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472. Nachdenkliches für Manager – Herbstversammlung 9-96

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

 

Herbstversammlung

Einen großen Tisch hatten sie für den Verbandsvorstand vorn im Saal auf einem Podium aufgebaut. Zwölf Stühle, zwölf Namensschilder, zwölf Flaschen Mineralwasser der edlen Art und zwölf Gläser dazu.

Nach einer ausgedehnten Zeremonie der gegenseitigen Begrüßung, des Schulterklopfens und Fragens: „Wie geht es?“ hatten dann endlich alle ihren Platz eingenommen, die einen auf den erhöhten Amtsplätzen, die anderen im Parkett und der Vorsitzende eröffnete die Sitzung.

Es gab keine besonderen Tagesordnungspunkte. Neu- oder Nachwahlen standen ebenfalls nicht an, wohl aber die ausführlichen Berichte der Projektgruppenleiter über Status und Entwicklung von Geschehen und Vorhaben in ihren Sachbereichen.

Mein Blick wanderte durch die Reihen der Mitglieder und ging aus dem großen Fenster des Saales in die Weite der herbstlich werdenden Landschaft. Eine schöne Aussicht, bis auf die Hochspannungsleitung, zwischen deren filigranen Eisenmasten sich die dicken Kupferkabel bauchig schwangen.
Eine Vogelschar kurvte heran, nahm nach mehrfachem Kreisen Platz, gruppierte sich noch zwei- oder dreimal um, bis die Hierarchie stimmte und dann sahen sie zu uns herüber.
Ich mußte mühsam mein Lächeln unterdrücken: Wir hatten unsere Konferenz, sie die ihre. Hier aufgreiht an der langen Tafel das sorgsam geordnete Präsidium, dort aufgereiht auf dem langen Draht die sorgsam geordnete Vogelschar, ganz spiegelbildlich. Offensichtlich ging es bei den Piepmätzen um außerordentlich wichtige Dinge, denn sie nickten eifrig mit den Köpfen, schlugen erregt mit den Schwingen und ich ahnte, sie hatten ihre Herbstversammlung, die große Diskussion über die weite, anstrengende, abenteuerliche Südland-Reise, die schon lange nicht mehr stattfand, denn sie hatten sich abgewöhnt, unsere Gefilde zu verlassen. Aus den ehemaligen Zugvögeln waren Dauerbewohner geworden. Seßhafte, die zwar noch überaus intensiv miteinander reden und planen, ihre Rituale gewissenhaft festhalten, scheinbar startbereit auf Hochspannungsdrähten sitzen und nicht mehr aufbrechen in die Ferne, zu neuen Horizonten. Ihre Mobilität steht auf Null.

Sind, dachte ich, sind wir Menschen nicht in vielen Beziehungen genau so? Irgendwann waren wir einmal voller Tatkraft, Begeisterung, suchten neue Ufer, waren bereit, Etabliertes, Gewohntes infrage zu stellen. Und dann siegten die Routine, die Anpassung, der Opportunismus, die Bequemlichkeit. Aus ehemals begeisterten Bewegungen wurden Vereine, aus Ideen Standpunkte, aus Dynamik Sitzfleisch, aus der Bereitschaft zum Abenteuer das Absichern, und der Wagemut pervertierte zur ängstlichen Besitzstandswahrung.

Da gibt es Politiker und Manager, die reden von der Zukunft und den großen Möglichkeiten, die in ihr liegen. Sie diskutieren eifrig, erheben ihre Stimmen mit kühnem Klang, schlagen heftig mit den Flügeln und belassen es dabei.
Da gibt es Delegierte, Funktionäre, Beauftragte und Bevollmächtigte. Sie treffen sich an runden oder viereckigen Tischen nach einer wohlerwogenen Sitzordnung. Sie achten darauf, eine gute Figur zu machen, zelebrieren klugklingende Sätze vor Kameras und Mikrofonen, sprechen engagiert vom Standort Europa, fordern die anderen zum energischen Handeln auf, geben gute Ratschläge, äußern ihre hochintellektuellen Ansichten über Gott und die Welt, reden „vom Glauben an sich“ und daß Leben einen Sinn haben muß, sie schildern und erklären die Herausforderungen einer neu angebrochenen Zeit und den notwendigen und unmittelbar bevorstehenden Aufbruch zu Horizonten, so wie die Vögel dort drüben auf der Stromleitung mit ihrer bedeutenden, folgenlosen Herbstkonferenz. Unter den Füßen haben sie Hochspannung und im Herzen Trägheit.

Da hatte Jesus Christus einen Menschen angesprochen, ihm nachzufolgen. Aufzubrechen in eine Zukunft, in das Ungewohnte, Herausfordernde, in eine nie gekannte Freiheit. Die Freiheit von angestammten Klischees, Verhaltenszwängen, Schuldbelastungen. Zu einem Leben mit neuen Aufgaben und neuen Inhalten.

„Ich will ja gerne mitkommen“, war die Antwort, „aber laß mich vorher mit meiner Familie Abschied feiern“.
Und Christus sagt: „Wer seine Hand an den Pflug legt und dabei rückwärts schaut, den kann Gott nicht gebrauchen“.

Gott will keine Zauderer. Er will keine, die auf Draht sind und dennoch sitzenbleiben. Keine die versuchen, sich in endlosen Diskussionen Klarheit zu verschaffen, ob man denn nun den Mut zur Entscheidung haben solle oder auch nicht. Gott will keine notorischen Bedenkenträger, keine rückwärts gewandten Vorurteilsfesthalter, keine Nesthocker, die sich immer nur ihren Puls fühlen und damit nicht mehr die Hände frei haben zum Zupacken und zum Beten.
Gott will Menschen, die sich entscheiden, bei denen er weiß, woran er mit ihnen ist. Leute die ihr Vertrauen in Jesus Christus und seine Zusagen investieren, denn, so steht es in der Bibel: „Die auf Gott vertrauen, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie junge Adler.“

Frage an uns: Sollten wir noch länger auf der langen Leitung hocken bleiben, oder: Start frei?
Karlheinz Binder

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Thema: Nachgedacht

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