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466. Nachdenkliches für Manager – Prüfungsfragen 2-96

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

 

Prüfungsfragen

„Wären Sie bereit“, fragte der Seminar-Leiter am Telefon, „vor meinen Studenten in einer Abendveranstaltung einen Vortrag über Wirtschaftsethik zu halten? Sozusagen als einer vor Ort, der immer wieder mit diesem Thema in der Praxis konfrontiert ist? Und anschließend soll es dann eine Diskussion geben“.

Ich überlegte einen Augenblick und sagte zu.

Als ich zwei Wochen danach in den Hörsaal kam, war ich überrascht, wieviele junge Menschen sich da zusammengefunden hatten.
Der Leiter des Abends stellte mich vor, nannte noch einmal Ziel und Thema und als ich dann hinter dem Pult stand, die ersten Sätze sprach, ließ ich meinen Blick durch die übereinander gestaffelten Bankreihen vor mir wandern, betrachtete die Gesichter. Manche sichtlich bereit, erst einmal zuzuhören und die innere Einstellung abzuklären. Andere abwägend, sogar kritisch, ganz offenbar geprägt durch die Frage, ob es denn überhaupt möglich ist, Geschäftsmann und Christ zugleich zu sein.
Bei einzelnen Passagen bemerkte ich Nicken, bei anderen Kopfwiegen. Wie immer, sie waren nicht nur interessiert, sondern in der dann folgenden Diskussion auch äußerst engagiert.

Die Fragen kamen gezielt, ohne Umschweife und Verbrämungen und so gestellt, daß es unmöglich war, die bequemen rhetorischen Hintertürchen zu benutzen. Ich war auf dem Prüfstand. Mit meinen Überzeugungen, meinem Tun und Wollen, mit meinem Christsein.
Schon fast wie in einem Separationsprozeß, wo sich Gemeintes von Überzeugungen, schöne Redewendung von Wahrhaftigkeit, Theorie von Praxis und guter Vorsatz von Gelebtem trennt.

Es ist unbequem und tut gut, dachte ich, sich zu stellen.
Das schafft ein Stück Selbsterkenntnis, manchmal schmerzhaft, aber heilsam.

Es wurde spät, bis der Leiter das Schlußwort sprach und als ich meinen Aktenkoffer zuklappte, kamen einige der jungen Leute zu mir nach vorn, fragten, ob ich noch etwas Zeit hätte, zum ersten für ein Bier und zweitens, das Thema fortzusetzen.
Ich nickte mit dem Kopf, wir gingen quer über die Straße in eine nette, Kneipe, hockten uns um einen wohldimensionierten Tisch und unter gegenseitigem Zuprosten vertieften wir uns erneut in die Frage, wie denn eine Ethik für das Geschäftsleben zu formulieren und zu praktizieren sei.
Einer fragte mich: „Sie haben vorhin gesagt, daß Sie als Manager die Bibel ernst nehmen, aus ihr Lebensanweisung beziehen. OK, das ist eine klare Linie, aber wer kennt dieses Buch denn noch in der heutigen Zeit? Ich nicht, und die meisten von uns hier wohl auch nicht“.

„Und warum lest Ihr jungen Menschen nicht mehr in der Bibel?“, forschte ich. Er dachte eine ganze Weile nach und sagte dann: „Ich meine, es liegt wohl daran, daß ich nie einem gestandenen Erwachsenen begegnet bin, der das selber so hält“.
Da hatte ich ihn, den Schwarzen Peter: Anfrage an mich und meine Generation, die es in ihrem Beschäftigtsein mit sich, ihrer Arbeit und ihrer Welt einfach nicht mehr wahrnimmt daß sie, genau wie ich vorhin im Hörsaal, unablässig im Blickfeld und auf dem Prüfstand für die Jungen steht. Handlungsvorlagen liefert, sowohl im Guten, wie auch im Schlechten.
Wir sind groß, ging es mir durch den Kopf, wir sind groß mit Formulierungen, in dieser unmoralisch gewordenen Gesellschaft ginge es so nicht weiter, aber zugleich erweisen wir uns als unfähig, Werte vorzuleben.
Wir sind Meister im Formulieren von wohlklingenden Unverbindlichkeiten und zu feige, in klaren, ungedrechselten Sätzen öffentlich Stellung zu beziehen. Kaum einer ist noch bereit, Werte und Überzeugungen zu vertreten, Wegzeichen und Markierungen zu setzen und sich dafür als konservativ, autoritär, biedermeierlich und, neuerdings mit hinterhältiger Bösartigkeit, als fundamentalistisch beschimpfen zu lassen.

Neu allerdings ist das nicht: Der Apostel Johannes mußte mit Betrübnis über das Establishment in Jerusalem berichten, daß zwar viele aus der oberen Schicht an Jesus Christus glaubten, doch sie sprachen nicht laut darüber, denn der Beifall der Menschen war ihnen wichtiger als die Anerkennung von Gott.

Aber wie, frage ich mich, sollen denn die Ratlosen, die Suchenden, überhaupt noch gültige, durchtragende Antworten finden?

In Amerika, so stand es vor einigen Monaten in der Presse, beschließen immer mehr Jugendliche, unberührt in die Ehe zu gehen, weil sie begreifen, daß Liebe mehr ist als nur Sexualität; daß möglichst viele Erfahrungen mit möglichst vielen Partnern Erwartungsmodelle aufbauen, die derjenige niemals erfüllen kann, den man eines Tages heiratet; daß immer wieder wechselnde Sexualverhältnisse die Bindungsfähigkeit und die Bereitschaft zum gemeinsamen Durchtragen, Durchstehen drastisch reduzieren.

Wir haben, so formulierten es junge Menschen in einer Meinungsbefragung, wir haben die Nase voll von dieser Orientierungslosigkeit in unserer heutigen Gesellschaft. Wir wollen endlich Richtlinien, Grenzmarkierungen, Inhalte, an denen wir unser Leben und unser Verhalten justieren können. Wo sind die Opinion-Leaders, die mutigen, konsequenten Vorbilder?

Wo sind die Leute, die nicht nur über Ethik philosophieren, sondern die moralisch leben?
Wo sind die Menschen, die sich nicht nur Christen nennen?
Wo sind die gestandenen Erwachsenen, an denen dieser aufgeweckte, fröhliche Student erleben kann, daß die Bibel Botschaft Gottes und Gebrauchsanweisung für ein erfülltes Dasein ist?

Wären alle Fragen beantwortet, wenn er Ihnen begegnete?
Karlheinz Binder

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Thema: Nachgedacht

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