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489. Nachdenkliches für Manager – Griff nach den Sternen 4-88

Montag, 19. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Griff nach den Sternen

An diesem kalten, windigen Apriltag hatte es am Morgen noch geschneit, nicht lange, aber ungestüm.
Ich stapfte vom Parkplatz durch den Matsch hinüber zu der beeindruckenden Empfangshalle meines Geschäftsfreundes, und als ich durch die Drehtür hereinkam, stand ich in einem Meer von Frühlingsblumen und mitten zwischen ihnen, mit strahlendem Gesicht, Gradl, alleiniger Inhaber, unangefochtener Chef und stolzer Jubilar, 60 Jahre.

Ich schüttelte ihm die Hand und sagte meine herzlichen GIückwünsche zu seinem Geburtstag, und mit einem Glas Sekt in der Hand wanderte ich zwischen den vielen Gästen umher und machte Shakehands.

Sie waren alle da: Ein leibhaftiger Wirtschaftsminister, der Oberbürgermeister, der Präsident der Handelskammer, die Direktoren seiner Banken, die Präsidenten der Verbände, denen er angehörte, seine Lieferanten und die wichtigsten Kunden. Und er freute sich und war stolz, das sah man Gradl an.

Vor 20 Jahren hatte er das Unternehmen gekauft, aus der Konkursmasse eines kleineren Konzerns. „Und heute macht diese Firma als einer der wichtigsten wirtschaftlichen Faktoren in unserer Stadt einen Umsatz von 280 Millionen Mark“, sagte der Oberbürgermeister in seiner Laudatio.

Sie alle, die da redeten, lobten seine Tüchtigkeit, seine Zähigkeit, seine Dynamik und seinen enormen Fleiß, seine Weitsichtigkeit und seinen harten Einsatz.
Und dann sprach Gradl. Er redete, wie er war. In kurzen, prägnanten Sätzen, kraftvoll und beherrscht, und aus dem was er sagte, formte sich das Bild seines Selbstverständnisses. „lch habe,“ betonte er, „von jeher einen gesunden Ehrgeiz gehabt, den Drang, immer schneller, immer besser, immer erfolgreicher zu sein als die anderen. Ich habe mich nie geschont und,“ dabei sah er mit einem kleinen Lächeln hinüber zum Vorsitzenden seines Betriebsrates, „meine Mitarbeiter auch nie. Aber das alles war zum besten des Unternehmens. Wen in diesen Zeiten des immer härter werdenden Konkurrenzkampfes einer siegen will, dann muss er eben tüchtiger, cooler und cleverer sein als die anderen. Ich habe immer das Höchste gewollt, ich habe immer nach den Sternen gegriffen, und dass ich heute bin, was ich bin, lassen Sie es mich mit dem Philosophen Kant sagen, verdanke ich weniger dem bestirnten Himmel über mir als dem Gesetz des Handelns in mir“, und dabei sah er in meine Richtung.
Das Zitat ist zwar falsch, dachte ich, aber ehrlich ist er.

Nach dem Essen nutzte Gradl den zwanglosen Plausch. Er kam auf mich zu, kniff ein Auge zusammen und sagte: „Na, wie habe ich das vorhin mit dem Himmel voller Sterne gesagt? Besitzen Sie nicht in solchen Fragen eine gewisse Kompetenz?,“
„Von welchem Himmel reden Sie?“
„Von meinem,“ antwortete er.
„Und wie sieht der aus?
„Minus 273 Grad Celsius und leer. Einen anderen Himmel gibt es für mich nicht. Das Leben spielt sich hier auf er Erde ab, 70 Jahre und dann aus!“ Und er prostete mir zu und wandte
sich ab.

Nächste Woche wird der jüngste Sohn von Gradl konfirmiert. Und dann werden sie mit der ganzen Familie in der Kirche sitzen, und wenn sie das Glaubensbekenntnis sprechen und an die Stelle kommen, dass Jesus Christus aufgefahren ist in den Himmel und von dort wiederkommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten, wird Gradl noch nicht einmal zusammenzucken, denn einer, der jeden Tag nach den Sternen greift, kennt sich da aus, oder?

Karlheinz Binder

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Thema: Nachgedacht

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