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470. Nachdenkliches für Manager – Nicht gesellschaftsfähig 6-96

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

 

Nicht gesellschaftsfähig

Die Begegnung war ganz unerwartet zustandegekommen.
In der großen, feudalen Hotelhalle hatte ich ihn plötzlich gesehen, mitten in der ihn flankierenden Crew seiner engsten Mitarbeiter, ihn, den großen Konzernherrn mit dem großen Namen und der beispiellosen Karriere. Vor vielen Jahren hatte ich, damals ein junger Manager, als sein persönlicher Adjutant für ihn gearbeitet, damals, als er noch nicht einmal zwei Millionen Mark Umsatz im Jahr machte und heute, überlegte ich, dürften es so um die zwei Milliarden sein.
Ich ging zu ihm hinüber. Er erkannte mich sofort wieder, fragte, wie es mir denn ginge und als er feststellte, daß wir uns viel zu erzählen hatten, fuhren wir hinauf in sein Hotelzimmer.
Und da saßen wir nun, hatten die Gläser mit dem Rotwein auf der breiten Lehne der Sessel abgestellt und sprachen von früher.

Ich machte ihm ein großes Kompliment zu seinem phänomenalen Erfolg, sagte, daß es mich brennend interessiere, was denn nun eigentlich die Triebfeder dazu war, und er lehnte sich zurück, schloß für einen Moment die Augen und dann erzählte er:
„Als junger Mann stand ich immer wieder sehnsüchtig an den Seen und der Förde meiner Heimatstadt, sah auf die Boote, die vor dem Wind dahinsegelten und eines Tage faßte ich mir ein Herz, ging zum Vorsitzenden unseres örtlichen Segelclubs, klopfte bei ihm an und fragte, ob es nicht möglich sei, der Gemeinschaft beizutreten. Er gab mir ein Formular, das bitte auszufüllen sei und in der übernächsten Woche, sagte er, sei Vorstandsitzung und da werde man sich mit meinem Begehren befassen, ich möge bitte an einem bestimmten Tag nachfragen und als ich das dann mit Herzklopfen tat erhielt ich die Mitteilung, das Präsidium habe leider mit Mehrheit abgelehnt, weil man mich nicht in der erforderlichen Weise als gesellschaftsadäquat erachte und ich möchte, bitte, dafür Verständnis haben.
Dieses beschämende Erlebnis war der ruhelose Motor für alle meine Erfolge. Ich wollte Geld verdienen, viel Geld, reich werden, zu Ansehen und Macht kommen, um es diesen kleinkarrierten Spießbürgern zu zeigen und als ich es geschafft hatte, schickten sie eine Delegation mit der Bitte, ich möge einverstanden sein, bei ihnen Ehrenmitglied zu werden und da habe ich den Herren gesagt: „Danke, ich gehöre bereits zum angesehensten, renommiertesten und vornehmsten Segelclub hier im gesamten Norden und Ihren Ortsverein kann ich leider nicht in der erforderlichen Weise als für mich gesellschaftsfähig erachten“. Ihre langen Gesichter und die Genugtuung, denen jetzt mit gleicher Münze heimzuzahlen, waren wie Balsam für meine Seele“.
„Aber“, sagte ich, „bei Ihrer Dynamik wären Sie doch wohl auch ohne dieses Erlebnis ein so erfolgreicher Mann geworden, oder“?

Er sah mich lange und sehr nachdenklich an: „Ich weiß es nicht. Vielleicht sind wirklich Verletztsein, Demütigung und Zorn die größten Antriebskräfte. Sie konzentrieren unseren Willen und alle unsere Kräfte auf den einen Punkt: Den anderen zu beweisen, wie blöd sie waren, uns so zu behandeln. Wenn Sie viel Geld verdienen, reich werden, fällt ihnen alles zu: Ansehen, soziale Stellung, Bedeutung in der Öffentlichkeit, der Respekt der anderen, die Gewichtigkeit ihres Wortes und ihrer Person. Wir leben nun mal in einer materiell orientierten Welt, die alles zählt, wiegt und mißt. Ihren Konkurrenten, Gegnern und Ihren Neidern sind Sie nur über, wenn Sie mehr Marktanteile haben, mehr Geld, mehr Einfluß, wenn Ihr Verwaltungshochhaus drei Meter höher, und Ihr Segelboot drei Meter länger ist als das des anderen. Geld regiert die Welt“.
So sind wir, dachte ich. Verletzbar, hungrig nach Anerkennung, konzentriert auf uns, unsere Reputation, die von anderen bemerkten Erfolge, zu zeigen, wie gut wir sind.
Und wir sind überaus empfindlich, wenn jemand unsere Geltung, Kompetenz, unser Wissen und unsere Entscheidungen infrage stellt. Dann setzen wir erst recht all unsere Wollen und Können, alle unsere Energie, Zeit und seelische Spannkraft für materielle Erfolge ein, reinvestieren unsere Gewinne bis auf die letzte Mark in die Firma, damit sie noch größer, noch mächtiger, noch beherrschender wird als ein Denkmal für die Ewigkeit.

Genau deshalb schreibt der Apostel Paulus an seinen Mitarbeiter Timotheus, er möge die Reichen und Reichgewordenen ermahnen, ihr Vertrauen nicht auf Erfolg und Vermögen zu setzen, denn es ist und bleibt eine unsichere Basis, die durch viele Einflüsse, durch Konjunktur, Marktveränderungen, neue Entwicklungen, die Konkurrenz und den eigenen Geltungsdrang zu jeder Zeit gefährdet ist.
Hängt euer Herz nicht an den Besitz mit allen seinen so attraktiv erscheinenden Wirkungen, sagt Paulus, denn wir haben nichts mit in diese Welt hineingebracht und werden auch nichts aus ihr mitnehmen. Der Drang nach dem großen Geld hat manche so sehr gefangengenommen, daß sie darüber Gott vergessen haben. Diesen liebenden Gott, der nicht nach unserer Reputation fragt, nicht nach unserer Gesellschaftsfähigkeit und unseren Leistungen, sondern der bereit ist, jeden von uns so anzunehmen, wie er ist, denn „die Barmherzigkeit des Herrn hat noch kein Ende, sie ist alle Morgen neu“, sagt Jeremia, der Prophet, und Jesus Sirach, der kluge Mann des alten Testaments schreibt als seine Lebenserfahrung: „Nie ist einer zuschanden geworden, der auf den Herrn gehofft hat. Nie ist einer von ihm im Stich gelassen worden, der in der Furcht Gottes geblieben ist. Keinen hat Gott jemals übersehen, der ihn angerufen hat, denn Gott, der Herr, ist gnädig und barmherzig, er vergibt Schuld und hilft“.

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Karlheinz Binder

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Thema: Nachgedacht

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