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495. Nachdenkliches für Manager – Friedrich der Große 11-88

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Friedrich der Große

Das hatte Friedrich Wesseling, Generalbevollmächtigter in einem bedeutenden Unternehmen, mit vielen Menschen, die Geschichte gemacht haben, gemeinsam: Er war nicht übermäßig hoch gewachsen, eher von untersetzter Statur, aber voller Dynamik und Unternehmungsgeist Mit einem geradlinigen Charakter und einem kämpferischen Herzen. Wir jungen Manager schätzten ihn alle als unser Vorbild, unseren Ziehvater und Mentor, und voller Achtung nannten wir ihn unter uns Friedrich den Großen.

Er war 63 Jahre alt, als er mich damals in seine Schule nahm, mich, den um 40 Jahre jüngeren Nachwuchsmann. Er gab sich besondere Mühe mit mir, denn, so sagte er, ich sei sein letzter Zögling. Nach mir werde es keinen mehr geben, dann gehe er in Pension, das habe er seiner Frau seit Jahren fest versprochen, und sie beide freuten sich auf diese Zeit.

Ich ging durch eine harte Ausbildung bei ihm. Aber er war immer fair. Ich wusste stets, woran ich bei ihm war. Machte ich Fehler, sagte er es mir gerade heraus, aber niemals herabsetzend. War ich gut gewesen, kam er zu mir in mein Büro, klopfte mir auf die Schulter und an der Art, wie er bei seinem Abgang die Tür hinter sich schloss, konnte ich den Grad seiner Zufriedenheit erkennen: Je lauter, desto positiver.

Seine kraftvolle, unkonventionelle und Iärmende Art steckte uns Jungmanager an, und wir waren ein dynamisches, fröhliches Team.

Etwa sechs Monate vor seinem 65. Geburtstag bemerkten wir es zum ersten Mal: Mit Friedrich Wesseling ging eine Veränderung vor sich. Er wurde leiser, stiller. Seine Bürotür, die sonst stets offen gestanden hatte (er sagte, von geschlossenen Türen bekäme man Klaustrophobie, Motivationsschwäche und wachsende Kontaktprobleme) blieb immer öfter zu. Von Woche zu Woche erschien er uns bedrückter, als sei er krank.

Unsere Oberbuchhalterin, eine Schulfreundin von Frau Wesseling, erzählte, dass sich die Familie Sorgen um ihn machte, aber er wich jedem Gesprächsversuch aus.

Dann kam das Betriebsfest. Der Firmen-Inhaber hielt eine Rede. Er sprach von den Erfolgen des Unternehmens, die auch die unseren seien, dankte allen für Einsatz und Loyalität, und dann sprach er von Friedrich Wesseling. Es klang wie Abschied, denn der Chef erinnerte sich an die Zeit des Aufbauens, des Wachsens, der ersten, großen Erfolge, des Durchbruchs und das alles Schulter an Schulter mit ihm. „Und nun,“ sagte der Inhaber, „kann ich Ihnen allen eine erfreuliche und für das Unternehmen äußerst wichtige Tatsache bekannt geben: Mein Generalbevollmächtigter, Friedrich Wesseling, hat mir gestern in einem Gespräch angeboten, unserer Firma für weitere zwei Jahre zur Verfügung zu stehen. Ich habe mit großer Dankbarkeit akzeptiert.“ Dann redete Wesseling, und er war wieder ganz der alte Haudegen, voller Kraft und Unternehmungsgeist. Am Montag darauf erzählte die Oberbuchhalterin, Frau Wesseling habe sie am Wochenende besucht und schrecklich geweint.
Ein Dreivierteljahr nach diesem Geschehen bekam ich ein beruflich viel versprechendes Angebot in eine andere Stadt, und ich verließ das Unternehmen. Manchmal dachte ich noch voller Dankbarkeit an Friedrich den Großen zurück, aber das wurde immer seltener, ich konzentrierte mich auf meine wachsenden Aufgaben und meine Zukunft, bis ich eines Morgens in der Zeitung die Nachricht über seinen Tod las. Er hatte seine Pensionierung um noch nicht einmal ein halbes Jahr überlebt.

Ich griff tief betroffen zum Telefon und rief in meiner alten Firma an. „Er hat sich“, sagte mir die Oberbuchhalterin, „nachdem er in den Ruhestand gegangen war, zuhause in sein privates Arbeitszimmer gesetzt und Tag für Tag vor sich hingebrütet. Für ihn war das Leben sinnlos geworden, es hatte seinen Inhalt verloren. Er kam kaum noch aus seinem Zimmer. Er resignierte immer mehr, und in seinem Inneren wurde es finster. Gestorben ist er“, und hier fing die Oberbuchhalterin an zu weinen, „an einer ganz normalen Grippe, aber sein Arzt meinte, er hatte keinen Lebensmut mehr.“
Ich legte den Telefonhörer behutsam auf und dachte zurück an diesen beeindruckenden Mann mit seinem kämpferischen Herzen, in dem wohl schon lange die Angst geschlummert hatte vor dem Augenblick, da aus Friedrich dem Grossen der Alte Fritz werden würde. War es schon seit langem die Furcht gewesen, die ihn zu Höchstleistungen angetrieben hatte ? War er deshalb an gebrochenem Herzen gestorben, weil er, wie die Bibel sagt, immer mehr in das Dunkel der Angst geriet, wo nichts mehr zu finden ist, als Trübsal und Finsternis? Hätte vielleicht irgend jemand dem Friedrich Wesseling rechtzeitig in seinem Leben sagen sollen, dass sich Angst nicht durch Dynamik und Erfolge überwinden Iässt, sondern nur durch ein neu gefundenes Vertrauen zu Gott? Dass Jesus Christus an uns adressiert: Euer Herz erschrecke und ängstige sich nicht, glaubt an Gott und an mich!

Aber wer hätte Friedrich Wesseling das sagen sollen ? Vielleicht ich ?

 

Karheinz Binder

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494. Nachdenkliches für Manager – Familien-Nachricht 10-88

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Familien-Nachricht

Der Umschlag hatte eine dezente Leinenstruktur und sah edel aus. Die Adresse war von Hand, kraftvoll, klar, ohne Schnörkel. Die Briefmarke saß absolut rechtwinklig zur Aussenkante, und ich brauchte gar nicht erst auf die Rückseite zu schauen: Mein Geschäftsfreund Willi Hagenthal hatte mir ganz privat in seiner vitalen Korrektheit geschrieben. Vermutlich eine Einladung.

Als ich das Kuvert aufmachte, wollte ich meinen Augen nicht trauen. Ich rief meine Frau, und als sie kam, drückte ich ihr die Karte in die Hand und sagte: „Lies das bitte ganz laut vor, sonst kann ich es nicht glauben.“
„Liebe Freunde,“ begann sie, „unsere Zeit, in der wir heute leben, ist voller Schwierigkeiten und Konflikte, voller Missverständnisse und Irrtümer. Das alles ist auch an unserer Ehe in den acht Jahren des gemeinsamen Lebens nicht spurlos vorbeigegangen, und wir haben deshalb beschlossen, unsere Wege in Zukunft getrennt fortzusetzen. Wir gehen in voller Harmonie auseinander und wünschen uns gegenseitig und unseren Freunden alles Gute und viel Glück. Ihre Willi und Rita Hagenthal.“

„Ich bin erschüttert,“ sagte meine Frau mit einer Stimme, durch die die Betroffenheit hindurch klang, „hast Du jemals etwas davon bemerkt ?“
Ich überlegte. Da waren zwei Menschen, die ich von Herzen mochte. Sie hatten nie Sorgen gehabt, es war alles da: ein schönes Haus, eine gesicherte Existenz, eine gute Zahl Freunde und eine Menge Bekannte, Parties, Empfänge, Feiern. Ein Leben, rundum ausgefüllt mit Aktivitäten. Beide passten zueinander, und jeder hatte dem Erwartungsmodell des anderen entsprochen. Untreue schied aus, dazu war Hagenthal ein viel zu korrekter und geradliniger Mensch, und seine Frau kam aus einem religiösen Elternhaus und wusste um das 6. Gebot.

Ja, da gab es eine Sache, die mir aufgefallen war: Die beiden hatten selten Urlaub gemacht und wenn, dann immer nur zehn oder zwölf Tage. Ich konnte das verstehen, denn er war ein ständig und dringend gebrauchter, hochbelastbarer, erfolgreicher Manager. Aber hatte nicht genau das seiner Frau und den beiden Kindern ein sorgenfreies, sonniges Leben ermöglicht?
Willi Hagenthal und ich hatten einmal darüber gesprochen Es war nach dem Besuch seiner Frau im Büro, als er hinterher im Terminkalender von ihrer Hand im Zeitfeld eines der wenigen freien Abende eine Eintragung fand: „20-22 Uhr Besprechung mit Rita Hagenthal“.
Er hatte das für einen Spaß gehalten und herzhaft darüber gelacht. „Meine Prioritäten sind so genau richtig,“ hatte er gemeint, „zuerst muss man Karriere machen und sich etablieren, und wenn es dann geschafft ist, kann man auf eine langsamere Gangart umschalten und alles das tun, was man schon immer wollte. Reisen, Kunst, Kultur, die Füße vor dem Kamin ausstrecken und miteinander denken und reden.“

Dazu würde es nun nicht mehr kommen. Und die zwei Kinder? Was war mit ihnen? Aber sicherlich hatte er in seiner gründlichen Art an alles das gedacht, nur an eines nicht: Ob die Geborgenheit, das Vertrauen, die Liebe, das Präsentsein nicht doch wichtiger sind als materielle Erfolge? Ob die Prioritäten seiner Frau und seiner Kinder wirklich mit den seinen identisch waren, wie er immer vorausgesetzt hatte ?
Warum hatte er in seiner Blicklosigkeit nicht begriffen: Die Notiz in seinem Kalender war ein Hilfeschrei.
„Zeit kann man nur einmal investieren,“ sagte neulich ein Management-Trainer, „deshalb muss man genau und gewissenhaft überlegen, auf welches Projekt man sich konzentriert.“

Wenn es stimmt, dass Gott uns eines letzten Tages nicht nach unseren Erfolgen, sondern nach den Menschen fragen wird, die er uns als Allernächste anvertraut hat, wenn nicht zählt, was wir auf dem Bankkonto haben, sondern wie sehr wir von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit aller unserer Kraft Gott geliebt haben und unseren Nächsten wie uns selbst, wie sieht dann die Bilanz aus?

Ich sah auf meine Armbanduhr und schreckte zusammen. Ich hätte schon Iängst in der Firma sein müssen, der Tag war vollgestopft mit Besprechungen, Treffen und Denkarbeit.
„Nimm die mit,“ sagte meine Frau, und gab mir die Karte von Willi und Rita Hagenthal zurück, „lege sie neben Deinen Terminkalender!“

 

Karlheinz Binder

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493. Nachdenkliches für Manager – Der Unersetzliche 9-88

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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Der Unersetzliche

Um 15.00 Uhr hatte ich losfahren wollen, damit ich in Ruhe und Gelassenheit das für den Abend angesetzte Arbeitsessen mit anschließender Fach-Konferenz erreichen würde, aber ich war wieder einmal viel zu spät aus dem Geschäft weggekommen, und nun saß ich zwischen den Tagungsteilnehmern am schön gedeckten Tisch mit einem durch das schnelle Fahren auf der Autobahn immer noch viel zu hohen Adrenalinspiegel und mit einem richtigen Hunger, denn der Tag war so hektisch gewesen, dass es seit dem Morgen nur zu einem kurzen Imbiss gereicht hatte.
Ich griff nach der Speisekarte, und im gleichen Augenblick tat das auch mein Gegenüber, wir zogen beide nahezu simultan unsere Hände zurück und sagten wie aus einem Mund: „bitte“, und dann lachten wir und machten uns miteinander bekannt. Er war der Inhaber einer hochspezialisierten mittelständischen Fabrik, über die ich bisher in Fachkreisen viel Lobenswertes gehört hatte, und von ihm, dem alleinigen Chef, erzählte man sich, er sei Motor, Seele und Zukunftsgarant des Unternehmens. Als ich ihm das sagte, blickte er sehr konzentriert in die Speisekarte und wechselte das Thema.

Der Zufall wollte es, dass wir in der anschließenden, gemeinsamen Sitzung unserer beiden Fachverbände PIätze nebeneinander hatten, und als ich nach diesem langen Abend hinüberging in die rustikale, gemütliche Schenke des Hotels, um dort noch ein Abschlussbier zu trinken, standen wir uns ganz unvermutet wieder gegenüber.
„Das ist heute das dritte Mal“, sagte ich: „Jetzt gebe ich einen aus.“

Wir setzten uns in eine ruhige Ecke, und nach dem ersten, großen Zug aus den GIäsern, dem obligatorischen Schaumabwischen vom „Ah“-sagenden Mund, klopfte er mir auf die Schulter: „Ich hoffe, Sie waren heute Mittag nicht beleidigt, als ich unser Gespräch nach Ihrem freundlichen Kompliment fast unhöflich abgebrochen habe?“
„Nein“, sagte ich, „ich war nicht böse, aber ich hatte das Gefühl, Ihre Erfolge sind zugleich Ihr Problem, oder?“
Er sah mich lange und nachdenklich an: „Sie sind auf dem Punkt. Wissen Sie, da rast man nun von einer Sitzung zur anderen, von einer Stadt in die nächste und schuftet, damit die Auftragsbücher immer schön voll bleiben. Mein ganzes Leben ist im Grunde genommen nur noch eine Art Bestandteil meines Terminkalenders. Manchmal bin ich so kaputt, dass ich selbst zum Ausruhen zu erschöpft bin. Kennen Sie das? Wo das Schwungrad in einem drin einfach weiterläuft und das innere Gleichgewicht aus den Fugen geraten ist, bis hin zu Herzrhytmus-Störungen, wie bei mir. Es gibt Momente, da wünsche ich mir, nur noch für meine Frau und mich da zu sein, aber ich kann nicht weg. Wenn ich mich zurückziehe, bricht meine Firma zusammen. Ich habe über zu viele Jahre versucht, mich unentbehrlich zu machen, und jetzt bin ich es.,,
Er Iächelte mich ganz kurz an und sprach konzentriert weiter: „Sicherlich könnten Sie mich jetzt eine ganze Menge fragen. Zum Beispiel, ob die Prioritäten in meinem Leben stimmen, ob Erfolg denn nun wirklich alles ist und ob ich mir mit meiner Unersetzlichkeit nicht letzten Endes selber etwas vormache.“
Und dann, nach einer kurzen Nachdenkpause, sagte er: „lch weiss es Iängst, dass ich einmal gründlich und ehrlich über den Sinn meines Lebens nachdenken müsste. Aber selbst wenn ich das tue: Wird sich an meiner Situation wirklich etwas ändern ? Außer vielleicht, dass ich dann noch mehr mit einem schlechten Gewissen meiner Familie und Gott gegenüber herumlaufe, und wer will das schon ? Mein Vater hat mir immer gesagt: Sei ein Mann und benimm dich wie ein Mann!“
Er stand auf, straffte seine Schultern, tilgte alle Nachdenklichkeit aus seinem Gesicht durch ein strahlendes Lachen, gab mir die Hand und sagte: „Dennoch, es war gut, mal mit jemandem über das alles zu reden. Danke.“ Und dann ging er.

Ich lag lange wach in dieser Nacht, weil ich mich in ihm selber wiedererkannt hatte. Die meisten Jahre meines Lebens war ich genauso gewesen wie er, hielt mich für nahezu unersetzlich und bezog aus dieser Haltung den Maßstab für meine Prioritäten und mein Handeln.
Ich musste an einen Freund denken. Er ist Geometer und kürzlich hatte einer seiner Trupps drei Tage lang umsonst gearbeitet, weil alle Messungen von einem falschen Ausgangspunkt gemacht worden waren.
Wie steht es in der Bibel, im Buch der Weisheit?: „Des Menschen Sorge richtet sich nicht darauf, dass sein Leben kurz und unwiederholbar ist und dass er eines Tages sterben muss, sondern er ist unablässig bemüht, um die Wette mit den anderen zu arbeiten und ihnen nachzueifern. Alles, was er für seinen Ruhm hält, sind vergängliche Dinge. Seines Herzens Gedanken sind wie Asche, und weil er Gott nicht ernst nimmt, den, der ihn geschaffen und ihm eine Seele gegeben hat, ist seine Hoffnung wie Staub, und sein Leben hat nicht mehr Wert als die Erde, zu der er eines Tages wieder werden wird.“

Morgen früh, überlegte ich, wenn ich meinen neuen Freund beim Kaffee treffe, werde ich ihm sagen, was Gott von unseren Prioritäten und unserer Unersetzlichkeit hält. Ob es was nützt?

 

Karlheinz Binder

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492. Nachdenkliches für Manager – Der Weltmeister 7-88

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Der Weltmeister

Er war ein absolutes Ass in seinem Beruf, mit der Kondition eines 10 000-Meter-Läufers vergleichbar, der die ganze Strecke im 100-MeterTempo bewältigen konnte. Wann immer der Chef ihm „die Latte“ höher legte, sprang er scheinbar mühelos darüber hinweg. Er war der geborene Höchstleistungsmann, intelligent, kämpferisch, unermüdlich, dynamisch. Olympiareif in sämtlichen Management-Mehrkampfdisziplinen.
Wir waren alle von ihm beeindruckt. Von seinem Können, seinem fröhlichen Ehrgeiz, seinen Erfolgen. Und eines Tages geschah das Undenkbare. Als ich am Morgen in mein Büro kam, eilte mir meine Sekretärin aufgeregt entgegen und sagte mit zerbrochener Stimme: „Robert Wenzel ist tot. Herzinfarkt, heute Nacht. Ist das nicht furchtbar, ausgerechnet er?“

Eine knappe Stunde später kam die Geschäftsleitung zusammen. Wir saßen um den großen Konferenztisch, starrten auf Wenzels leeren Platz und waren still und bedrückt. Als der Chef Worte des Gedenkens und des Dankes sprach, musste er spürbar um Haltung kämpfen, und sein letzter Satz war: „Wir werden Robert Wenzel niemals vergessen, er hat sich in einer ganz besonderen, einmaligen Weise um dieses Unternehmen verdient gemacht.“

Die nächsten Wochen improvisierten wir, um alle gemeinsam Robert Wenzel zu ersetzen, bis sein Nachfolger endgültig bestimmt war, aber es zeigte sich schmerzlich und deutlich: Er hinterließ eine empfindliche Lücke.

Drei Jahre später erlebte ich dann jene denkwürdige Sitzung. Ein öffentliches Projekt, an dem wir schon lange interessiert waren, kam nach langer Stagnation endlich in Bewegung, und mein Kollege Weber, der über vertrauliche Kanäle davon erfahren hatte, schloss seinen engagierten Bericht mit der Aufforderung: „Wir müssen sofort ran an diese Sache. Wenn wir das packen, bringt uns das eine Menge Umsatz und eine Menge Prestige. Im übrigen, wir haben über die ganze Materie schon eine ausgezeichnete Voruntersuchung, die vor ein paar Jahren der Herr .. .“, und hier stockte seine Stimme kaum merklich einen Wimpernschlag lang, bevor er mit Routine neu ansetzte: „Da gibt es bereits eine Expertise der Verkaufsabteilung.“ Er hatte sich nicht mehr an den Namen des Verfassers erinnern können.

Vor der Tür sagte ich zu Weber: „Robert Wenzel hat das damals ausgearbeitet.“ Und er antwortete mir: „Ich weiß, jetzt weiß ich es wieder, aber vorhin war der Name einfach weg. Ehrlich, geht es Ihnen nicht auch so: Das hektische Tagesgeschäft hält einen so in Trab, dass man alles andere verdrängt und vergißt.“

Ich ging noch einmal zurück ins Konferenz-Zimmer. Dort drüben, mir genau gegenüber, hatte Robert Wenzel viele Jahre lang gesessen, dynamisch, humorvoll, ideenreich, liebenswert. Unvergesslich?
Hatte Weber nicht recht? Wir konzentrieren uns auf die, die uns nutzen, gut sind für die eigene Karriere. Tagesordnung ist stärker und wichtiger als Erinnerungen.

Mir fielen Namen von Sportlern ein. Noch vor wenigen Jahren waren sie umjubelte Idole, umgeben von Bewunderern, Fans und Autogrammjägern. Mit Ehrungen und Werbeangeboten überhäuft – und heute?
Was bleibt übrig von unserem Ruhm, den Siegen, Rekorden und Erfolgen? Gibt es Wichtigeres? Tatsächlich Unvergängliches?

Als Jesus Christus 70 seiner Mitarbeiter zu einer ersten Missions-Aktion ausschickte, da kamen sie, so berichtet es das Neue Testament, voller Begeisterung zurück und sagten: „Herr, wir sind so erfolgreich gewesen!“ Und sicherlich formulierten sie das nicht ohne Stolz. Und die Antwort von Christus holt sie zurück auf den Boden dessen, was gültige Realität ist, als er ihnen sagt: „Freut Euch nicht über Eure Erfolge, sondern darüber, dass Eure Namen im Himmel geschrieben sind.“

Ich sah hinüber zu dem leeren Stuhl und sagte leise: „Robert Wenzel, ist Deiner dabei? – Und wie steht es mit mir?“

 

Karlheinz Binder

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491. Nachdenkliches für Manager – Der moderne Realist 6-81

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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Der moderne Realist

Bisher hatte es zwischen uns nur schriftliche Kontakte gegeben, aber bevor ich mich entschied, den Aussendienst in seinem Trainings-lnstitut zu schulen, wollte ich ihn persönlich gesehen haben; und zwar dort, wo sich jemand nur schwer verstellen kann, in seiner Firma.
Ich hatte mich vorher nicht angemeldet, sondern nur abgesichert, dass er auch da sei, und nun war ich gespannt, wie er in dieser für ihn plötzlichen Situation reagieren würde.

Als ich sein Büro betrat, blickte er mir Iächelnd entgegen, ganz locker und souverän. Genau so, wie er es meinen Mitarbeitern beibringen wollte. Nur in seinen Augenwinkeln blinzelte so etwas wie ein leichter, versteckter Spott.
Es war mir nicht gelungen, ihn zu überraschen.
Ich spürte, was er dachte, und als ich es ihm sagte, lachte er und bemerkte, es sei noch niemals jemandem gelungen, ihn auf dem falschen Fuß zu erwischen.

Die Sekretärin brachte für uns Kaffee, und dann fing ich an zu fragen. Es wurde ein ganzes Interview, denn ich wollte herausbekommen, ob er tatsächlich hinter dem stand, was mir geschrieben hatte, nämlich meine Mitarbeiter sicherer, gelassener, überzeugender und erfolgreicher zu machen, als sie es ohnehin schon waren.

Was er denn von der neuerdings so viel diskutierten neuen Ethik hielte, fragte ich.
Die sei wohl notwendig, aber mit Einschränkungen. Dort, wo sie Wachstum und technischen Fortschritt behindere, sei es für ihn eine Frage der Güter-Abwägung.

Und wie er sich zur Frage nach Gott stelle? „Die ist für mich keine“, antwortete er, „ich will da ganz ehrlich sein, ich glaube nicht an ein höheres Wesen, an imaginäre, von uns nicht beherrschbare Kräfte, sondern ich glaube an das Gute im Menschen. Nur der Mensch allein ist in der Lage, diese Welt zu verändern, seine Zukunft zu gestalten. Ich bin da ganz realistisch und modern. Das ist meine Weltanschauung, und in der ist kein Platz für Transzendentes.“

Wir verabschiedeten uns, und als ich die Papierserviette, mit der ich einen von mir verschuldeten Kaffeefleck vom Tisch gewischt hatte, in seinen Papierkorb werfen wollte, fiel mein Blick auf zwei Metallrohre, aus deren Enden dicke Kupferkabel ragten.
Ich hatte so etwas schon einmal gesehen, in einem Geschäft für alternatives Leben. Es waren Vorrichtungen zum Neutralisieren von Erdstrahlen.

Auf der Heimfahrt dachte ich noch lange über die Begegnung nach, und mir fiel eine Geschichte ein, die man sich in Israel erzählt: Da hatte der Schlomo Rosenzweig laut und mutig erklärt, er sei jetzt ein ganz moderner und aufgeklärter Mensch, und er glaube nicht mehr an Gott. Und als sein Freund Mordechai ihn darauf ansprach, bekräftigte er das und sagte: „Es gibt keinen Gott!“
„Und wieso habe ich Dich gestern im Dunkeln aus der Synagoge schleichen sehen?“ „Nun“, sagt Schlomo: „Es möchte sein, dass ich mich irre“.

Könnte es ?

Karlheinz Binder

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490. Nachdenkliches für Manager – Toleranzbreite Null 5-88

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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Toleranzbreite Null

Ich starre auf die Aktennotiz, die mir der Abteilungsleiter Schröder geschickt hat. Eine Unterschlagung war aufgedeckt worden, Iächerliche 1260 Mark, und in zwei Minuten würde dieser Unglückliche in meinem Büro erscheinen. Entlassung, da gibt es bei uns eherne Prinzipien, bei Geld waren keine Kompromisse möglich. Kein leichtes Gespräch.

Dann sitzt er mir gegenüber, blass und gefasst. Er weiß, was ihm bevorsteht, denn er kennt das Unternehmen und seine Grundsätze genau so gut wie ich.
Ich rede von Ehrlichkeit, vom notwendigen absoluten Vertrauen, das nun zerbrochen sei, und von den unumgänglichen Konsequenzen und auch davon, dass wir die ganze Sache so handhaben würden, dass ihm kein Schaden an seinem Ruf entstünde; aber er hört mir überhaupt nicht richtig zu. Es liegt ihm daran, die Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.

Wir geben uns die Hand, und als er geht, sagt er kein Wort.

Ich fühle mich traurig und leer.
Hätte er wenigstens versucht sich zu verantworten, die Schuld auf andere abzuwälzen, von einer momentanen Notlage geredet, mich meinetwegen belogen. Es hätte zwar nichts an der Tatsache geändert, aber ich säße jetzt mit anderen Gefühlen hier, mit einer inneren Rechtfertigung, er hätte es ja nicht anders verdient. Aber so?

Es wird langsam dunkel in meinem Büro. Ich mache die Schreibtischlampe an und starre in ihren Lichtkegel. Da hatte einer gegen das Gebot: „Du sollst nicht stehlen“ verstoßen. Klare
Sache. Und ich ?
Wie oft hatte ich Informationen zurückgehalten, die einem anderen hätten nutzen können, aber es ging um meinen Informationsvorsprung. War das nicht auch Unterschlagung ?
Wie oft stehle ich anderen die Zeit mit meinen Angelegenheiten und betone immer wieder: Zeit ist Geld. War das nicht auch eine Art Diebstahl?
Ich habe mich für Erfolge ehren lassen, an denen andere mindestens im gleichen Maß beteiligt waren, und habe noch nicht einmal Dankeschön zu ihnen gesagt.
Neulich hat mir ein Kollege anerkennend auf die Schulter geklopft und gesagt, ich arbeite für drei. So unrecht hat er nicht, aber ist verweigertes Delegieren nicht auch eine Art des Stehlens? Wenn immer weniger Leute immer mehr arbeiten und zugleich immer mehr Menschen ohne berufliche Chance oder sogar ganz ohne Arbeit sind?

Fragen, auf die ich die Antwort ahne und sie deshalb nicht zu Ende denke.
Da hatte ich von Konsequenzen gesprochen bezüglich „Du sollst nicht stehlen“.
Richtig, das ist die eine Sache. Und die Grenzziehung in meinem eigenen Leben, die Toleranzbreite, innerhalb derer man sich ein gutes Gewissen zu bewahren glaubt, das ist die andere Sache.

Ich schließe meinen Schreibtisch ab und gehe. Im dritten Stock hält der Fahrstuhl wieder an. Als die Tür aufgeht, stehen wir uns plötzlich noch einmal gegenüber, der Mann, den ich vorhin entlassen habe und ich. Ich lege ihm die Hand auf die Schulter und sage ihm, er möge mich privat anrufen, da wäre vielleicht was, und zum ersten Mal Iächeln wir beide.

Karlheinz Binder

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489. Nachdenkliches für Manager – Griff nach den Sternen 4-88

Montag, 19. Oktober 2015 | Autor:

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Griff nach den Sternen

An diesem kalten, windigen Apriltag hatte es am Morgen noch geschneit, nicht lange, aber ungestüm.
Ich stapfte vom Parkplatz durch den Matsch hinüber zu der beeindruckenden Empfangshalle meines Geschäftsfreundes, und als ich durch die Drehtür hereinkam, stand ich in einem Meer von Frühlingsblumen und mitten zwischen ihnen, mit strahlendem Gesicht, Gradl, alleiniger Inhaber, unangefochtener Chef und stolzer Jubilar, 60 Jahre.

Ich schüttelte ihm die Hand und sagte meine herzlichen GIückwünsche zu seinem Geburtstag, und mit einem Glas Sekt in der Hand wanderte ich zwischen den vielen Gästen umher und machte Shakehands.

Sie waren alle da: Ein leibhaftiger Wirtschaftsminister, der Oberbürgermeister, der Präsident der Handelskammer, die Direktoren seiner Banken, die Präsidenten der Verbände, denen er angehörte, seine Lieferanten und die wichtigsten Kunden. Und er freute sich und war stolz, das sah man Gradl an.

Vor 20 Jahren hatte er das Unternehmen gekauft, aus der Konkursmasse eines kleineren Konzerns. „Und heute macht diese Firma als einer der wichtigsten wirtschaftlichen Faktoren in unserer Stadt einen Umsatz von 280 Millionen Mark“, sagte der Oberbürgermeister in seiner Laudatio.

Sie alle, die da redeten, lobten seine Tüchtigkeit, seine Zähigkeit, seine Dynamik und seinen enormen Fleiß, seine Weitsichtigkeit und seinen harten Einsatz.
Und dann sprach Gradl. Er redete, wie er war. In kurzen, prägnanten Sätzen, kraftvoll und beherrscht, und aus dem was er sagte, formte sich das Bild seines Selbstverständnisses. „lch habe,“ betonte er, „von jeher einen gesunden Ehrgeiz gehabt, den Drang, immer schneller, immer besser, immer erfolgreicher zu sein als die anderen. Ich habe mich nie geschont und,“ dabei sah er mit einem kleinen Lächeln hinüber zum Vorsitzenden seines Betriebsrates, „meine Mitarbeiter auch nie. Aber das alles war zum besten des Unternehmens. Wen in diesen Zeiten des immer härter werdenden Konkurrenzkampfes einer siegen will, dann muss er eben tüchtiger, cooler und cleverer sein als die anderen. Ich habe immer das Höchste gewollt, ich habe immer nach den Sternen gegriffen, und dass ich heute bin, was ich bin, lassen Sie es mich mit dem Philosophen Kant sagen, verdanke ich weniger dem bestirnten Himmel über mir als dem Gesetz des Handelns in mir“, und dabei sah er in meine Richtung.
Das Zitat ist zwar falsch, dachte ich, aber ehrlich ist er.

Nach dem Essen nutzte Gradl den zwanglosen Plausch. Er kam auf mich zu, kniff ein Auge zusammen und sagte: „Na, wie habe ich das vorhin mit dem Himmel voller Sterne gesagt? Besitzen Sie nicht in solchen Fragen eine gewisse Kompetenz?,“
„Von welchem Himmel reden Sie?“
„Von meinem,“ antwortete er.
„Und wie sieht der aus?
„Minus 273 Grad Celsius und leer. Einen anderen Himmel gibt es für mich nicht. Das Leben spielt sich hier auf er Erde ab, 70 Jahre und dann aus!“ Und er prostete mir zu und wandte
sich ab.

Nächste Woche wird der jüngste Sohn von Gradl konfirmiert. Und dann werden sie mit der ganzen Familie in der Kirche sitzen, und wenn sie das Glaubensbekenntnis sprechen und an die Stelle kommen, dass Jesus Christus aufgefahren ist in den Himmel und von dort wiederkommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten, wird Gradl noch nicht einmal zusammenzucken, denn einer, der jeden Tag nach den Sternen greift, kennt sich da aus, oder?

Karlheinz Binder

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488. Nachdenkliches für Manager – Vor nichts mehr Angst 3-88

Montag, 19. Oktober 2015 | Autor:

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Vor nichts mehr Angst

Wir hatten ihn eingeladen, um das Programm seines Management-Trainings-lnstitutes vorzustellen, und weil er in der Branche ein bekannter und fast schon berühmter Mann war, hatte sich unser Vorstandsvorsitzender sogar die Ehre gegeben und sein Kommen angesagt.

Wir sprachen gerade noch einmal durch, welche Fragen wir nachher stellen wollten, als sie beide hereinkamen, der Chef und unser prominenter Gast.
Er war nicht sehr groß, vielleicht 1,70 Meter, aber als er anfing zu reden, um für sein Institut zu werben, war ich zuerst beeindruckt und dann fasziniert.
„Meine Herren“, sagte er mit einer klaren, energischen Stimme, und dabei blickte er jedem von uns kerzengerade in die Augen, einem nach dem anderen, „meine Herren, ich habe die Reise hierher nicht gemacht, um Ihnen Alltägliches zu erzählen, Sachverhalte, die andere genau so gut sagen könnten. Ich will mit Ihnen Substantielles durchdenken und die Frage nach dem Sinn Ihres Handelns und Ihres Lebens stellen. Meine Worte sollen Ihr zukünftiges Denken beeinflussen! Wenn Sie zum Beispiel am Morgen aufwachen, worauf freuen Sie sich dann?“
Ich blickte unauffällig in die Runde. Zumindest im Augenblick sah keiner von uns danach aus, als freue er sich am Morgen. Und ich? Hatte ich einen Grund, mich beim Aufwachen zu freuen? Sicherlich, da gab es einige Anlässe. Aber warum freute ich mich dann nie? Lag es an meiner Gleichgültigkeit? Dass alles inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden war? Trägheit des Herzens? Was würde ich antworten, wenn er mich jetzt fragen sollte? Ich wusste es nicht. Aber er erwies sich als Mensch. Er Iächelte uns an, ganz ruhig, ganz sicher und erklärte, er wisse wohl, dass wir und warum wir keine Antwort hätten. Und eben das sei der Inhalt seines Beratungsprogrammes, uns Klarheit darüber zu verschaffen, welches der Sinn und Freudengrund unseres Schaffens seien. Klares Resultat: 1:0 für ihn.
Und dann erklärte er in beeindruckender Weise, wie er das tun wolle.

Ich atmete erleichtert durch und dachte mir, er habe sein Pulver verschossen, aber ich hatte nicht mit seinem Finale gerechnet.
„Sehen Sie mich an“, sagte er, das aber ganz ohne Eitelkeit und sehr glaubwürdig, „ich bin in voller Harmonie mit meinem Wollen und Können, der Sinn meines Lebens ist es, im Gleichklang mit Menschen, Verhältnissen und meinem Ich zu leben. Mich kann nichts mehr erschüttern, nichts bringt mich aus der Fassung, durch mein System habe ich den inneren Frieden gefunden, aus dem Freude erwächst. Wo Freude ist, da haben Stress und Angst keinen Platz mehr. Da herrscht Souveränität, und zu all dem kann man sich selber ganz bewusst erziehen. Geben Sie der Freude Raum in sich, in Ihrem Leben und verbieten Sie der Angst, Sie zu beherrschen. Ich freue mich auf jeden Tag, auf meine Arbeit, auf die Menschen, denen ich begegnen werde, auf die Probleme, die ich zu Iösen habe, denn ich habe vor nichts mehr Angst. Ich habe mich selber gefunden!“

Ich fuhr tief beeindruckt nach Hause. Zwei Jahre später las ich seine Todesanzeige. Er war noch nicht einmal 50 Jahre alt geworden. Einer seiner Mitarbeiter sagte mir, er habe einen Herzinfarkt gehabt.
„Warum?“
„Weil er in der ständigen inneren Angst gelebt hat, seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Er wollte mit allen Kräften so sein, wie er es in seinen Seminarien verkündete, aber das schafft kein Mensch. Ich fürchte, je mehr wir gegen diese Angst ankämpfen, um so größer wird sie“, so sagte mir sein Mitarbeiter.

Aber in einem hat er recht behalten: Ich habe seine Fragen nach dem Sinn und nach der Freude nicht vergessen, und mir scheint, es müsse noch eine andere Antwort darauf geben, als er sie hatte. Eine Antwort, die nicht kaputtmacht, sondern heilt.
Steht da nicht in der Bibel, dass Gott uns aus dem Rachen der Angst reißt und uns in den weiten Raum stellt, wo keine Bedrängnis ist? Und sagt nicht der so realistische und tüchtige König David: „Da mir angst war, rief ich den Herrn an und schrie zu meinem Gott, und er erhörte meine Stimme.“

Irgendwann, wenn ich wirklich einmal Zeit dazu finde, sicherlich nicht heute Abend oder an diesem Wochenende, später einmal, werde ich darüber nachdenken. Oder?

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487. Nachdenkliches für Manager – Der Führerschein 2-88

Montag, 19. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

Der Führerschein

Als Weber in mein Büro kam, war sein Gesicht vom Zorn noch angespannt.
Er ließ sich auf einen Stuhl fallen, brannte sich ganz bewusst umständlich eine Zigarette an und sagte dann: „Den Stein schmeiße ich raus. Ich habe keine Lust mehr, mir ewig seine Bedenken und Gegenargumente anzuhören und mich mit ihm rumzustreiten, wie wir unser Geschäft betreiben sollen. Jetzt ist endgültig Schluss. Am Montag geht die Sache in die Personalabteilung, die sollen ihm kündigen.“

Ich muss ihn wohl erstaunt angesehen haben, denn ich kannte Stein als einen tüchtigen Mann, allerdings als einen, der bei den entsprechenden Gelegenheiten auch von seinem Kopf in kritischer Weise Gebrauch machte, aber nie destruktiv, nie verletzend.
Er hatte eine nette, freundliche Frau und zwei prächtige Kinder. Was würde das für sie alle bedeuten, wenn er seine Stellung verlöre.
Ich holte tief Luft und wollte das alles gerade Weber sagen, als er mir zuvorkam: „Sie können sich jede Verteidigung ersparen. Ich liebe klare Verhältnisse und bin ein absolut konsequenter Mensch. Stein entspricht nicht dem, was ich mir vorstelle. Es ist entschieden, basta.“
Über das ganze Wochenende ließ mich das Problem nicht los. Was hatte Weber gesagt? Stein entspräche nicht seinen Vorstellungen. Wird von uns überhaupt jemand dem gerecht, was andere von ihm erwarten?
Warum war Webers Frau neulich so merkwürdig still geworden, als ich sie nach ihrem Familienleben fragte, und warum wich Weber mir jedes Mal aus, wenn das Gespräch auf die Frage nach dem Sinn unseres Lebens und auf Gott kam ? Lieben wir wirklich die klaren Verhältnisse, und wie weit ist es wahrhaftig her mit unserer absoluten Konsequenz?

Am Montag früh hatte ich gerade angefangen, die Wiedervorlagen durchzusehen, als Weber erneut hereinkam. Er war seltsam ruhig, und als er sich gesetzt hatte, sah er mich eine ganze Weile an, ehe er anfing zu sprechen: „lch habe das Wochenende über Stein nachgedacht,“ sagte er: „Gezwungenermaßen. Als ich Sonnabend von einer Party nach Hause fuhr, hat mich eine Verkehrsstreife angehalten. Ich musste ins Röhrchen pusten. Der Führerschein ist erst mal weg.
Da habe ich angefangen, mich mal ganz ehrlich zu fragen, wer ich eigentlich bin und wo ich in der Sinnfrage meines Lebens stehe. Den ganzen Sonntag über. Was will man auch tun, wenn man nicht wegfahren kann. Und da ist mir klar geworden, an dem schlechten Verhältnis zu Stein bin ich selber auch mit schuld. Sie wissen, ich vertrage keinen Widerspruch, weil ich so was immer als Kritik an der Unfehlbarkeit meiner Person und meinen Entscheidungen empfinde. Mein Ego.
Ich werde es mit Stein noch mal versuchen. Vielleicht von meiner Seite aus mit mehr Toleranz und mehr Verständnis. Und über meine Familie muss ich wohl auch mal nachdenken.“
Und dann ging er.

Ich stand auf und ging ans Fenster. Da hatte einer mal Bilanz gezogen und sich auf ehrliche Weise geprüft, wer er eigentlich war. Eine objektive Standortbestimmung.
Aber, fragte ich mich, muss man dafür erst seinen Führerschein verlieren ?

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486. Nachdenkliches für Manager – Jahresplanung 12-87

Montag, 19. Oktober 2015 | Autor:

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die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Jahresplanung

Nun sind sie verabschiedet, die Zahlen für das neue Jahr.
Marktanteile, Kosten, Deckungsbeiträge, alles nach bestem Wissen, Vermögen und Gewissen, und jetzt atmet man durch und sammelt Kraft über die kommenden Feiertage für das, was es in den kommenden 12 Monaten anzupacken gibt.

Es ist schon ein stattliches Zahlenwerk, das der Computer in der Detaillierung und in der stufenweisen Verdichtung herausgedruckt hat, und der prüfende Blick geht noch einmal sorgfältig über die vielen Ziffern, damit ja auch alles stimmt, und beim letzten Blatt, über dem „Personalplanung“ steht, lege ich den Bleistift aus der Hand und fange an nachzusinnen. Da ist die Anzahl der Mitarbeiter, und unter den Sollkosten steht fein säuberlich, wie teuer sie insgesamt im kommenden Jahr sein werden, einschliesslich Arbeitgeber-Beiträgen und mutmasslicher Tariferhöhung, denn die Gewerkschaft wird ihr Bestes tun.

Eine einzige, stattliche Zahl. Nüchternes Komprimat von Mitarbeitern und Kollegen, die in der Planung als „Kostenfaktor Mensch“ erscheinen. Fröhliche und Nachdenkliche. Solche, die fleissig sind und andere, die Systeme entwickelt haben, wie man enorm beschäftigt wirkt. Manche, die in einer unbeschädigten Ehe schon Silberhochzeit gefeiert haben, andere gescheitert und geschieden. Asketen und Anfällige, Arbeitsbesessene und Lebenskünstler, Wachsende und Stagnierende. Menschen.
Kollegen darunter, mit denen ich seit vielen Jahren zusammenarbeite, und ich weiss immer noch nicht, wieviele Kinder sie haben, was sie privat denken und was ihr Herz ausfüllt. Bin ich wirklich ein guter Chef?

Oder bin ich nur selber Teil eines imponierenden Zahlenwerkes? Ein Kapazitätenplaner, Prognostiker, Technokrat ?
Wie weit ist es her mit meinem Menschsein?

Da hat man uns Manager in Seminaren und SpezialLehrgängen geschult, wie man Erfolg hat. Uns mit allem Rüstzeug versehen, das jemand braucht, um Probleme zu Iösen und Entscheidungen zu treffen, aber wann hat mir einer beigebracht, wie man Mitmenschlichkeit, Geduld, Beständigkeit und ein sinnerfülltes Leben bekommt?
Wann hat mir je einer die Frage gestellt, wie ernst mir das Wort von Erich Fromm ist, dass wir eines letzten Tages nur das mitnehmen, was wir sind, nicht aber das, was wir haben.
„Schafft euch Schätze im Himmel, wo sie weder Rost noch Motten noch Inflation fressen und Diebe nicht herankommen“, sagt die Bibel und meint damit das gleiche.
Sicher, es gibt Ansätze zu einem veränderten Verhalten. Kein Seminar-Angebot in letzter Zeit, bei dem nicht das Wort Ethik auftaucht. Aber kann man Moral in Kursen lernen? Unseren Zustand bewusst machen, das sicherlich. Aber um eine neue Ethik zu bekommen, muss ich doch wohl ein neuer Mensch werden.
Hat die Bibel doch recht, wenn sie sagt, dass nur der uns neu machen kann, dessen Schöpfung wir sind: Gott ?

Ich bin ans Fenster gegangen und sehe, wie im Lichtschein die Schneeflocken glitzernd vorbeischweben. Sie berühren die Glasscheibe, und ihre symmetrische Schönheit Iöst sich spurlos auf. Kurzlebige Vergänglichkeit.
Wer bin ich? In meiner Lohnsteuerkarte steht: Evangelisch. Lebe ich mit dem Evangelium? Ich bin getauft und konfirmiert, habe kirchlich geheiratet und meine Kinder ebenfalls taufen lassen. Reicht das?

Werden mich in dieser bewussten letzten und entscheidenden Stunde meine so grosszügigen Spendenquittungen vor Gottes Augen rechtfertigen? Wird er beeindruckt sein von meiner Tüchtigkeit und meinem Fleiss, die sich in diesen Computer-Listen auf meinem Schreibtisch für das kommende Jahr widerspiegeln?

Gibt es eine einzige gültige Entschuldigung dafür, dass ich nie Zeit hatte, mich ganz unvoreingenommen mit der Frage nach Gott in meinem Leben zu beschäftigen?

Sollte man sich in den stillen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr diesem Jesus Christus einfach stellen? Ohne Ausweichen, ohne faule Kompromisse, mit der gleichen Konsequenz, wie ich sie doch sonst habe?

Ich setze mich hinter den Schreibtisch, nehme ein Blatt Papier und schreibe: „Ergänzung zur Jahresplanung : Meine Sache mit Gott. Wiedervorlage am 31.Dezember in 12 Monaten.“

Wie wird die Bilanz aussehen?

Karheinz Binder

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Gott ist gut
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