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471. Nachdenkliches für Manager – Mit Sand gebaut 7-96

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

 

Mit Sand gebaut

Als ich schwer atmend über die letzte Düne joggte, lag der Strand vor mir.
Die Morgensonne brachte die kleinen, winzigen Quarzpartikel im Sand zum Leuchten, die schäumende Brandung rauschte im gleichmäßigen, geruhsamen Rhythmus an die bretonische Küste, die Luft war frisch und belebend, ein Morgen wie aus dem Bilderbuch der Schöpfung.
Nur an einer Stelle schien es, als habe in der Nacht ein Meteor eingeschlagen und ein kreisrundes Loch mit Wall hinterlassen, aber als ich näherkam sah ich, wie in geregelten Intervallen Material aus dem Krater geworfen wurde und beim Hineinschauen entdeckte ich einen Urlauber in der Kuhle. Er hatte eine rote Kinderschaufel in der Hand und buddelte sich eifrig tiefer.

„Guten Morgen, Landsmann“, keuchte ich.
Er schaute erstaunt auf und fragte: „Woher wissen Sie, daß ich Deutscher bin?“
„Das sehe ich an Ihrem Bauwerk. Wir sind die einzige Nation, die Strandburgen baut und ich finde, wir sollten das endlich zum Patent anmelden, bevor die anderen Völker anfangen es uns ohne die geringste Lizenz-Zahlung nachzutun“.
Er sah mich mit seinem intelligenten Blick nachdenklich an: „Halten Sie mich für kindisch“?
„Nein, mir geht es genau so. Ich ertappe mich ständig in diesem inneren Zwang, mich mit irgendetwas zu beschäftigen, ein Programm zu machen, etwas Sichtbares zu tun, Resultate und Erfolgserlebnisse auch im Urlaub zu haben. Und im übrigen ist es ja ein Urtrieb des homo sapiens, sich ein schützendes Domizil zu schaffen und auf irgendeine Weise sein Revier zu markieren“.

Er lachte, griff hinter sich, hatte plötzlich zwei Bierdosen in der Hand, hielt mir eine entgegen und fragte: „Mögen Sie“?.
Ich nickte, setze mich neben ihn auf den Wall und wir sahen auf die Fischerboote weit draußen, spürten den Wind auf der Haut und genossen den Morgen.
„Eigentlich bin ich verrückt“, unterbrach er das Schweigen. „Da freue ich mich auf den Urlaub, das Durchatmen, die Ruhe, daß alle äußeren und inneren Diktate sich auflösen in einer lockeren Entspannung und kaum bin ich hier, fange ich an, etwas zu unternehmen, mir Arbeit zu verordnen. Drüben vor unserem Ferienhaus liegt meine Frau mit einem Buch in der Sonne und tut das, was ich eigentlich sollte, sie ruht sich ganz gelassen aus“.
„Meine auch“, sagte ich, „aber für uns Verrückte ist Urlaub, wie neulich einer geschrieben hat, die unveränderte Fortsetzung von Schaffensdrang und Streß in einem veränderten Umfeld“.

Wir nicken uns freundlich zu und ich setzte meinen Morgenlauf fort.

Das Wetter blieb den ganzen Tag so wundervoll wie es begonnen hatte, nur gegen Abend bildete sich weit im Westen über der offenen See ein Vorhang von aufgetürmten Wolken, die auf heftigen Wind und Regen hindeuteten.

Zwei Stunden nach Mitternacht, zusammen mit der auflaufenden Flut, war das Gewitter da. Mit peitschenden Regenschauern, die auf das Dach und gegen die Fenster trommelten. Mit Sturm, der heulend an den Bäumen und Büschen zerrte. Vierzig Minuten lang, dann kam das Unwetter außer Atem und verlor sich in der Stille der Nacht.
Am Morgen, als meine Frau und ich an den Strand gingen, war von dem fleißigen Werk des fleißigen deutschen Meisters nur noch eine flache Mulde übrig, umringt von einer sanften, völlig verspülten Bodenwelle.
In fast jedem der Ostsee-und Nordsee-Badeorte gibt es jedes Jahr den obligatorischen Burgenwettbewerb, und die tüchtigen, begabten Repräsentanten unserer Nation wühlen und schuften, gestalten ganze Küsten förmlich neu. Kühne Phantasiegebilde, Kunstwerke und beeindruckende Monumente entstehen und dann kommt der Wind, schleift die Konturen, ebnet ein, egalisiert. Und es kommt die Flut, ein wenig höher also sonst, weil Sturm sie auf den Strand treibt. Die Pracht ist dahin, vergänglich wie alles: Unsere Taten, unsere Erfolge, unsere Aktennotizen, unsere Anordnungen, unser Ansehen und unser Bekanntheitsgrad.
Einer der Männer aus der Bibel, Hiob, weise geworden durch eigene, bittere Erfahrung kommt zu dem Schluß: „Was Ihr mit aller Eurer Intelligenz zu bedenken gebt, sind letztlich Sprüche aus Asche und Eure Bollwerke werden zu Lehmhaufen“.

Salomo, dieser so überaus tüchtige, kluge König des israelischen Großreiches kommt zur Erkenntnis: „Dem Erfolgreichen erscheinen alle seine Taten und Werke wie eine feste Burg mit einer hohen, stabilen Mauer, aber allein Gott, der Herr, ist der starke Turm! Wer sich zu ihm hinwendet, findet dort Bestand und sichere Geborgenheit“.
Ich schreibe diesen Artikel rechtzeitig vor Urlaubsbeginn mit der Empfehlung: Lassen Sie bitte in diesem Jahr die Sandschaufel (wofür sie auch immer als Synonym stehen mag) zuhause.
Erstens wird damit Ihr Urlaubsgepäck leichter und zum Zweiten: Sie kommen dadurch womöglich und hoffentlich nicht in die Versuchung, Erholung durch Rastlosigkeit, Nachdenken durch Programme und Entspannung durch Atemlossein zu ersetzen. Sonst könnte es passieren, daß die schönsten Wochen des Jahres mit allen ihren substantiellen Möglichkeiten genauso flach und sandig werden wie der Strand, an dem Sie gerade liegen.
Gute, gesegnete, denkwürdige Ferientage!
Karlheinz Binder

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Thema: Nachgedacht

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