, bekannten Unternehmer in Deutschland gefragt. Und er antwortete: „Sinnvoll zu leben heißt Verantwortung und Vergnügen im Gleichgewicht zu halten. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, ich halte außerdem Kultur für lebenswichtig. Ich hoffe, daß ich im Rahmen meiner Möglichkeiten mein Bestes gegeben habe. Ich möchte mit mir zufrieden sein und fände es schön, wenn andere das auch sind“.

Aber ganz gründlich, ganz nachdenklich, ganz ehrlich: Reicht das? Reicht es, tüchtig und überaus erfolgreich gewesen zu sein? Reicht es, als ein idealistischer, großzügiger Zeitgenosse gelebt zu haben? Reicht es, daß wir und die anderen mit unserer Person zufrieden sind?

Da steht im Alten Testament ein Satz, der ist wie Schmirgelpapier auf der hochglanzpolierten Oberfläche unseres Selbstverständnisses: „Wenn einer zwar weiß, daß da ein Gott ist, ein Gott, der Herr über uns und unser Leben sein will, und sich dennoch selbst beruhigt und sagt: „Es geht mir gut und ich lebe auch im Frieden mit mir selbst“, dem wird Gott nicht gnädig sein!“
Braucht es vielleicht doch mehr, als die Anerkennung der anderen Menschen und die große, ehrende Laudatio vom Chef?

Wie ist das mit Ihnen?
Stehen Sie, auch und besonders in der Frage nach Gott und seinen Sohn Jesus Christus, wie ein erstklassiger Fußballer ohne Zögern und ohne ratloses Dribbeln ansprech- und einsatzbereit? Oder sind Sie immer genau dann, wenn Gott Ihnen den Ball vor die Füße spielen will, im Abseits?
Karlheinz Binder

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472. Nachdenkliches für Manager – Herbstversammlung 9-96

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

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Herbstversammlung

Einen großen Tisch hatten sie für den Verbandsvorstand vorn im Saal auf einem Podium aufgebaut. Zwölf Stühle, zwölf Namensschilder, zwölf Flaschen Mineralwasser der edlen Art und zwölf Gläser dazu.

Nach einer ausgedehnten Zeremonie der gegenseitigen Begrüßung, des Schulterklopfens und Fragens: „Wie geht es?“ hatten dann endlich alle ihren Platz eingenommen, die einen auf den erhöhten Amtsplätzen, die anderen im Parkett und der Vorsitzende eröffnete die Sitzung.

Es gab keine besonderen Tagesordnungspunkte. Neu- oder Nachwahlen standen ebenfalls nicht an, wohl aber die ausführlichen Berichte der Projektgruppenleiter über Status und Entwicklung von Geschehen und Vorhaben in ihren Sachbereichen.

Mein Blick wanderte durch die Reihen der Mitglieder und ging aus dem großen Fenster des Saales in die Weite der herbstlich werdenden Landschaft. Eine schöne Aussicht, bis auf die Hochspannungsleitung, zwischen deren filigranen Eisenmasten sich die dicken Kupferkabel bauchig schwangen.
Eine Vogelschar kurvte heran, nahm nach mehrfachem Kreisen Platz, gruppierte sich noch zwei- oder dreimal um, bis die Hierarchie stimmte und dann sahen sie zu uns herüber.
Ich mußte mühsam mein Lächeln unterdrücken: Wir hatten unsere Konferenz, sie die ihre. Hier aufgreiht an der langen Tafel das sorgsam geordnete Präsidium, dort aufgereiht auf dem langen Draht die sorgsam geordnete Vogelschar, ganz spiegelbildlich. Offensichtlich ging es bei den Piepmätzen um außerordentlich wichtige Dinge, denn sie nickten eifrig mit den Köpfen, schlugen erregt mit den Schwingen und ich ahnte, sie hatten ihre Herbstversammlung, die große Diskussion über die weite, anstrengende, abenteuerliche Südland-Reise, die schon lange nicht mehr stattfand, denn sie hatten sich abgewöhnt, unsere Gefilde zu verlassen. Aus den ehemaligen Zugvögeln waren Dauerbewohner geworden. Seßhafte, die zwar noch überaus intensiv miteinander reden und planen, ihre Rituale gewissenhaft festhalten, scheinbar startbereit auf Hochspannungsdrähten sitzen und nicht mehr aufbrechen in die Ferne, zu neuen Horizonten. Ihre Mobilität steht auf Null.

Sind, dachte ich, sind wir Menschen nicht in vielen Beziehungen genau so? Irgendwann waren wir einmal voller Tatkraft, Begeisterung, suchten neue Ufer, waren bereit, Etabliertes, Gewohntes infrage zu stellen. Und dann siegten die Routine, die Anpassung, der Opportunismus, die Bequemlichkeit. Aus ehemals begeisterten Bewegungen wurden Vereine, aus Ideen Standpunkte, aus Dynamik Sitzfleisch, aus der Bereitschaft zum Abenteuer das Absichern, und der Wagemut pervertierte zur ängstlichen Besitzstandswahrung.

Da gibt es Politiker und Manager, die reden von der Zukunft und den großen Möglichkeiten, die in ihr liegen. Sie diskutieren eifrig, erheben ihre Stimmen mit kühnem Klang, schlagen heftig mit den Flügeln und belassen es dabei.
Da gibt es Delegierte, Funktionäre, Beauftragte und Bevollmächtigte. Sie treffen sich an runden oder viereckigen Tischen nach einer wohlerwogenen Sitzordnung. Sie achten darauf, eine gute Figur zu machen, zelebrieren klugklingende Sätze vor Kameras und Mikrofonen, sprechen engagiert vom Standort Europa, fordern die anderen zum energischen Handeln auf, geben gute Ratschläge, äußern ihre hochintellektuellen Ansichten über Gott und die Welt, reden „vom Glauben an sich“ und daß Leben einen Sinn haben muß, sie schildern und erklären die Herausforderungen einer neu angebrochenen Zeit und den notwendigen und unmittelbar bevorstehenden Aufbruch zu Horizonten, so wie die Vögel dort drüben auf der Stromleitung mit ihrer bedeutenden, folgenlosen Herbstkonferenz. Unter den Füßen haben sie Hochspannung und im Herzen Trägheit.

Da hatte Jesus Christus einen Menschen angesprochen, ihm nachzufolgen. Aufzubrechen in eine Zukunft, in das Ungewohnte, Herausfordernde, in eine nie gekannte Freiheit. Die Freiheit von angestammten Klischees, Verhaltenszwängen, Schuldbelastungen. Zu einem Leben mit neuen Aufgaben und neuen Inhalten.

„Ich will ja gerne mitkommen“, war die Antwort, „aber laß mich vorher mit meiner Familie Abschied feiern“.
Und Christus sagt: „Wer seine Hand an den Pflug legt und dabei rückwärts schaut, den kann Gott nicht gebrauchen“.

Gott will keine Zauderer. Er will keine, die auf Draht sind und dennoch sitzenbleiben. Keine die versuchen, sich in endlosen Diskussionen Klarheit zu verschaffen, ob man denn nun den Mut zur Entscheidung haben solle oder auch nicht. Gott will keine notorischen Bedenkenträger, keine rückwärts gewandten Vorurteilsfesthalter, keine Nesthocker, die sich immer nur ihren Puls fühlen und damit nicht mehr die Hände frei haben zum Zupacken und zum Beten.
Gott will Menschen, die sich entscheiden, bei denen er weiß, woran er mit ihnen ist. Leute die ihr Vertrauen in Jesus Christus und seine Zusagen investieren, denn, so steht es in der Bibel: „Die auf Gott vertrauen, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie junge Adler.“

Frage an uns: Sollten wir noch länger auf der langen Leitung hocken bleiben, oder: Start frei?
Karlheinz Binder

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471. Nachdenkliches für Manager – Mit Sand gebaut 7-96

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

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Mit Sand gebaut

Als ich schwer atmend über die letzte Düne joggte, lag der Strand vor mir.
Die Morgensonne brachte die kleinen, winzigen Quarzpartikel im Sand zum Leuchten, die schäumende Brandung rauschte im gleichmäßigen, geruhsamen Rhythmus an die bretonische Küste, die Luft war frisch und belebend, ein Morgen wie aus dem Bilderbuch der Schöpfung.
Nur an einer Stelle schien es, als habe in der Nacht ein Meteor eingeschlagen und ein kreisrundes Loch mit Wall hinterlassen, aber als ich näherkam sah ich, wie in geregelten Intervallen Material aus dem Krater geworfen wurde und beim Hineinschauen entdeckte ich einen Urlauber in der Kuhle. Er hatte eine rote Kinderschaufel in der Hand und buddelte sich eifrig tiefer.

„Guten Morgen, Landsmann“, keuchte ich.
Er schaute erstaunt auf und fragte: „Woher wissen Sie, daß ich Deutscher bin?“
„Das sehe ich an Ihrem Bauwerk. Wir sind die einzige Nation, die Strandburgen baut und ich finde, wir sollten das endlich zum Patent anmelden, bevor die anderen Völker anfangen es uns ohne die geringste Lizenz-Zahlung nachzutun“.
Er sah mich mit seinem intelligenten Blick nachdenklich an: „Halten Sie mich für kindisch“?
„Nein, mir geht es genau so. Ich ertappe mich ständig in diesem inneren Zwang, mich mit irgendetwas zu beschäftigen, ein Programm zu machen, etwas Sichtbares zu tun, Resultate und Erfolgserlebnisse auch im Urlaub zu haben. Und im übrigen ist es ja ein Urtrieb des homo sapiens, sich ein schützendes Domizil zu schaffen und auf irgendeine Weise sein Revier zu markieren“.

Er lachte, griff hinter sich, hatte plötzlich zwei Bierdosen in der Hand, hielt mir eine entgegen und fragte: „Mögen Sie“?.
Ich nickte, setze mich neben ihn auf den Wall und wir sahen auf die Fischerboote weit draußen, spürten den Wind auf der Haut und genossen den Morgen.
„Eigentlich bin ich verrückt“, unterbrach er das Schweigen. „Da freue ich mich auf den Urlaub, das Durchatmen, die Ruhe, daß alle äußeren und inneren Diktate sich auflösen in einer lockeren Entspannung und kaum bin ich hier, fange ich an, etwas zu unternehmen, mir Arbeit zu verordnen. Drüben vor unserem Ferienhaus liegt meine Frau mit einem Buch in der Sonne und tut das, was ich eigentlich sollte, sie ruht sich ganz gelassen aus“.
„Meine auch“, sagte ich, „aber für uns Verrückte ist Urlaub, wie neulich einer geschrieben hat, die unveränderte Fortsetzung von Schaffensdrang und Streß in einem veränderten Umfeld“.

Wir nicken uns freundlich zu und ich setzte meinen Morgenlauf fort.

Das Wetter blieb den ganzen Tag so wundervoll wie es begonnen hatte, nur gegen Abend bildete sich weit im Westen über der offenen See ein Vorhang von aufgetürmten Wolken, die auf heftigen Wind und Regen hindeuteten.

Zwei Stunden nach Mitternacht, zusammen mit der auflaufenden Flut, war das Gewitter da. Mit peitschenden Regenschauern, die auf das Dach und gegen die Fenster trommelten. Mit Sturm, der heulend an den Bäumen und Büschen zerrte. Vierzig Minuten lang, dann kam das Unwetter außer Atem und verlor sich in der Stille der Nacht.
Am Morgen, als meine Frau und ich an den Strand gingen, war von dem fleißigen Werk des fleißigen deutschen Meisters nur noch eine flache Mulde übrig, umringt von einer sanften, völlig verspülten Bodenwelle.
In fast jedem der Ostsee-und Nordsee-Badeorte gibt es jedes Jahr den obligatorischen Burgenwettbewerb, und die tüchtigen, begabten Repräsentanten unserer Nation wühlen und schuften, gestalten ganze Küsten förmlich neu. Kühne Phantasiegebilde, Kunstwerke und beeindruckende Monumente entstehen und dann kommt der Wind, schleift die Konturen, ebnet ein, egalisiert. Und es kommt die Flut, ein wenig höher also sonst, weil Sturm sie auf den Strand treibt. Die Pracht ist dahin, vergänglich wie alles: Unsere Taten, unsere Erfolge, unsere Aktennotizen, unsere Anordnungen, unser Ansehen und unser Bekanntheitsgrad.
Einer der Männer aus der Bibel, Hiob, weise geworden durch eigene, bittere Erfahrung kommt zu dem Schluß: „Was Ihr mit aller Eurer Intelligenz zu bedenken gebt, sind letztlich Sprüche aus Asche und Eure Bollwerke werden zu Lehmhaufen“.

Salomo, dieser so überaus tüchtige, kluge König des israelischen Großreiches kommt zur Erkenntnis: „Dem Erfolgreichen erscheinen alle seine Taten und Werke wie eine feste Burg mit einer hohen, stabilen Mauer, aber allein Gott, der Herr, ist der starke Turm! Wer sich zu ihm hinwendet, findet dort Bestand und sichere Geborgenheit“.
Ich schreibe diesen Artikel rechtzeitig vor Urlaubsbeginn mit der Empfehlung: Lassen Sie bitte in diesem Jahr die Sandschaufel (wofür sie auch immer als Synonym stehen mag) zuhause.
Erstens wird damit Ihr Urlaubsgepäck leichter und zum Zweiten: Sie kommen dadurch womöglich und hoffentlich nicht in die Versuchung, Erholung durch Rastlosigkeit, Nachdenken durch Programme und Entspannung durch Atemlossein zu ersetzen. Sonst könnte es passieren, daß die schönsten Wochen des Jahres mit allen ihren substantiellen Möglichkeiten genauso flach und sandig werden wie der Strand, an dem Sie gerade liegen.
Gute, gesegnete, denkwürdige Ferientage!
Karlheinz Binder

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470. Nachdenkliches für Manager – Nicht gesellschaftsfähig 6-96

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

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Nicht gesellschaftsfähig

Die Begegnung war ganz unerwartet zustandegekommen.
In der großen, feudalen Hotelhalle hatte ich ihn plötzlich gesehen, mitten in der ihn flankierenden Crew seiner engsten Mitarbeiter, ihn, den großen Konzernherrn mit dem großen Namen und der beispiellosen Karriere. Vor vielen Jahren hatte ich, damals ein junger Manager, als sein persönlicher Adjutant für ihn gearbeitet, damals, als er noch nicht einmal zwei Millionen Mark Umsatz im Jahr machte und heute, überlegte ich, dürften es so um die zwei Milliarden sein.
Ich ging zu ihm hinüber. Er erkannte mich sofort wieder, fragte, wie es mir denn ginge und als er feststellte, daß wir uns viel zu erzählen hatten, fuhren wir hinauf in sein Hotelzimmer.
Und da saßen wir nun, hatten die Gläser mit dem Rotwein auf der breiten Lehne der Sessel abgestellt und sprachen von früher.

Ich machte ihm ein großes Kompliment zu seinem phänomenalen Erfolg, sagte, daß es mich brennend interessiere, was denn nun eigentlich die Triebfeder dazu war, und er lehnte sich zurück, schloß für einen Moment die Augen und dann erzählte er:
„Als junger Mann stand ich immer wieder sehnsüchtig an den Seen und der Förde meiner Heimatstadt, sah auf die Boote, die vor dem Wind dahinsegelten und eines Tage faßte ich mir ein Herz, ging zum Vorsitzenden unseres örtlichen Segelclubs, klopfte bei ihm an und fragte, ob es nicht möglich sei, der Gemeinschaft beizutreten. Er gab mir ein Formular, das bitte auszufüllen sei und in der übernächsten Woche, sagte er, sei Vorstandsitzung und da werde man sich mit meinem Begehren befassen, ich möge bitte an einem bestimmten Tag nachfragen und als ich das dann mit Herzklopfen tat erhielt ich die Mitteilung, das Präsidium habe leider mit Mehrheit abgelehnt, weil man mich nicht in der erforderlichen Weise als gesellschaftsadäquat erachte und ich möchte, bitte, dafür Verständnis haben.
Dieses beschämende Erlebnis war der ruhelose Motor für alle meine Erfolge. Ich wollte Geld verdienen, viel Geld, reich werden, zu Ansehen und Macht kommen, um es diesen kleinkarrierten Spießbürgern zu zeigen und als ich es geschafft hatte, schickten sie eine Delegation mit der Bitte, ich möge einverstanden sein, bei ihnen Ehrenmitglied zu werden und da habe ich den Herren gesagt: „Danke, ich gehöre bereits zum angesehensten, renommiertesten und vornehmsten Segelclub hier im gesamten Norden und Ihren Ortsverein kann ich leider nicht in der erforderlichen Weise als für mich gesellschaftsfähig erachten“. Ihre langen Gesichter und die Genugtuung, denen jetzt mit gleicher Münze heimzuzahlen, waren wie Balsam für meine Seele“.
„Aber“, sagte ich, „bei Ihrer Dynamik wären Sie doch wohl auch ohne dieses Erlebnis ein so erfolgreicher Mann geworden, oder“?

Er sah mich lange und sehr nachdenklich an: „Ich weiß es nicht. Vielleicht sind wirklich Verletztsein, Demütigung und Zorn die größten Antriebskräfte. Sie konzentrieren unseren Willen und alle unsere Kräfte auf den einen Punkt: Den anderen zu beweisen, wie blöd sie waren, uns so zu behandeln. Wenn Sie viel Geld verdienen, reich werden, fällt ihnen alles zu: Ansehen, soziale Stellung, Bedeutung in der Öffentlichkeit, der Respekt der anderen, die Gewichtigkeit ihres Wortes und ihrer Person. Wir leben nun mal in einer materiell orientierten Welt, die alles zählt, wiegt und mißt. Ihren Konkurrenten, Gegnern und Ihren Neidern sind Sie nur über, wenn Sie mehr Marktanteile haben, mehr Geld, mehr Einfluß, wenn Ihr Verwaltungshochhaus drei Meter höher, und Ihr Segelboot drei Meter länger ist als das des anderen. Geld regiert die Welt“.
So sind wir, dachte ich. Verletzbar, hungrig nach Anerkennung, konzentriert auf uns, unsere Reputation, die von anderen bemerkten Erfolge, zu zeigen, wie gut wir sind.
Und wir sind überaus empfindlich, wenn jemand unsere Geltung, Kompetenz, unser Wissen und unsere Entscheidungen infrage stellt. Dann setzen wir erst recht all unsere Wollen und Können, alle unsere Energie, Zeit und seelische Spannkraft für materielle Erfolge ein, reinvestieren unsere Gewinne bis auf die letzte Mark in die Firma, damit sie noch größer, noch mächtiger, noch beherrschender wird als ein Denkmal für die Ewigkeit.

Genau deshalb schreibt der Apostel Paulus an seinen Mitarbeiter Timotheus, er möge die Reichen und Reichgewordenen ermahnen, ihr Vertrauen nicht auf Erfolg und Vermögen zu setzen, denn es ist und bleibt eine unsichere Basis, die durch viele Einflüsse, durch Konjunktur, Marktveränderungen, neue Entwicklungen, die Konkurrenz und den eigenen Geltungsdrang zu jeder Zeit gefährdet ist.
Hängt euer Herz nicht an den Besitz mit allen seinen so attraktiv erscheinenden Wirkungen, sagt Paulus, denn wir haben nichts mit in diese Welt hineingebracht und werden auch nichts aus ihr mitnehmen. Der Drang nach dem großen Geld hat manche so sehr gefangengenommen, daß sie darüber Gott vergessen haben. Diesen liebenden Gott, der nicht nach unserer Reputation fragt, nicht nach unserer Gesellschaftsfähigkeit und unseren Leistungen, sondern der bereit ist, jeden von uns so anzunehmen, wie er ist, denn „die Barmherzigkeit des Herrn hat noch kein Ende, sie ist alle Morgen neu“, sagt Jeremia, der Prophet, und Jesus Sirach, der kluge Mann des alten Testaments schreibt als seine Lebenserfahrung: „Nie ist einer zuschanden geworden, der auf den Herrn gehofft hat. Nie ist einer von ihm im Stich gelassen worden, der in der Furcht Gottes geblieben ist. Keinen hat Gott jemals übersehen, der ihn angerufen hat, denn Gott, der Herr, ist gnädig und barmherzig, er vergibt Schuld und hilft“.

Aufnahmeantrag schon gestellt?
Karlheinz Binder

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469. Nachdenkliches für Manager – Die dritte Dimension 5-96

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

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Die dritte Dimension

Auf dem Parkplatz stand eine stattliche Parade von Autos. An den vielen auswärtigen Nummernschildern konnte man sehen: Wilhelm Faber hatte auf überaus großzügige Weise zu seinem
50. Geburtstag eingeladen, Lieferanten, Kunden, Freunde.

Ich hakte meine Frau unter und als wir durch die Drehtür des noblen Restaurants kamen, entdeckte uns Faber auf den ersten Blick. Mit weit ausgebreiteten Armen nahte er, zog uns an seine Brust, wo wir beide ohne bedrängende Mühe Platz fanden und mit seiner tiefen Volltonstimme hieß er uns herzlich willkommen, gab meiner Frau 2 Küßchen und mir einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter, bugsierte uns quer durch den Raum zum Ober, der mit beneidenswerter Virtuosität auf einem Tablett die Aperitifs balancierte, drückte jedem ein Glas in die Hand und eilte wieder davon, sich um die nächsten Gäste zu kümmern, aber schon halb im Weggehen wandte er sich noch einmal um. „Du“, sagte er zu mir, „ich habe kundtun lassen, daß ich keine großen, erhebenden Laudatien über mich möchte, es sei denn, Du willst als Freund mir eine kleine Rede halten“.
„Ehrensache“, antwortete ich, „kurz, ergreifend und zwischen zwei Gängen“.

Im Festsaal hatten sie eine große Tafel gedeckt. Alles stimmte, die Tischtücher, das Geschirr, die Servietten, Speisekarten, Blumen, Kerzen, vollendete Harmonie.

Die Quiche Lorreine als Vorspeise war vorzüglich, die Kräutercremesuppe ein Genuß.

Ich sah kurz hinüber zu Wilhelm Faber, signalisierte ihm durch Kopfnicken meine Redeabsicht, klopfte an mein Glas und erhob mich, würdigte seine Verdienste und seine Tüchtigkeit als ein mittelständischer Unternehmer, der seine Firma mit sicherer Hand, weisen Entscheidungen und Instinkt für Trends und Entwicklungen durch alle Konjunktursituationen gesteuert hatte. Ich lobte seine kluge Produktpolitik, seine Art, Mitarbeiter zu begeistern und ich dankte ihm für unsere lange, tief gegründete Freundschaft und seinen Mut, auch als Unternehmer, Vorgesetzter, Auftraggeber und Konkurrent im Markt, zu jeder Zeit und in allen Situationen konsequent Christ zu sein.

Faber kam um den Tisch herum, nahm mich zum zweitenmal an diesem Tag in die Arme und als ich mich wieder setzte, voller Vorfreude auf die vielversprechenden nächsten Positionen der Speisekarte, hörte ich, wie ein weiterer Gast sich mit rhythmischen Messerschlägen an das Weinglas zu Wort meldete.
Ich kannte ihn nicht, aber er hatte eine sichere, routinierte Art zu formulieren, sein Wortschatz ließ auf großes Wissen schließen und das hatte er auch.
Er begann mit einem Lob auf die Kräutercremesuppe, kam auf den Guide Michelin zu sprechen, von dort auf die Lage der deutschen Gastronomie, machte einen Abstecher in die Situation der Landwirtschaft, sprach über die Subventionspolitik der Europäischen Union, kam auf die Welternährungslage, die sieben oder acht Familien, die den Weltgetreidehandel kontrollieren, auf das nicht ausreichende Kartellrecht und der eigentliche Zweck seiner Rede ging unter in dieser Flut von Worten und Gedanken, zusammen mit unserer Aufmerksamkeit und vor allem mit der Geduld des Chefkochs, der in immer kürzer werdenden Zeitabständen an der Saaltür erschien und optische Notsignale absetzte, weil ihm auf dem Herd das herrliche Menü zerkochte.
Wir waren einem redundanten und ohne jedes Zeitgefühl handelnden Vielredner zum Opfer gefallen. Einem, der schon etwas zu sagen hatte, der es aber so lange, ausführlich und abschweifend tat, daß er nicht nur die schönen Speisen, sondern auch seine eigenen Worte wieder kaputtformulierte. Der die Substanz zuschüttete, so viel sagte, daß man sich hinterher nicht mehr an das erinnerte, was wesentlich hätte sein können. Seine Rede hatte eine beachtliche Länge und eine eminente Breite, aber ihr fehlte die dritte Dimension.

Da gibt es Verantwortliche, dachte ich, die hören sich so gern reden, daß alle Konferenzen und Gespräche zum Monolog werden. Da finden Fernsehdiskussionen statt, in denen das leere Stroh längst bekannter Ideen und Argumente immer wieder neu durchgedroschen wird, bis nur noch Langeweile übrig bleibt. Das einzige, was sich ändert, sind die zunehmende Lautstärke und die abnehmende Bereitschaft, andere ausreden zu lassen.
Da schreiben Journalisten unter interesseweckenden Überschriften
Alltäglichkeiten hin und man bleibt genau so klug, wie man es vorher war und Hochstudierte blasen Fremdwörter und Fachformulierungen zu beeindruckenden Wortgebilden auf, hinter denen sich ihre Ratlosigkeit pompös versteckt.

Und selbst so manche Christen machen keine Ausnahme. In einem Seminar hatte ich neulich die Probe aufs Exempel gemacht: Jeder Teilnehmer sollte, ganz anonym, formulieren, wie er einem anderen Menschen den Sinn unseres Dasein erklären würde.
Bei einigen war Funkstille, weil sie es nicht schafften, ihre Erkenntnisinhalte in verstehbare Worte umzusetzen, die meisten anderen aber bestätigten die Regel, daß die Zahl der Sätze im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu deren Inhalt steht.

Wir reden, reden und reden und sagen zu wenig.
Wir schreiben, schreiben und schreiben und vermitteln zu wenig, und in der Flut von Informationen und Kommunikation geht das Du verloren, der andere, der Mensch mit seinen Wünschen, Ängsten, Sehnsüchten und seinem Bedürfnis nach Orientierung, Sinn, Liebe und Angenommensein.

Da kamen die redegewandten, gebildeten Pharisäer zu Jesus Christus in der Absicht, eine hochtheologische Diskussion mit ihm zu führen und Jesus holt sie mit einem einzigen Satz herunter auf den Boden des menschlich Notwendigen: „Ich sage Euch: Am Tag des Gerichtes, wenn jeder sich vor Gott zu verantworten hat, muß er auch Rechenschaft geben über jedes unnütze Wort“.
Wie wäre es mit ein bißchen mehr Konzentration auf das Substantielle, damit wir endlich aufhören, mit unserem Ehepartner, unseren Kindern, unseren Freunden und Mitarbeitern vorwiegend zweidimensional zu reden?
Wir wäre es mit ein bißchen mehr rhetorischer Deflationspolitik, damit wir mehr Raum bekommen für Tiefe?
Karlheinz Binder

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467. Nachdenkliches für Manager – Vergleichsverfahren 3-96

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Vergleichsverfahren

Schon zu Beginn der wöchentlichen Montagskonferenz bemerkte ich es,
Martin Schubert war eine Laus über die Leber gelaufen. Er saß da mit einem verdüsterten Gesicht, beteiligte sich nur äußerst wortkarg an den Gesprächen und Diskussionen, wirkte verkniffen.
Hatte er, dachte ich, über das Wochenende Krach gehabt? War ein Familienmitglied samt Haushaltskasse durchgebrannt? Oder hatte seine so attraktive Tochter ihm wieder einmal den jetzt absolut endgültigen, allerneuesten und unmöglichen Freund präsentiert? Eventuell sogar diesen überhaupt nicht zu ihr passenden Burschen, mit dem ich sie neulich sah?

„Martin“, sagte ich zu ihm, als wir das Sitzungszimmer verließen, „können wir beide uns noch einen Moment in meinem Büro unterhalten?“ Er nickte, aber als ich meine Hand auf seine Schulter legte, senkte er sie , machte sie zur Rutschbahn, und ich ahnte: Seine sichtliche Verärgerung hatte etwas mit der Firma oder mit mir selber zu tun.

Nachdem er sich eine Zigarette angebrannt hatte, sah er mich mit einem fast kampfbereiten Blick an und stieß förmlich heraus: „Ich bin sauer, stocksauer auf Sie und diesen Laden hier. Ich war am Freitag bei einer Sitzung in Hamburg und als wir am Abend noch alle in einer Kneipe zusammensaßen, da hat mir Eugen Grundmann von der Firma Hensold und Würz erzählt, was er verdient. Pro Jahr glatte zwanzigtausend mehr als ich, zwanzigtausend! Und da soll mir mein Job noch Freude machen?“

„Und was möchten Sie?“ fragte ich ihn.
„Gerechtigkeit“ sagte er, „ich will gerecht behandelt werden. Sie sollten sich das mal überlegen, oder ich tue es selber“.

Er stand auf, drückte seine Zigarette im Aschbecher aus, ganz konzentriert um nicht mich, sondern dieses Tun im Blick zu haben, dann ging er.

Ich ließ mich mit dem Chef von Eugen Grundmann verbinden. Wir kannten uns seit Jahren und hatten die Basis für ein offenes Wort.
Als ich ihm die Sache geschildert hatte, antwortete er: „Moment, ich greife mir eben die Unterlagen“ und als er zum Telefon zurückkam, erfuhr ich ganz persönlich und ganz vertraulich, was in seinem Haus die Leute der Grundmann-Kategorie verdienten, Endsumme, versteht sich.

Dann ging ich hinüber in Martin Schuberts Büro, setzte mich auf die Kante seines Schreibtisches und sagte: „Martin, Sie wollten Gerechtigkeit. Wenn ich die walten lasse, müßte ich Ihnen das Jahreseinkommen um fast genau dreitausend Mark reduzieren, denn um diese Summe liegt das Gehalt von Grundmann in Wahrheit unter Ihrem. Alles andere, was er Ihnen genannt und gesagt hat, war überaus großzügiges Anrechnen von Privilegien, die Sie auch haben und es war Angeberei. Trotzdem, ich tue was für Sie, aber die zwanzigtausend, die er Ihnen eingeimpft hat, sind nicht drin. Auf keinen Fall.

Martin Schubert schüttelte mißmutig den Kopf. Ich sah ihm an, die Unzufriedenheit hatte sich bereits verfestigt, die Bitterkeit ihre Wurzeln geschlagen und Freude, idealistisches Engagement, Schwung wie mit fressendem Rost überzogen.
War es nicht, fiel mir ein, Sören Kierkegaard, der dänische Religionsphilosoph, der das Wort geprägt hatte: Alle Not kommt vom Vergleichen?

Ich möchte nicht wissen, wie viel Unzufriedenheit entsteht, weil die Aufschneider unter uns nicht aussterben und wir selber oft genug hoch stapeln.

Ich möchte nicht wissen, wie viele defekte Beziehungen, auseinandergebrochene Zusammengehörigkeiten auf das Konto von angeberischen Behauptungen, großmundigen Formulierungen, unfundierten Gerüchten und ungeprüft geglaubten Behauptungen kommen. Verletzungen, die so lange wuchern und schwären, wie wir nicht die eigene Information, den objektiven Wahrheitsinhalt suchen.

Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen ein gestörtes Verhältnis zu Gott haben, weil sich versuchen ihn mit dem zu vergleichen, was er in ihren eigenen Vorstellungen ist, wie er nach ihrem Modell zu sein und zu handeln hat.

Ich möchte nicht wissen, wieviele Menschen mit Jesus Christus nicht klarkommen, weil eine sogenannte moderne Theologie in selbstzerstörerischer Überheblichkeit den Wahrheitsgehalt der Evangelien historisch-kritisch an den Maßstäben ihrer eigenen Logik mißt und so wird das kraftvolle, rettende, heilende, ermahnende und ewige Wort Gottes zur erbärmlich dünnen theologischen Wassersuppe. Und wir gleichen unseren Glauben daran ab und viele gleichen ihn an.

Alle Not kommt Vergleichen. Mit dem, was die anderen haben, verdienen, bedeuten, denken, fühlen, glauben und tun.
Wir verlieren dabei unsere eigenen Überzeugungen, unsere Maßstäbe, die Freude und die Dankbarkeit gegenüber Gott für das, was wir selber sind und haben. So etwas vergiftet die Seele.

Genau aus dieser Erkenntnis heraus, aus der Problematik des Vergleichens, betet in der Bibel, im Alten Testament, ein weiser Mann:
„Gott, laß mich weder sehr arm, noch sehr reich werden. Denn wenn ich im Übermaß hätte, stünde ich in der Gefahr, das alles meiner eigenen Tüchtigkeit zuzuschreiben und Dich darüber zu vergessen. Und wenn ich zu arm wäre, dann läge die Versuchung nahe, mich am Eigentum anderer zu vergreifen und damit Deinem Namen Schande zu machen“.
Da sucht einer seinen eigenen, ihm angemessenen Weg. Nein mehr: Er legt die Sache Gott hin als dem, der allein das richtige, für uns unschädliche Maß kennt zwischen den beiden Außenpunkten des Selbstgefälligseins und der Unzufriedenheit, denn wenn wir das nicht finden, mündet womöglich, wie oft genug in der Wirtschaftspraxis, das Vergleichsverfahren in den Konkurs.
Karlheinz Binder

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466. Nachdenkliches für Manager – Prüfungsfragen 2-96

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

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Prüfungsfragen

„Wären Sie bereit“, fragte der Seminar-Leiter am Telefon, „vor meinen Studenten in einer Abendveranstaltung einen Vortrag über Wirtschaftsethik zu halten? Sozusagen als einer vor Ort, der immer wieder mit diesem Thema in der Praxis konfrontiert ist? Und anschließend soll es dann eine Diskussion geben“.

Ich überlegte einen Augenblick und sagte zu.

Als ich zwei Wochen danach in den Hörsaal kam, war ich überrascht, wieviele junge Menschen sich da zusammengefunden hatten.
Der Leiter des Abends stellte mich vor, nannte noch einmal Ziel und Thema und als ich dann hinter dem Pult stand, die ersten Sätze sprach, ließ ich meinen Blick durch die übereinander gestaffelten Bankreihen vor mir wandern, betrachtete die Gesichter. Manche sichtlich bereit, erst einmal zuzuhören und die innere Einstellung abzuklären. Andere abwägend, sogar kritisch, ganz offenbar geprägt durch die Frage, ob es denn überhaupt möglich ist, Geschäftsmann und Christ zugleich zu sein.
Bei einzelnen Passagen bemerkte ich Nicken, bei anderen Kopfwiegen. Wie immer, sie waren nicht nur interessiert, sondern in der dann folgenden Diskussion auch äußerst engagiert.

Die Fragen kamen gezielt, ohne Umschweife und Verbrämungen und so gestellt, daß es unmöglich war, die bequemen rhetorischen Hintertürchen zu benutzen. Ich war auf dem Prüfstand. Mit meinen Überzeugungen, meinem Tun und Wollen, mit meinem Christsein.
Schon fast wie in einem Separationsprozeß, wo sich Gemeintes von Überzeugungen, schöne Redewendung von Wahrhaftigkeit, Theorie von Praxis und guter Vorsatz von Gelebtem trennt.

Es ist unbequem und tut gut, dachte ich, sich zu stellen.
Das schafft ein Stück Selbsterkenntnis, manchmal schmerzhaft, aber heilsam.

Es wurde spät, bis der Leiter das Schlußwort sprach und als ich meinen Aktenkoffer zuklappte, kamen einige der jungen Leute zu mir nach vorn, fragten, ob ich noch etwas Zeit hätte, zum ersten für ein Bier und zweitens, das Thema fortzusetzen.
Ich nickte mit dem Kopf, wir gingen quer über die Straße in eine nette, Kneipe, hockten uns um einen wohldimensionierten Tisch und unter gegenseitigem Zuprosten vertieften wir uns erneut in die Frage, wie denn eine Ethik für das Geschäftsleben zu formulieren und zu praktizieren sei.
Einer fragte mich: „Sie haben vorhin gesagt, daß Sie als Manager die Bibel ernst nehmen, aus ihr Lebensanweisung beziehen. OK, das ist eine klare Linie, aber wer kennt dieses Buch denn noch in der heutigen Zeit? Ich nicht, und die meisten von uns hier wohl auch nicht“.

„Und warum lest Ihr jungen Menschen nicht mehr in der Bibel?“, forschte ich. Er dachte eine ganze Weile nach und sagte dann: „Ich meine, es liegt wohl daran, daß ich nie einem gestandenen Erwachsenen begegnet bin, der das selber so hält“.
Da hatte ich ihn, den Schwarzen Peter: Anfrage an mich und meine Generation, die es in ihrem Beschäftigtsein mit sich, ihrer Arbeit und ihrer Welt einfach nicht mehr wahrnimmt daß sie, genau wie ich vorhin im Hörsaal, unablässig im Blickfeld und auf dem Prüfstand für die Jungen steht. Handlungsvorlagen liefert, sowohl im Guten, wie auch im Schlechten.
Wir sind groß, ging es mir durch den Kopf, wir sind groß mit Formulierungen, in dieser unmoralisch gewordenen Gesellschaft ginge es so nicht weiter, aber zugleich erweisen wir uns als unfähig, Werte vorzuleben.
Wir sind Meister im Formulieren von wohlklingenden Unverbindlichkeiten und zu feige, in klaren, ungedrechselten Sätzen öffentlich Stellung zu beziehen. Kaum einer ist noch bereit, Werte und Überzeugungen zu vertreten, Wegzeichen und Markierungen zu setzen und sich dafür als konservativ, autoritär, biedermeierlich und, neuerdings mit hinterhältiger Bösartigkeit, als fundamentalistisch beschimpfen zu lassen.

Neu allerdings ist das nicht: Der Apostel Johannes mußte mit Betrübnis über das Establishment in Jerusalem berichten, daß zwar viele aus der oberen Schicht an Jesus Christus glaubten, doch sie sprachen nicht laut darüber, denn der Beifall der Menschen war ihnen wichtiger als die Anerkennung von Gott.

Aber wie, frage ich mich, sollen denn die Ratlosen, die Suchenden, überhaupt noch gültige, durchtragende Antworten finden?

In Amerika, so stand es vor einigen Monaten in der Presse, beschließen immer mehr Jugendliche, unberührt in die Ehe zu gehen, weil sie begreifen, daß Liebe mehr ist als nur Sexualität; daß möglichst viele Erfahrungen mit möglichst vielen Partnern Erwartungsmodelle aufbauen, die derjenige niemals erfüllen kann, den man eines Tages heiratet; daß immer wieder wechselnde Sexualverhältnisse die Bindungsfähigkeit und die Bereitschaft zum gemeinsamen Durchtragen, Durchstehen drastisch reduzieren.

Wir haben, so formulierten es junge Menschen in einer Meinungsbefragung, wir haben die Nase voll von dieser Orientierungslosigkeit in unserer heutigen Gesellschaft. Wir wollen endlich Richtlinien, Grenzmarkierungen, Inhalte, an denen wir unser Leben und unser Verhalten justieren können. Wo sind die Opinion-Leaders, die mutigen, konsequenten Vorbilder?

Wo sind die Leute, die nicht nur über Ethik philosophieren, sondern die moralisch leben?
Wo sind die Menschen, die sich nicht nur Christen nennen?
Wo sind die gestandenen Erwachsenen, an denen dieser aufgeweckte, fröhliche Student erleben kann, daß die Bibel Botschaft Gottes und Gebrauchsanweisung für ein erfülltes Dasein ist?

Wären alle Fragen beantwortet, wenn er Ihnen begegnete?
Karlheinz Binder

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465. Nachdenkliches für Manager – Freundlicher Morgengruß 3-95

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

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Freundlicher Morgengruß

„Gut, daß ich Sie gerade treffe“, sagte der Chef, hakte mich unter und zog mich in sein Büro.

Er setzte sich, hielt mir mit einem freundlichen Lächeln die Kiste mit den kostbaren Zigarren hin, deren Bestand ich allerdings mit einem ebenso freundlichen Lächeln dankend verschonte, und dann zündete er mit bedächtigem Ritual eine davon an. Die Art und Weise, in der das alles geschah, ließ mich ahnen: Da gab es irgendein Problem und er suchte einen Anfang.

„Ich habe mich“, sprach er nach längerem Schweigen in die duftende Rauchwolke hinein, „ich habe mich gestern über Weber geärgert. Was heißt „ich habe“, ich ärgere mich immer noch über ihn.“

„Was ist passiert?“ fragte ich und beugte mich aufmerksam nach vorn.

„Da war der Besuch von Sven Jacobsen, unserem wichtigsten Geschäftspartner aus Skandinavien mit seinen Ingenieuren. Sie wollten unsere neue Fabrikationsanlage in Halle 3 sehen und ich hatte Weber gebeten, uns dabei zu begleiten. Jacobsen fragte mich nach ein paar Daten und als ich sie ihm sagte, fiel Weber mir ins Wort, widerlegte mich in einem Punkt, referierte ausführlich über die Technik, das System, die Kapazität, die Kosten. Darunter Fakten, die unsere Gäste überhaupt nichts angingen. Er bootete mich einfach aus.
Das war richtig peinlich. Und als Jacobsen mich auch noch so komisch über seinen Brillenrand hinweg ansah, bekam ich die Wut.
Sagen Sie selbst, muß ich mir das bieten lassen? Schließlich bin ich der Chef hier und kann doch wohl erwarten, daß so etwas respektiert wird, auch und besonders von meinen Direktoren.“

„Ich werde mit Weber reden, ganz kollegial und ganz deutlich, damit so etwas nie wieder passiert“, antwortete ich.

Der Boß nickte, gab mir die Hand und ich ging.
Weber saß in seinem Büro und unterschrieb gerade die Ausgangspost.
Ich informierte ihn über die Sachlage und die Stimmung des Chefs.
„Morgen früh“, schlug ich ihm vor, „melden Sie sich beim Alten, sagen ihm, daß Sie zur Kopfwäsche angetreten sind und es auch verdient haben und dann entschuldigen Sie sich bei ihm in angemessen zerknirschter Weise, OK?“

„O Mann“, knurrte Weber, „so schlimm war es ja nun wirklich gestern nicht, in seinem Job müßte er eigentlich robuster sein.“

Ich schüttelte den Kopf: „Es kommt nicht darauf an, wie Sie das sehen, sondern was Ihr Verhalten angerichtet hat. Und außerdem: Sie werden mit diesem Mann noch etliche Jahre zusammen geschirren müssen, denn schließlich gehört ja ihm hier der ganze Laden, oder?“

„Also gut“, seufzte Weber, ich mach ihn, den Gang nach Canossa“.

Von meinem Büro aus rief ich den Chef an: „Morgen Vormittag meldet sich Weber bei Ihnen, barfuß und mit Asche auf dem Haupt. Er braucht Ihre Gnade“.
„Danke“, sagte er, „ich werde es ihm nicht zu leicht machen, aber meine Absolution kriegt er.“
Anderntags, kurz nach zwölf Uhr, sah ich Weber beim Mittagessen im Casino. Sein Gesicht war fröhlich. Ich war richtig froh, daß alles wieder im Lot schien und fragte: „Na, wie war die Reaktion vom Chef?“
„Ich habe nicht mit ihm gesprochen“.
„Wie bitte?“
„Also“, sagte Weber ganz entspannt, „das erwies sich als nicht mehr nötig. Gegen Neun sah ich ihn zufällig in der Eingangshalle und als ich ihm „Guten Morgen“ wünschte, hat er ganz freundlich zurückgegrüßt. Ich weiß gar nicht, was sie eigentlich wollen. Alles in Butter!“

Ich goß ganz langsam Milch in meinen Kaffee, rührte wortlos und bedächtig um und überlegte: So sind wir Menschen, genau so, ob sie nun Berthold Weber oder Karlheinz Binder heißen. Wir machen Fehler, verletzen andere, laden Schuld auf uns, haben dabei manchmal sogar ein schlechtes Gewissen und aus ihm heraus die Bereitschaft, das zu beheben, Buße zu tun, um Verzeihung zu bitten, aber kaum zeigt sich das geringste Zeichen aus dem wir deuten könnten, alles käme auch so schon wieder in Ordnung, fälschen wir den Anschein um zur Tatsache und tun, als sei alles erledigt, vergeben und vergessen.
Woher kommt ein solcher Mechanismus? Ist unser Unrechtsbewußtsein verkrüppelt? Ist unser Schuldempfinden abgestorben? Sind wir zu feige, uns zu stellen und nutzen jede Möglichkeit zum Verdrängen? Sind wir nicht mutig genug, um Vergebung zu bitten, mangelt es uns an Demut gegenüber dem anderen?
Und, dachte ich weiter, verhalten wir uns nicht Gott gegenüber genau so? Ignorieren Tag für Tag sein Wort, steuern autonom unseren eigenen Kurs, bevormunden und kritisieren ihn, geben ihm nicht die Ehre, die ihm zukommt, als unserem allerhöchsten Chef?
Werden wir nicht immer und immer wieder schuldig vor ihm, weil wir weder seine Gebote achten, noch seine angebotene Versöhnung?
In Psalm 50 geht es um die gleiche Sachlage und Gott sagt: „Weil ich zu Deinen Verfehlungen und Sünden bisher geschwiegen habe meinst Du, ich sei wie Deinesgleichen.
Aber gib Dich keinen Illusionen hin, ich werde Rechenschaft von Dir verlangen für alle Deine Schändlichkeiten. Höre genau zu, Du, der Du mich nicht mehr auf Deiner Rechnung hast und nimm Dir das zu Herzen, sonst handele ich und dann ist es für Dich zu spät“.

Wäre es nicht endlich Zeit, aus unseren illusorischen Selbstrechtfertigungen aufzuwachen?

Guten Morgen!
Karlheinz Binder

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Gott ist gut
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