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500. Nachdenkliches für Manager – Hoffnungsträger 5-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Hoffnungsträger

Kleidung und Stimmung waren vorherrschend dunkelblau, feierlich. Neben dem Rednerpult mit dem Firmen-Signet hatten fachkundige Hände edle Blumen und dezent grüne Büsche gruppiert, so gekonnt, dass selbst ein fernöstliches, ikebanageschultes Auge keinen Anlaß zur Kritik gefunden hätte.

In der ersten Reihe sassen die 16 jungen Leute.
Vor ein paar Tagen hatten sie ihre Ausbildungs-Abschlussprüfung vor der Industrie- und Handelskammer bestanden. Acht von ihnen, eine Rekordzahl, mit „Sehr gut“, und als der Chef es erfuhr, war er so stolz, dass er es sich nicht nehmen lassen wollte, selber die Rede zu halten. Die Folge: Das Management war ausnahmsweise nahezu vollzählig zum Festakt erschienen.
Fred Langenbacher, unser Personalchef, stieß mich mit dem Ellbogen an, und als ich mich ihm zuwandte, leitete er meinen Blick mit einer Kopfbewegung weiter in Richtung Betriebsrat, zwei Reihen hinter uns, und da saß der Vertrauensmann Erwin Nagl provozierend mit offenem Kragen, ohne Schlips. Als er unsere Blicke bemerkte, sah er uns fragend an, und Langenbachers empörten Gesichtsausdruck quittierte er mit einem genüßlichen Lächeln. Die beiden mochten sich nicht.

Der Chef hielt eine gute Rede, eine seiner besten, wie ich fand.
Er sprach von der wachsenden Verantwortung in allen Bereichen des Zusammenlebens, von der Tatsache, dass wir es immer mehr mit Problemen zu tun bekommen, für die es weder Erfahrungen noch Verhaltensvorlagen gibt, von der Notwendigkeit der ständigen Weiterbildung und Lernbereitschaft, und das zustimmende Kopfnicken bei uns Zuhörern bewies: Was er formulierte, kam an.
„Sie, meine lieben, jungen Freunde und Mitarbeiter“, sagte er in seinem Schlußsatz zu den 16 in der ersten Reihe, und dabei ließ er seinen Blick konzentriert von einem zum anderen wandern: „Sie gehören zu der Generation, die nach uns den Auftrag hat, dieses Unternehmen zu erhalten und seine Zukunft wesentlich mitzugestalten und damit sind Sie, wenn ich es einmal so ausdrücken darf, unsere Hoffnungsträger.“

Als der Beifall vorüber war, rief der Lehrlingsausbilder die Namen der 16 auf, und nach Urkunde und Händedruck durch den Chef stellten sie sich neben ihn.

Ich blickte in ihre Gesichter. Da gab es manche, die waren schon ausgeformte, fertige Persönlichkeiten, andere wirkten noch wie Kinder, empfänglich für Eindrücke und Botschaften. Und sie alle hatten ihr ganzes Berufsleben vor sich mit PIänen, Zielen, Illusionen, Enttäuschungen, Erfolgen und Erwartungen.

Als das Blitzlicht des Fotografen aufzuckte, schloß ich die Augen und erinnerte mich: Genau so hatte ich vor ein paar Jahrzehnten vorn gestanden, irgendwo in Norddeutschland, eine Urkunde in der Hand, rechts und links von mir meine Mitprüflinge. Alle voller Zukunftshoffnungen und Tatendrang, es der Wirtschaft und der Gesellschaft einmal zu zeigen, was Erfolg heißt.
Und was war daraus geworden? Was war uns geblieben?
Ich erinnerte mich an Namen. Einer von ihnen hatte in Bankkreisen einen hervorragenden Klang. Aber außerhalb dieser lnsiderweIt kannte ihn keiner. War das Erfüllung?
Ein anderer von uns Damaligen wurde Vorstandsmitglied in einem Konzern. Er hatte erreicht, was er anstrebte, wenn auch zu einem hohen Preis: Seine Ehe war kaputt, die beiden Kinder in kritischer Distanz. Kann es das wert sein?
Alle übrigen arbeiteten in ganz normalen Positionen, und diejenigen unter ihnen, die innerlich stark genug waren ihre großen Pläne Iächelnd zu begraben, fühlten sich glücklich Was hat Gewicht?

Ich sah hinüber zum Betriebsratsmitglied Erwin Nagl mit dem offenen Kragen. Er war bekannt für seinen Nonkonformismus und seine eiserne Haltung. Aber nach dem fünften oder sechsten Glas Bier kam es zum Vorschein: Auf dem Grund seines Herzens wohnten Hilfsbereitschaft und Verständnis für die anderen Menschen, aber das notwendige Rollenverständnis und der Erwartungsdruck vieler Kollegen hatten ihn wie in einer Art Sinterungsprozess hart gemacht.

Was bestimmt eigentlich unseren beruflichen Weg? Unser Leben in seinem Inhalt, seiner Tiefe? Was macht unseren Wert aus als Vorgesetzter, Kollege, Freund, Vater, Ehemann?
Unsere Tüchtigkeit? Dass wir einfach GIück gehabt haben? Oder eben auch nicht? Bei unserer Karriere mag das gelten, aber doch nicht für den inneren Menschen?

Spielen wir uns vielleicht selber etwas vor, wenn wir so tun und denken, als bestünde unser Leben nur aus der Diesseitigkeit? Reicht die Hoffnung, von der wir so gern und so oft reden und die wir sogar zum Prinzip erhoben haben, über den Horizont unseres Lebens hinweg? Hinüber zu Gott? Steht da nicht im Psalm 40: „Wohl dem, der seine Hoffnung auf den Herrn setzt“?
Braucht es nicht einen solchen festen, beständigen Grund, sonst wird das, was wir unter dem heutigen Begriff des Optimismus zusammenfassen zur Illusion und zum Selbstbetrug?

Langenbacher neben mir erhob sich von seinem Platz. Die Veranstaltung war zu Ende. Kurz vor der Tür hörte ich, wie gerade einer der jungen Leute zum anderen sagte: „Der Chef mag ja recht haben mit der ständigen Weiterbildung, aber fast 15 Jahre büffeln, erst Schule, dann Ausbildung, die reichen mir, mit dem Lernen bin ich erst mal fertig.“
Noch ganz aus dem Nachsinnen heraus Iächelte ich ihn an und dachte: Und ich bin wieder mitten drin.

 

Karlheinz Binder

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Thema: Nachgedacht

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