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506. Nachdenkliches für Manager – Viel Erfolg 12-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Viel Erfolg

Vor der Tür des Sitzungssaales gab ich Konrad Kunze spontan die Hand. „Konrad“, sagte ich, „Sie waren einfach brillant, da saß jedes Argument, ich gratuliere!“

Kunze blinzelte mich fröhlich und freundschaftlich an: „Ohne Sie hätte ich das nie geschafft. Sie haben mir den Ball immer wieder so gekonnt vor die Füße gespielt, dass ich zum Schluss nur noch das Tor zu schießen brauchte. Und jetzt haben wir uns ein Glas Sekt verdient. Kommen Sie, ich lade Sie ein.“ Er hakte mich unter und ließ sich nicht mehr bremsen bei seinem Marsch quer durch die Hotelhalle in Richtung auf die Bar.

Es war eine schwere Sitzung gewesen. Der Verwaltungsrat einer Institution, der wir beide angehörten, musste noch bis zum Jahresende und bevor alle in den Weihnachtsurlaub ausschwärmten, zwischen zum Teil stark differierenden Interessenparteien eine Entscheidung finden. Konrad Kunze und mir, als den Sprechern einer der vertretenen Gruppen, war es gelungen, eine akzeptierbare, vernünftige Lösung durchzusetzen Dank einer durchdachten Strategie, überzeugender Argumente und der Redekunst des Konrad Kunze.

Als sein hochgereckter Daumen dem Barkeeper signalisierte, unsere GIäser seien leer, legte ich ihm meine Hand auf den Arm und sagte: „Nein, danke. Ich würde zwar meinem Grundsatz, keinen Alkohol vor Sonnenuntergang, treu bleiben, denn draußen ist es stockfinster, aber immerhin muss ich noch 250 Kilometer hinter dem Lenkrad sitzen.“

Konrad Kunze wechselte seinen erhobenen Daumen gegen den Zeigefinger aus und winkte. „Schreiben Sie es auf meine Zimmer-Rechnung“, sagte er zu dem Mann hinter der Theke, dann hakte er mich erneut unter, und wir fuhren zusammen in die Tiefgarage.

Als wir uns verabschiedeten, gab er mir einen anerkennenden, herzlichen Stoss gegen die Schulter: „Wir sehen uns dann am 16. Januar wieder, eher nicht. Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage und im Neuen Jahr viel Erfolg!“

Im Rückspiegel sah ich, wie der Lichtschein über der großen Stadt hinter mir immer mehr vom Dunkel der Nacht absorbiert wurde.
Es war spät geworden. Vor Mitternacht würde ich nicht zuhause sein. Wieder ein Abend, den meine Frau und meine Kinder ohne mich gewesen waren. Wie so oft in den letzten Jahren. Was war eigentlich Erfolg? Dass meine Wichtigkeit immer mehr wuchs? Auf Kosten meiner Familie? Hatte ich jemals gründlich darüber nachgedacht, dass jeder Erfolg seinen Preis hat? Auch dieser? Bezahlt von meiner Frau und meinen beiden Söhnen? Aus einem begrenzten Vorrat an gemeinsamer Zeit. Viel kleiner, als ich es wahrhaben wollte.
Ich konnte mir ausrechnen, in wie viel Jahren meine Kinder zu groß waren, um abends noch zuhause bleiben zu wollen.
Es gibt Dinge, die kann man nicht nachholen.
Was war aus den vielen idealistischen, redlichen Vorsätzen in meinem Leben geworden? Die meisten von ihnen eingetauscht gegen meine Karriere.
Und wie stand es mit der Frage nach Gott?
Ich hatte sie behandelt wie einen Wechsel, den man erst einmal quer schreibt mit dem beruhigenden Trugschluss, dass er erst später, viel später zur Einlösung präsentiert wird, und bis dahin ist so viel Zeit. Zeit zum Erfolg.
Wir wünschen uns gegenseitig immer das, was uns stark macht, unabhängig, überlegen und siegreich. Was passierte wohl, wenn ich einem sagte: „Ich wünsche Ihnen im kommenden Jahr Situationen der Schwachheit und ein paar Misserfolge, damit Sie mal nachdenklich werden?“ Im Gegenzug würde er mir wohl mit allem Nachdruck die Krätze an den Hals empfehlen.
Aber braucht es nicht gerade Krisen und Enttäuschungen, damit wir unser Menschsein bewahren, nicht über unser angemessenes Format hinauswuchern?

Wie war das bei mir?
Rückbesinnung und Wachstum, Reifen und Lernbereitschaft hatte es immer nur dann gegeben, wenn ich mir an schwierigen Menschen und problematischen Situationen wieder einmal eine platte Nase holte. Die Stunden der Wahrheit finden nicht statt auf den sonnigen Gipfeln des GIückes und des Erfolges, sondern weiter unten, im Schatten.

Was hatte Sören Kierkegaard, der dänische Religions-Philosoph, geschrieben?: „lch bin von ganzem Herzen dankbar für alle Niederlagen und Krisen, denn nur die sind es, die mich immer wieder zurücktreiben in das Gebet und in die Arme Gottes.“

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen im Neuen Jahr viel Erfolg.

 

Karlheinz Binder

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505. Nachdenkliches für Manager – Nullpunkt 11-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Nullpunkt
Als ich in das Casino kam, um im ruhigen Gästeraum noch eine Tasse Kaffee zu trinken, bevor ich zu einem wichtigen Kunden losfuhr, saß Erich Stern mit dem Rücken zum Raum ganz allein an einem Tisch und starrte aus dem Fenster.
Ich ging zu ihm hinüber, legte meine Hand auf seine Schulter und sagte fröhlich: „Hallo, ich grüsse Sie“, aber als er sich umwandte, erschrak ich. Sein Gesicht war blass und abgespannt, sein Blick fast verzweifelt, und an den Wangenmuskeln erahnte ich die zusammengebissenen Zähne.

Ich setzte mich ihm gegenüber und fragte: „Was ist los, Erich, reden Sie, was ist passiert?“ Seine Antwort war leise und tonlos: „Gestern nachmittag ist mein Sohn mit dem Motorrad verunglückt. Die Ärzte befürchten, dass er nie wieder richtig laufen kann, vielleicht muss er für den Rest seines Lebens im Rollstuhl sitzen.“

Ich kannte seinen Sohn, einen fröhlichen, aufgeweckten Jungen, der mühelos sein Abitur gemacht hatte, jetzt studierte und zu vielen Hoffnungen Anlass gab. Vorbei?

„Warum muss so etwas passieren?“ fragte Erich Stern, „können Sie mir das erklären?“
Ich schüttelte wortlos den Kopf.

„Am schlimmsten sind die Vorwürfe, die meine Frau und ich uns machen: Wenn wir ihm das Motorrad nicht finanziert hätten, wäre das alles womöglich nicht geschehen. Vielleicht hätten wir ihn noch öfter und dringlicher ermahnen müssen, vorsichtig zu fahren. Wie wird das jetzt weitergehen, was wird aus seiner Zukunft? Er hat eine Freundin, ein großartiges Mädchen, sie wollten sich in ein paar Monaten verloben. Wird sie zu ihm stehen, bei ihm bleiben?
Und mein Sohn: Wird er es verkraften, wenn er die Wahrheit erfährt, und wer sagt es ihm? Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“

Er umspannte mit beiden Händen die Kaffeetasse vor sich, als ob er einen Halt suchte. Nach einer Weile, als er sich ein wenig gefangen hatte, sagte er: „lch danke Ihnen, dass Sie nicht versucht haben, mich mit irgendwelchen Worten zu trösten. Verstehen Sie, ich könnte jetzt keine Ratschläge und keine Rezepte vertragen. Ich weiß, Sie sind Christ, beten Sie für meinen Jungen. Ich wollte, ich könnte das auch wieder. Seit meiner Kindheit habe ich es nie mehr ernsthaft versucht.“
„Dann tun Sie es jetzt, in diesem Augenblick, in dieser Situation“, sagte ich, und Erich Stern, der erfolgreiche und harte Manager, faltete die Hände, und während er mit Gott sprach, liefen ihm die Tränen über das Gesicht, und er schämte sich nicht.

Gerda, die Bedienung hinter der Theke, nahm das Schild „Konferenz“ aus einer Schublade, ging leise zum Eingang, hängte es von außen an die Tür, und als ich ihr dankbar zunickte, schloss sie sie ganz behutsam.

Es war ein langes anklagendes, klagendes, um Verstehen ringendes, annehmendes und vertrauendes Gebet, die Heimkehr des Erich Stern zu seinem Gott und Vater.

Es gibt Schicksalsschläge, für die haben wir Menschen keine Erklärung. Wohl, weil wir endliche Geschöpfe sind mit einem endlichen Urteils- und Denkvermögen. Wir verstehen nur das, was wir im wahren Sinn des Wortes „begreifen“ können, und dennoch geschieht gerade in den dunkelsten Stunden, was wir aufgeklärten, modernen und klugen Leute allzu gern nachsichtig belächeln: Dass unser Schreien aus der Tiefe von dem gehört wird, an den wir es adressiert haben.

Erich Stern hat es erlebt.

 

Karlheinz Binder

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504. Nachdenkliches für Manager – Das Schweigen 10-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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Das Schweigen

Das Essen nach diesem Sitzungs-Vormittag fing mit einer kleinen Enttäuschung an. Als Vorspeise gab es Kraftbrühe mit gefüllten Pfannkuchen, so stand es auf der Menükarte. Ich hatte großen Appetit und freute mich darauf. Aber die Pfannkuchen erwiesen sich als pfenniggroße, spärliche Inseln in der Suppe. Allerdings, aber das reichte nicht zur Versöhnung, konnten sie schwimmen.

Wir saßen mit elf Personen um den Tisch und hielten noch einmal Nachlese über die Probleme und Ergebnisse der letzten Stunden, und gerade, als ich meinen Löffel hinlegte, geschah es, ganz unerwartet, wirklich überraschend: Das Gespräch zwischen uns erstarb, ein tiefes Schweigen entstand. Von draußen hörte man durch das geöffnete Fenster das Geräusch eines vorbeifahrenden Autos, bis auch das sich verlor. Stille, sonst nichts.
Ich studierte aufmerksam und eingehend den fein ziselierten Griff des Messers neben dem Teller und vermied es, die anderen anzusehen. Einem Blick zu begegnen hätte für mich die Herausforderung bedeutet, irgend etwas zu sagen, um diese Situation der Sprachlosigkeit zu beenden, aber ich schwieg.

Seltsam, dachte ich, da sitzen elf kampferprobte, geübte, redegewandte Manager um einen Tisch. Und so, wie es ja manchmal passiert, dass drei gleichzeitig anfangen zu reden, hatte sich jetzt genauso zufällig das Schweigen ergeben, und wir alle empfanden das als peinlich. Als ob eine Gesprächspause etwas Unhöfliches sei, oder fast ein Autoritätsverlust, weil alle anderen meinen könnten, man hätte tatsächlich nichts zu sagen.

Mir fiel eine Geschichte ein, die ich irgendwann einmal gelesen hatte: Da war der Abt eines Klosters in Ehren grau geworden, und als er fühlte, es würde mit ihm bald zu Ende gehen, fasste er den Entschluss, seinen langjährigen und gleichaltrigen Freund noch einmal zu besuchen, um Abschied zu nehmen. Er bat einen jungen Mönch, ihn zu stützen und zu begleiten.
Nach langer, beschwerlicher Wanderung durch die Berge fielen sich die zwei Alten in die Arme, setzten sich nieder und betrachteten sich schweigend.

Nachdem sie so lange verharrt hatten,erhob sich der Abt, griff nach dem Arm des Jungen und sagte: „Lass uns jetzt gehen“, und sie machten sich auf den Heimweg.

„Warum habt Ihr kein Wort miteinander geredet?“ forschte nach einer Weile der junge Mönch, und der Alte antwortete: „Reden kann ich mit jedem Menschen auf der Welt, aber zum Schweigen braucht man einen wirklichen Freund.“ Und der Mönch begriff: In dieser
Zeit des Stilleseins voreinander und vor Gott hatten die beiden mehr erlebt und mehr Gemeinschaft gehabt, als wenn sie gesprochen hätten.
In der Stille redet das Herz, in der Stille redet Gott.

Ich überlegte: Wie oft hatte mir irgend jemand eine Frage gestellt, auf die ich im Augenblick keine Antwort wusste, aber ich sprach weiter. Warum eigentlich? Müssen wir immer und ständig etwas zu sagen haben und vergessen darüber, wie hilfreich und heilsam das Schweigen sein kann?

Ein lautes, gedehntes: „Naja“ holte mich aus meinen Gedanken zurück an den Tisch. Da hatte einer seinem inneren Drängen nachgegeben und die Stille zerstört. Vielleicht eine Minute mochte sie gedauert haben, und als wir das Gespräch eifrig und lautstark aufnahmen, war so etwas wie Erleichterung zu spüren. Die Normalität hatte uns wieder.
Aber während ich mich an der Unterhaltung beteiligte, wurde ich einen Gedanken nicht los: Dass Ausnahme-Situationen so eine Art herausforderndes Geschenk sein können. Anlass, einmal darüber nachzudenken, wie viele Inhaltslosigkeiten Tag für Tag zwischen Menschen ausgetauscht werden. Das Müllproblem, dachte ich, sind nicht allein die vielen leeren Konservendosen und Flaschen, sondern die leeren Worte.

Brauchten wir nicht solche Momente des Schweigens? Ab und zu einmal das Gefühl des Verlorenseins, der Einsamkeit, um zu wachsen? So ein kleines Stück Wüste mitten in unserem hektischen, atemlosen Alltag? War nicht genau diese Wüste, von der die Bibel immer wieder berichtet, nicht nur ein Ort der Anfechtungen, sondern auch zugleich der Segnungen und des Gebetes?

„So spricht der Herr, der Heilige Israels: Nur in der Umkehr und in der Ruhe liegt eure Rettung. Nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft!“ Das hatte der Prophet Jesaja geschrieben.

War ich gemeint?

 

Karlheinz Binder

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503. Nachdenkliches für Manager – Volltreffer 9-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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Volltreffer
Auf dem Firmen-Parkplatz hatten sie die weißen Begrenzungslinien neu gemalt und zur Sonnenseite hin, in der Verlängerung der Eingangsfront, waren einige Bäume gepflanzt, die noch fleißig wachsen mussten, bis sie genügend Schatten für die Autos geben würden.

Es hatte sich etwas getan in den drei Wochen, die ich weg gewesen war, im Urlaub, ganz oben in Dänemark, am Nordwestende Jütlands.

Ich schloss die Wagentür und ging die Treppe zum Portal hinauf.
Es waren gute Tage gewesen. Mit kräftigem, munter machenden Wind, so wie ich ihn liebte, mit tagelang tosender Brandung, die einen wie Strandgut zurück an die Küste warf. Mit zauberhaftem Sonnenschein, aber auch mit Regen, der das Bücherlesen so angenehm machte und in seinem rauschenden Gleichmass das Gemüt beruhigte.

Muscheln, Seesterne, originelle Steine und buntes Tau von zerrissenen Fischernetzen, rot, blau, gelb und grün, hatte ich in fast kindlicher Entdeckerfreude gesammelt und von allen diesen Gegenständen unter den belustigten Blicken meiner Frau die Teerflecken entfernt, mit Waschbenzin, das ich mir aus einer kleinen Drogerie holte. Als ich die betrat und den unnachahmlichen, nicht beschreibbaren Duft tief einatmete, diese geheimnisvolle Geruchs-Komposition aus tausend Artikeln Warensortiment, hatten mich die Erinnerungen förmlich überfallen. Vor vielen Jahren war es, da lernte ich meine Frau in einer Drogerie näher kennen, und unvermittelt war ich im Geist wieder 18 Jahre alt und bekam Herzklopfen.

Samt Teerentferner zurückgekehrt zum Strand, nahm ich meine Frau wortlos in die Arme, ganz öffentlich und intensiv.
Wahrhaftig, es waren schöne Ferien gewesen.

Meine Sekretärin hatte mir einen großen Strauss frischer Blumen auf den Schreibtisch gestellt, und als ich mich herzlich bei ihr bedankte, sagte sie: „Übrigens, in 30 Minuten ist Konferenz beim Chef, ich habe Ihnen die Unterlagen gerichtet.“
Ich dachte, vielleicht hätte ich nicht Seesterne, Steine, Taue und Muscheln sammeln, sondern nach Perlen tauchen und ihr eine mitbringen sollen.

Als ich ins Sitzungszimmer kam, waren die meisten aus der Runde schon versammelt. Ich ging von einem zum anderen und wünschte guten Morgen.
„Da sind sie ja wieder Sie Urlauber“, sagte mein Kollege Otmar Schneider, Chef der Organisation und der EDV, „wo waren Sie denn in diesem Jahr?“
Als ich ihm die Antwort gab, fixierte er mich und ergänzte: „Aber so toll war es wohl nicht, Sie sind ja kaum braun geworden“. Volltreffer!

Nach dem Ende der Sitzung ging ich in den Waschraum und besah mich lange im Spiegel. Da hatte es jemand geschafft, mit einem einzigen Satz mein Herz zu treffen. Weshalb war ihm das gelungen?
Natürlich, so braun wie einer, der vom Mittelmeer kam, war ich nicht. So ganz Unrecht hatte Schneider nicht, und ich wusste das. Wieso hatte mich seine Formulierung dennoch verletzt? Die Art und Weise, wie er es sagte? Nein, das war es nicht, denn wir alle verkehrten untereinander immer geradeheraus und ohne Zierrat. Aber warum war ich im ersten Moment ganz dicht daran gewesen, mich in einer Art spontaner Reaktion zu rechtfertigen?

Hatte ich irgendwo ganz tief in mir ein Erwartungsmodell von mir selber und von allem, was ich tat, und schloss selbst so primitive Denkweisen wie diese mit ein: Braun ist gesund, gesund ist dynamisch. Blaß aber signalisiert: Ohne Konturen, fehlende Originalität?
Ich sah mir im Spiegel in die Augen und sagte laut: „Lächerliche Äußerlichkeiten“ und war dennoch nicht ganz überzeugt davon. Ich hatte seine Worte als Kritik empfunden: Einem, dem sonst immer alles glatt von der Hand geht, gelingt der Urlaub nicht perfekt. Das ging gegen mein Denken und gegen meine Natur, irgendwo nach außen hin sichtbare Defizite zu haben und sei es mangelnde Bräune im Gesicht.

War ich im letzten nicht selber viel zu abhängig von Äußerem? Mir gegenüber, aber auch bei anderen? Urteilte ich nicht oft genug nach dem Augenschein, abschätzend und einteilend?

Mir fiel eine Begebenheit aus der Bibel ein: Da kam der Prophet Samuel nach Bethlehem zur Familie des Isai, um einen von dessen Söhnen zum späteren König Judas und Israels zu salben, und als erster begegnet ihm Eliab. Hochgewachsen, blendendes Aussehen, ein stattlicher Mann. Samuel war beeindruckt und dachte: Das ist er und kein anderer. Aber Gott macht ihm klar: „Achte nicht auf sein Aussehen und seine Persönlichkeit. Ihr Menschen seht auf das, was vor Euren Augen ist, aber ich, Euer Gott, urteile anders, ich sehe das Herz an, und Eliab ist nicht der, den ich gebrauchen kann.“

Da hatten mich die Worte von Otmar Schneider getroffen. Aber was wird sein, wenn Gott mir eines Tages die wirkliche Wahrheit über mich ins Gesicht sagt?

 

Karlheinz Binder

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502. Nachdenkliches für Manager – Flug 402 7-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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Flug 402

Der Flughafen quoll förmlich über von Touristen. Sie standen gruppenweise in den Abfertigungshallen, in Schlangen vor den Schaltern, sie füllten die Warteräume und die Rolltreppen. Urlaubszeit.

Ich drängte in Eile zwischen ihnen hindurch, entschuldigte mich gehetzt bei einzelnen, die ich anrempelte, fühlte, wie in der überwärmten, stehenden Luft der Schweiß ausbrach, rannte gegen die Uhrzeit.
In genau 13 Minuten ging mein Flugzeug nach Wien. Ich musste es schaffen, denn es war eine wichtige Sitzung. Gerade dieses Mal wollte ich Entscheidendes zum anstehenden Problem beitragen. Ich war bestens vorbereitet für meinen Auftritt. Mit guten, griffigen und überzeugenden Formulierungen, aber jetzt schien das alles gefährdet. Ich war spät daran, sehr spät. Der erste, lange Stau auf der Autobahn bei Rastatt, der nächste am Frankfurter Kreuz. Dann die fast verzweifelte Suche nach einem freien Parkplatz. Schon als ich in das dunkle Maul der Tiefgarage hineinfuhr, leuchteten, so weit ich blicken konnte, die Einfahrtanzeigen zu den abzweigenden Parkboxen rot. Am Ende der langen Verteilerstrasse hinunter in die nächste Ebene: Das gleiche, alles belegt. Und dann, als ich schon fast resignieren wollte, das Flugzeug ohne mich starten sah, sprang einer der Lichtanzeiger direkt vor mir auf Grün. Da war ein Platz frei geworden, meine Chance. Und es klappte. Aber dann die vielen Urlauber die mich aufhielten und meine Eile zur Hektik machten.

Der Bodenbelag mit den runden Gumminoppen dämpfte meinen Laufschritt in seltsamer Weise, und als sich der lange Gang zur Halle B erweiterte, warf ich einen schnellen Blick auf die große Anzeigetafel: Flug 402, Wien, 9.40 Uhr, Exit B 16. Und dahinter, gelb und leuchtend: 50 Minuten Verspätung. Bis eben ging es noch förmlich um Sekunden, und jetzt hatte ich plötzlich über eine Dreiviertelstunde Zeit.

Was tut einer mit diesem Loch im Timing? Geht er in das nächste Restaurant innerhalb des Flughafens und trinkt erst mal einen? Solidarisiert er sich mit den anderen Wartenden, verschimpft das 50-Minuten-Guthaben mit Empörung über die Fluggesellschaft und die Verhältnisse im Luftverkehr? Oder sitzt er einfach herum und starrt stumpf in die Zeitung oder vor sich hin?

Ich checkte ein am Schalter B 16, suchte mir einen Platz im Warteraum, öffnete meinen Aktenkoffer, in dem ich, rationell und auf Effizienz geschult, immer Reservearbeit hatte, denn jeder Moment muss ja wohl sinnvoll genutzt werden. Aber als ich die Unterlagen in die Hand nahm, zögerte ich und legte sie nachdenklich wieder zurück. War diese Dreiviertelstunde nicht so etwas, wie mir unverhofft geschenkte Zeit? Sollte man sie dann auch so behandeln? Anders als die übrigen Stunden und Minuten? Wie etwas mir besonders Anvertrautes? Gab es nicht so viele persönliche Fragen, über die ich schon Iängst einmal nachsinnen wollte? Über die Art, wie ich lebte. Die Hektik in mir. Die nie zu Ende gedachten Prioritäten. Ob der Sinn und die Schwerpunkte meines Lebens nicht viel zu weit auseinander lagen?

Ich blickte auf die Urlauber, die hinter der Glasabtrennung draußen auf dem Gang vorbeiliefen. Sie alle hatten jetzt Zeit, manche von ihnen zwei oder drei Wochen. Was werden sie damit tun?

War nicht jede Unterbrechung der normalen Alltagsabläufe zugleich eine Chance, still zu werden? Über Gott und die Welt, nein: Über Gott und damit über die Welt hinaus nachzudenken? Vielleicht zu beten? Dreissig verbleibende Minuten lang bis zum verschobenen Start nach Wien?

Danke, Flug 402.

 

Karlheinz Binder

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501. Nachdenkliches für Manager – Auslieferung 6-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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Auslieferung

„Bärwald möchte Sie sprechen, in einer ganz persönlichen Angelegenheit“, rief mir meine Sekretärin zu, als ich von der Mittagspause zurückkam: „lrgendwie sah er nervös aus“, ergänzte sie, bevor ich meine Bürotür hinter mir zumachte.
Was konnte er auf dem Herzen haben? In sieben Monaten würde er 65 Jahre alt. Wahrscheinlich, überlegte ich, wollte er schon jetzt die Formalitäten und Feierlichkeiten seiner Verabschiedung mit mir besprechen. Das musste es wohl sein. Es entsprach auch seiner Mentalität, solche Dinge frühzeitig zu regeln. Er war schon immer ein vorausschauender, langfristig denkender Logiker gewesen. Gründlich, gewissenhaft und engagiert für seine Arbeit bis zur Selbstentäußerung.

Auf einem Zettel machte ich mir erste Notizen: Wen wir einladen sollten, wer reden würde, was ich an Unterlagen für meine eigene Ansprache brauchte, welche besonderen Eigenschaften hervorzuheben waren, in welchem Rahmen das alles stattfinden könnte, und dann rief ich ihn.

Er saß mir gegenüber, wirkte leicht verkrampft, und an seinem innerlichen Luftholen merkte ich, dass meine Überlegungen falsch waren. Da gab es etwas anderes. Ich schob meine Notizen auf die Seite und blickte ihn aufmunternd an.

„Sie wissen“, sagte er langsam und nachdenklich, „dass der Beruf immer einen hohen Stellenwert in meinem Leben eingenommen hat.“
Ich nickte.
“In knapp einem dreiviertel Jahr gehe ich in Pension, müsste ich in Pension gehen, und da wollte ich Sie fragen, ob wir diesen Zeitpunkt nicht doch um ein oder anderthalb Jahre verschieben könnten, bis ich mich an den Gedanken gewöhnt habe.“

Ich sah ihn verblüfft an: „Sie kennen den Termin doch schon lange. Warum ist ein so gewissenhafter Mensch wie Sie dann nicht vorbereitet?“
Er wich meinen Augen aus: „Gut“, sagte er, „dann muß ich Ihnen wohl die Wahrheit sagen. Ich habe Angst, ganz einfach Angst, verstehen Sie? Wenn man sich sein ganzes Berufsleben lang an einen festen Rhythmus gewöhnt hat, muß man sich wie aus den Gleisen geworfen fühlen. Wie wird es sein, wenn mich plötzlich keiner mehr braucht? Zugegeben: Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die habe ich mir schon lange vorgenommen. Viel fotografieren, viel lesen, danach sehne ich mich richtig. Aber wenn Sie jeden Tag drei Filme voll knipsen können und lesen, so viel wie sie wollen, dann wird das alles ganz schnell langweilig. Das kann doch ein Leben nicht ausfüllen“, und dabei machte er ein richtig verzweifeltes Gesicht, aber ich ahnte: Das war nicht der Kern seiner Bitte, da war noch etwas anderes, und ich sagte ihm das. Er wurde ganz still und ich konnte förmlich spüren, wie er mit sich kämpfte. Dann sah er mich entschlossen an: „lch habe Angst vor dem Alleinsein mit meiner Frau. Wir haben, und das ist wohl meine Schuld, die Basis miteinander verloren, schon seit Jahren. Ich hatte meinen Beruf. Meine Frau die Kinder und später, als die groß waren, kamen die Enkel, und dabei sind wir immer weiter auseinandergedriftet. Natürlich merkten wir das, aber im Anfang war es mir noch nicht einmal so unrecht. Irgendwie kompensierte das mein schlechtes Gewissen der Familie gegenüber. Ich sagte mir: Wir haben so eine Art stille Arbeitsteilung gefunden, jeder zum Wohl aller, und außerdem war ich der Meinung, das alles ließe sich zu jeder Zeit und ganz einfach wieder ins Lot bringen. Aber in den letzten Monaten ist mir deutlich geworden, wie sehr jeder von uns beiden inzwischen in sich abgeschlossen lebt. Was uns noch in der Balance hält, ist eine Art stumpfe, schmerzlose Gleichgültigkeit. Vom Tag meiner Pensionierung an sind wir uns in gewisser Weise gegenseitig ausgeliefert, wissen Sie was das heißt?“

Ich stützte den Kopf in die Hand, um meine Betroffenheit zu verbergen, und schloß für einen Moment nachdenklich die Augen. Als ich sie wieder öffnete, war Bärwald leise gegangen.

Am Sonntag fand bei uns in der Kirche mitten im Gottesdienst eine Trauung statt. Und als der Pfarrer den jungen Ehemann fragte: „Willst Du mit ihr nach Gottes Geboten leben, sie lieben und ehren, und willst Du im Vertrauen auf Jesus Christus ihr in Freud und Leid die Treue halten, bis Gott durch den Tod Euch scheidet, so antworte: Ja“, da ging es mir durch und durch.
War ich so viel anders als Bärwald?

 

Karlheinz Binder

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500. Nachdenkliches für Manager – Hoffnungsträger 5-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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Hoffnungsträger

Kleidung und Stimmung waren vorherrschend dunkelblau, feierlich. Neben dem Rednerpult mit dem Firmen-Signet hatten fachkundige Hände edle Blumen und dezent grüne Büsche gruppiert, so gekonnt, dass selbst ein fernöstliches, ikebanageschultes Auge keinen Anlaß zur Kritik gefunden hätte.

In der ersten Reihe sassen die 16 jungen Leute.
Vor ein paar Tagen hatten sie ihre Ausbildungs-Abschlussprüfung vor der Industrie- und Handelskammer bestanden. Acht von ihnen, eine Rekordzahl, mit „Sehr gut“, und als der Chef es erfuhr, war er so stolz, dass er es sich nicht nehmen lassen wollte, selber die Rede zu halten. Die Folge: Das Management war ausnahmsweise nahezu vollzählig zum Festakt erschienen.
Fred Langenbacher, unser Personalchef, stieß mich mit dem Ellbogen an, und als ich mich ihm zuwandte, leitete er meinen Blick mit einer Kopfbewegung weiter in Richtung Betriebsrat, zwei Reihen hinter uns, und da saß der Vertrauensmann Erwin Nagl provozierend mit offenem Kragen, ohne Schlips. Als er unsere Blicke bemerkte, sah er uns fragend an, und Langenbachers empörten Gesichtsausdruck quittierte er mit einem genüßlichen Lächeln. Die beiden mochten sich nicht.

Der Chef hielt eine gute Rede, eine seiner besten, wie ich fand.
Er sprach von der wachsenden Verantwortung in allen Bereichen des Zusammenlebens, von der Tatsache, dass wir es immer mehr mit Problemen zu tun bekommen, für die es weder Erfahrungen noch Verhaltensvorlagen gibt, von der Notwendigkeit der ständigen Weiterbildung und Lernbereitschaft, und das zustimmende Kopfnicken bei uns Zuhörern bewies: Was er formulierte, kam an.
„Sie, meine lieben, jungen Freunde und Mitarbeiter“, sagte er in seinem Schlußsatz zu den 16 in der ersten Reihe, und dabei ließ er seinen Blick konzentriert von einem zum anderen wandern: „Sie gehören zu der Generation, die nach uns den Auftrag hat, dieses Unternehmen zu erhalten und seine Zukunft wesentlich mitzugestalten und damit sind Sie, wenn ich es einmal so ausdrücken darf, unsere Hoffnungsträger.“

Als der Beifall vorüber war, rief der Lehrlingsausbilder die Namen der 16 auf, und nach Urkunde und Händedruck durch den Chef stellten sie sich neben ihn.

Ich blickte in ihre Gesichter. Da gab es manche, die waren schon ausgeformte, fertige Persönlichkeiten, andere wirkten noch wie Kinder, empfänglich für Eindrücke und Botschaften. Und sie alle hatten ihr ganzes Berufsleben vor sich mit PIänen, Zielen, Illusionen, Enttäuschungen, Erfolgen und Erwartungen.

Als das Blitzlicht des Fotografen aufzuckte, schloß ich die Augen und erinnerte mich: Genau so hatte ich vor ein paar Jahrzehnten vorn gestanden, irgendwo in Norddeutschland, eine Urkunde in der Hand, rechts und links von mir meine Mitprüflinge. Alle voller Zukunftshoffnungen und Tatendrang, es der Wirtschaft und der Gesellschaft einmal zu zeigen, was Erfolg heißt.
Und was war daraus geworden? Was war uns geblieben?
Ich erinnerte mich an Namen. Einer von ihnen hatte in Bankkreisen einen hervorragenden Klang. Aber außerhalb dieser lnsiderweIt kannte ihn keiner. War das Erfüllung?
Ein anderer von uns Damaligen wurde Vorstandsmitglied in einem Konzern. Er hatte erreicht, was er anstrebte, wenn auch zu einem hohen Preis: Seine Ehe war kaputt, die beiden Kinder in kritischer Distanz. Kann es das wert sein?
Alle übrigen arbeiteten in ganz normalen Positionen, und diejenigen unter ihnen, die innerlich stark genug waren ihre großen Pläne Iächelnd zu begraben, fühlten sich glücklich Was hat Gewicht?

Ich sah hinüber zum Betriebsratsmitglied Erwin Nagl mit dem offenen Kragen. Er war bekannt für seinen Nonkonformismus und seine eiserne Haltung. Aber nach dem fünften oder sechsten Glas Bier kam es zum Vorschein: Auf dem Grund seines Herzens wohnten Hilfsbereitschaft und Verständnis für die anderen Menschen, aber das notwendige Rollenverständnis und der Erwartungsdruck vieler Kollegen hatten ihn wie in einer Art Sinterungsprozess hart gemacht.

Was bestimmt eigentlich unseren beruflichen Weg? Unser Leben in seinem Inhalt, seiner Tiefe? Was macht unseren Wert aus als Vorgesetzter, Kollege, Freund, Vater, Ehemann?
Unsere Tüchtigkeit? Dass wir einfach GIück gehabt haben? Oder eben auch nicht? Bei unserer Karriere mag das gelten, aber doch nicht für den inneren Menschen?

Spielen wir uns vielleicht selber etwas vor, wenn wir so tun und denken, als bestünde unser Leben nur aus der Diesseitigkeit? Reicht die Hoffnung, von der wir so gern und so oft reden und die wir sogar zum Prinzip erhoben haben, über den Horizont unseres Lebens hinweg? Hinüber zu Gott? Steht da nicht im Psalm 40: „Wohl dem, der seine Hoffnung auf den Herrn setzt“?
Braucht es nicht einen solchen festen, beständigen Grund, sonst wird das, was wir unter dem heutigen Begriff des Optimismus zusammenfassen zur Illusion und zum Selbstbetrug?

Langenbacher neben mir erhob sich von seinem Platz. Die Veranstaltung war zu Ende. Kurz vor der Tür hörte ich, wie gerade einer der jungen Leute zum anderen sagte: „Der Chef mag ja recht haben mit der ständigen Weiterbildung, aber fast 15 Jahre büffeln, erst Schule, dann Ausbildung, die reichen mir, mit dem Lernen bin ich erst mal fertig.“
Noch ganz aus dem Nachsinnen heraus Iächelte ich ihn an und dachte: Und ich bin wieder mitten drin.

 

Karlheinz Binder

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499. Nachdenkliches für Manager – Nachdenk-Offerte 4-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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Nachdenk-Offerte

 

So müde und erschöpft hatte ich meinen Kollegen Weber noch nie gesehen, als er in mein Büro kam.
Mit einem Ächzen ließ er sich auf den Besuchersessel fallen, und das nicht gerade schwach gebaute Sitzmöbel reagierte hörbar in gleicher Weise.
„Gibt es einen Kaffee bei Ihnen?“, fragte er und brannte sich eine Zigarette an.
Ich nickte, und als ich ihn freundlich anlachte, entspannte sich sein Gesicht ein wenig.
Ich schwieg und wartete. Eine ganze Zigarette lang fiel zwischen uns kein Wort.
Er nahm meinen großen, gläsernen Aschenbecher in die Hände, wog ihn förmlich ab, und fast zögernd, als suche er einen Anfang, sagte er: „Ein schönes Stück, massiv, schwer, gediegen, so richtig männlich, gefällt mir.“
„Meine Frau“, antwortete ich, „hat ihn mir mal ganz spontan geschenkt, weil sie ihn auch auf den ersten Blick mochte.“
Weber sah mich an: „lch habe Trouble, nicht geschäftlich, da Iäuft alles bestens. Zuhause. Sie kennen das ja: Zu wenig Zeit für die Frau. Die Kinder sehe ich kaum noch und wenn, sagen sie, bin ich immer geistig abwesend und müde. Sie haben ja recht, ich weiß das schon lange. Aber so richtig klar geworden ist mir das heute morgen beim Frühstück. Ich fing plötzlich bewusst an zuzuhören, was meine Frau und ich miteinander reden. Es ist nur noch Alltägliches. Unsere einzige Gemeinsamkeit scheint zu sein, dass wir uns darüber aufregen, wie egoistisch und perspektivlos unsere heutige Zeit ist. Und als ich dann noch versucht habe, ihr mit aller Diplomatie beizubringen, dass ich über das Wochenende ausländische Gäste betreuen muss, hat sie angefangen zu weinen. Keinen Vorwurf, kein Wort, nur diese Tränen, gegen die alle Argumente kraftlos sind. Das hat mich richtig fertig gemacht. Da bringt man uns in Seminaren bei, wie man ein guter Redner wird, ein exzellenter Verkäufer, ein erfolgreicher Problemlöser und ein tüchtiger Manager. Ich habe gelernt, wie man sinnvoll und verantwortlich mit Geld, Zeit und Rohstoffen umgeht, aber nicht mit meiner Frau, nicht mit meinen Kindern, und“, er stockte einen Augenblick, „wohl auch letztlich nicht mit meinem Leben. Vielleicht sind meine Prioritäten falsch. Am liebsten würde ich mal eine Woche lang in ein Kloster gehen und Bilanz machen.“
„Und Ihre Frau?“, fragte ich. „Meinen Sie wirklich, dass Sie die Frage nach den Prioritäten und dem Sinn Ihres Lebens ohne Ihre Frau Iösen können? Leiden unsere Ehen nicht gerade daran, dass der andere sich zu oft ausgesperrt vorkommt?“

Als Weber gegangen war, stand ich lange am Fenster meines Büros und dachte nach: Wenn man mit ihm, seiner Frau und anderen, die mit denselben Fragen und Problemen umgehen, für ein Wochenende an einen stillen, freundlichen Platz ginge, um über die Prioritäten und den Sinn unseres Lebens nachzudenken? Zusammen mit ein paar erfahrenen, unaufdringlichen Christen, die Hilfestellung und Antworten geben? Damit abgerissene Dialoge wieder in Gang kommen zwischen Mann und Frau, zwischen Mensch und Gott?

Ich besprach das zuhause und mit Freunden aus der IVCG, und wir waren uns einig, hier sollte man handeln. Das ist nun das Resultat: Falls Sie zu denen gehören, die einmal Besinnung, Rückbesinnung brauchten, lade ich Sie und Ihren Ehepartner zu einem Wochenende des Nachdenkens vom Freitagabend, dem 23. Juni 1989, bis zum Sonntagmittag, dem 25. Juni, ein.
Ort des Treffens ist der Nehemia-Hof in Gnadenthal, denn er liegt geographisch zentral, dicht an der Autobahn bei Limburg und dennoch so weit weg, dass es hier wirkliche Stille gibt. Und in diesem rustikalen, bäuerlichen Haus spürt man etwas von dem Frieden, nach dem wir uns sehnen.
Die Kosten werden nicht hoch sein. Wir wollen als Christen helfen, aber nicht verdienen.
Wenn Sie merken, dass Sie gemeint sind, schreiben Sie mir bitte ein paar Zeilen. Ich sorge dann dafür, dass Sie vom Nehemia-Hof eine Einladung mit allen Einzelheiten bekommen und freue mich, wenn wir uns einmal kennenlernen von Angesicht zu Angesicht.

Herzlich, Ihr Karlheinz Binder.

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497. Nachdenkliches für Manager – Risiko-Minimierung 3-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Risiko-Minimierung

Wir saßen um den großen Konferenztisch, hatten schon Iängst unsere Jacken ausgezogen und diskutierten.
Nur Dr. Roser, der technische Direktor, unterstrich seine Argumente, warum die Investition nötig war und welcher Lieferant in dieser Sache der beste sei, durch zweireihiges Dunkelblau und die Konsequenz, mit der er es anbehielt. Es ging um eine Spezialmaschine. Sie würde einige Millionen Mark kosten, uns aber technologisch einen Vorsprung sichern.
„Im Preis“, sagte Dr. Roser, „liegen alle Anbieter nicht sehr weit auseinander. Entscheidend ist, wer den besten, zuverlässigsten Service und integrierbare Weiterentwicklungen garantiert, und da kommt für mich nur die Offerte Zwei in Frage, ich kenne das Unternehmen seit Jahren, weiß, wie tüchtig und innovativ die sind. Zu denen habe ich Vertrauen.“

Der Chef machte sich ein paar Notizen, legte dann den Bleistift weg, sah Dr. Roser an und antwortete: „Gut, eins ist klar: Wir werden die Maschine anschaffen, die Investition ist OK. Aber die von Ihnen empfohlene Lieferfirma möchte ich mir selber vorher ansehen. Ich will einen persönlichen Eindruck haben.
Er schaute zu mir herüber: „Sie sollten Dr. Roser und mich begleiten, sozusagen als der neutrale und objektive Dritte.“
Ich hielt seine Überlegung für gut und nickte ihm zu.

Eine Woche später waren wir dort, 10 Minuten vor dem auf 11 Uhr ausgemachten Besuchstermin.
Wir nutzten die Zeit für einen kleinen Spaziergang am Firmengelände unseres Anbieters Nummer Zwei entlang, um uns Bewegung und einen ersten Eindruck zu verschaffen. Alles wirkte sympathisch, aufgeräumt, zuverlässig.
Der Architekt hatte es geschafft, den Altbau aus der Gründerzeit und die neu hinzugekommenen Produktionshallen im Stil und in der Farbgebung so geschickt miteinander zu verbinden, dass es zur harmonischen Einheit geriet.
Mir gefiel, was ich da sah, und ich sagte das zu Dr. Roser.

Der Chef empfing uns persönlich. Ein kraftvoller, gewinnender Mann um die 50, mittelgroß, schlank.
Wir tranken in seinem Büro Kaffee, er informierte uns über seine Firma, ihre Historie und das Leistungsprogramm, und als er auf ein Bild an der Wand zeigte und sich reckte, fiel mir auf: Er trug nicht, wie wir alle, eine Armband-, sondern eine Taschenuhr mit goldener Kette.
Dann kamen sein Produktionsdirektor und der Leiter der Entwicklungsabteilung hinzu, und wir gingen alle zusammen durch den Betrieb.

„Was tun Sie“, fragte mein Chef, „für die Zukunft Ihrer Firma? Der technische Fortschritt macht ja nun nicht halt, und die Konkurrenz wird international ständig größer.“
„Kommen Sie“, antwortete der Entwicklungsleiter.
Wir gingen den Flur rechts hinunter. An einer Stahltür zog er seinen Betriebsausweis heraus, steckte ihn in den Magnet-Leser, und wir standen in einem Großraumbüro mit acht oder zehn Zeichenmaschinen und Plottern, kleinen und größeren Konferenzzonen, einem zentralen Schreibpool und Menschen, die konzentriert hinter ihren Tischen saßen, in Gruppen beieinander standen und redeten oder in einem der Konferenzbereiche miteinander diskutierten.
„Hier arbeiten“, sagte der Inhaber, „zwanzig hochqualifizierte Leute, und ihre einzige Aufgabe ist es, jeden Tag vom Morgen bis zum Abend ganz zielbewusst darüber nachzudenken, wie unsere Konstruktionen in 5, 8, 10 oder sogar in 12 Jahren beschaffen sein müssen, damit wir bestehen. Das kostet eine Menge Geld, aber wie heißt es so schön in einem Sprichwort: Wer nichts für die Zukunft tut, wird auch keine haben!“

Mein Chef sah ihn beeindruckt an, nickte anerkennend, und ich wusste, die Entscheidung für den Auftrag war gefallen.
Beim Essen saß ich links neben dem Inhaber, und als das Gespräch vom Geschäftlichen weg auf Persönliches kam, fragte ich ihn nach seiner Uhr. „Mein Vater liebte absolute Präzision, genau wie ich“, sagte er und ließ sie aufspringen: „Er hat dieses gute Stück um die Jahrhundertwende erworben und mir später vererbt.“
Es war eine der schönsten Uhren, die ich jemals gesehen hatte, mit einem meisterhaften Zifferblatt und einer Gravur im Innendeckel: „Meine Zeit steht in Deinen Händen“.
Ich zeigte auf die Worte aus dem Psalm 31: „lhr Vater war ein frommer Mann?“
„Ja, er ist ein sehr gütiger, tüchtiger und gerechter Mensch gewesen mit einem festen Glauben an Gott.“ „Und Sie?“ sagte ich.
„Ich“, antwortete er und zerdehnte das Wort zu einer langen Pause, „ich weiß es nicht. Eigentlich habe ich darüber noch nie richtig nachgedacht“, und dann wandte er sich nach rechts und fing ein intensives Gespräch mit meinem Chef an.

Was hatte vor einigen Tagen ein Wissenschaftler geschrieben? „Die wirtschaftlichen, materiellen und biologischen Risiken, mit denen wir es heute und in der Zukunft zu tun haben, sind nicht die einzigen. Es gibt noch ein viel größeres Risiko: Das Leben verfehlt zu haben. Vorbeizuleben an der Frage nach Gott.“

Da beschäftigt ein so kluger, tüchtiger, verantwortungsvoller und geschäftlich weitsichtiger Mann zwanzig Menschen in seiner Entwicklungsabteilung , damit das Unternehmen eine Zukunft hat.

Und seine eigene?

 

Karlheinz Binder

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496. Nachdenkliches für Manager – Alles Gute 12-88

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

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Alles Gute

Durch die breite, wuchtige Glastür der Empfangshalle sahen wir, wie draußen der eiskalte Wind den dichten Schnee im Licht der Laterne fast waagerecht durch die Luft blies.
Wir hatten den ganzen Nachmittag über Konditionen verhandelt, die zwischen unseren Firmen ab 1.Januar gelten sollten und hatten eine Basis gefunden, die in uns beiden ein gutes Gefühl hinterließ.
„Warten Sie“, sagte er, „ich hole eben aus der Portierloge einen Schirm und bringe Sie noch bis zum Auto.“
Ich schlug meinen Mantelkragen hoch, hakte ihn ein, damit wir beide Platz hatten unter dem schützenden Parapluie, und als ich den Schnee vom Türschloss und den Scheiben wischte, umrundete er, mich förmlich behütend, den Wagen mit mir.
Wir gaben uns die Hand, Iächelten uns fast freundschaftlich an, dann sagte er: „Alles Gute“, und stapfte davon.

Auf der Autobahn hatten sie Salz gestreut, und ich konnte meine Konzentration beim Fahren ein wenig senken und nachsinnen über diesen Besuch.
Wir kannten uns seit Jahren, hatten geschäftlich miteinander zu tun, saßen gemeinsam in zwei Verbands-Ausschüssen und mochten uns. Aber sonst wussten wir wenig voneinander. Warum eigentlich? War es unsere disziplinierte Geschäftsmäßigkeit, die uns daran hinderte? Furcht, bei dem anderen die Intimgrenze des Persönlichen zu tangieren?
„Alles Gute“, hatte er mir zum Abschied gewünscht.
In ein paar Tagen würden wir Weihnachten feiern, ein neues Jahr anfangen. Hatte er das gemeint? Wollte er mich mit seinem Gruß durch diese Tage begleiten ?
Wie oft hatte ich das selber schon zu anderen Menschen gesagt, dieses „Alles Gute“ und mir nichts dabei gedacht. Es benutzt als eine höfliche Leerformel.
Waren diese zwei Worte so eine Art Sammelbegriff? Entstanden durch unsere Zeitnot, die uns zum Rationalisieren zwingt? Oder mehr aus Verlegenheit, weil wir sonst von Dingen reden müssten, über die wir nie wirklich gründlich nachgedacht haben und für die uns die Dankbarkeit verloren gegangen ist?
Als er mir „Alles Gute“ wünschte, hatte er sicherlich Gesundheit gemeint.
Wie selbstverständlich nahm ich sie hin, fast stolz auf meine eigene Robustheit. Aber war ein solcher Wunsch nicht zugleich Anfrage, wie ich es denn mit meinen Kräften, meiner Zeit und meinen Prioritäten hielt? Umfasste nicht Gesundheit mehr, als nur den Körper? Auch die Art meines Lebens? Keinen fieberhaften Ehrgeiz, keine kaputtmachende Kritiksucht und Ungeduld, kein dahinsiechendes Familienleben? War da Bilanz fällig?
Und an Frieden hatte er bestimmt gedacht, den inneren, den in unserem Herzen, denn es gibt keinen Frieden unter uns Menschen, der nicht in uns seinen Anfang nimmt. Aber was war mit dem Satz, den ich neulich bei Jesaja in der Bibel gelesen hatte: „Wer nichts von Gott wissen will, der findet keinen Frieden?“
Helfen da auch alle guten Wünsche nichts?
Ja, und dann war da noch die Liebe. Wer möchte die nicht? Das wusste ich sehr genau: Meine Frau brauchte Liebe, meine beiden Söhne brauchten Liebe und ich auch. Aber wie soll jemand Liebe bekommen, wenn der andere sie nicht gibt? Haben wir wirklich ein Anrecht auf Liebe? Oder ist es nicht vielmehr eine Verpflichtung, selber Liebe zu schenken?

Und die Freude?
Neulich war ich nachhause gekommen, und meine Frau sagte zu mir: „Das war einer der zauberhaftesten Herbsttage, die ich jemals erlebt habe. So richtig wie aus dem Bilderbuch.“ Und ich schwieg verlegen, weil ich vor lauter Arbeit das alles nicht bewusst wahrgenommen hatte.
War mein Leben nur noch angespannte, sachliche Entschlossenheit? Nur noch konzentrierte Perfektion? Gingen mir deshalb meine Kinder immer öfter aus dem Weg?

Ich fuhr den Wagen in die Garage, umarmte meine Frau ein wenig fester als sonst, was sie mit einem fragenden Lächeln beantwortete, suchte mir im Arbeitszimmer die Privatnummer meines Geschäftsfreundes heraus, rief ihn an und sagte: „lch wünsche Ihrer Familie eine Zeit in Liebe und Gemeinsamkeit. Ihnen viel Ruhe zur inneren Einkehr und uns beiden gestressten Geschäftsleuten die rechte Besinnung auf den Grund und die Adresse unserer Dankbarkeit. Gott segne Sie.“
Es war einen Moment still am anderen Ende und dann sagte er mit einer spürbaren Wärme in der Stimme: „Danke“ und legte auf.

Alles Gute, mein Freund.

 

Karlheinz Binder

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