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510. Nachdenkliches für Manager – Inkognito 5-90

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Inkognito
„Ich möchte mich“, schrieb mir Mathias Born, „im Namen unserer ganzen Familie herzlich bei Ihnen für die guten, ehrenden Worte bedanken, die Sie am Grab meines Vaters gesprochen haben.“

Ich blickte auf den schwarzen Rand des Briefbogens. Keine vier Wochen war es her, als Roland Born mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus kam, ein paar Tage später starb er, gerade eben 56 Jahre alt.
Mit 62 wollte er in Pension gehen, um noch etwas von seinem Leben zu haben. Und als wir einmal darüber redeten und ich ihn fragte, wer denn später als sein Nachfolger in Frage kommen könne, fingen wir beide wie in stiller Übereinkunft an zu lächeln und vertagten das Thema, weil wir meinten, noch so viel Zeit zu haben. Aber wir hatten vergessen, was in der Bibel bei Hiob steht: „Der Mensch verfügt über eine bestimmte Zeit, die Zahl seiner Jahre steht bei Dir, Gott, Du hast ein Ziel und ein Ende gesetzt.“

Alles das sagte ich in meinem Nachruf. Ich sprach über die 18 Jahre der kollegialen Arbeit, der gemeinsamen Erfolge, der vielen Erlebnisse und Gespräche, die zwischen uns ein Verhältnis entstehen ließen, das mehr war, als das im Geschäftsleben Übliche: Freundschaft.
„Er wird uns fehlen, dieser Roland Born, mit seiner ruhigen, zuverlässigen Art, seinen Erfahrungen, seinem Fleiß, seiner stillen, selbstverständlichen Hilfsbereitschaft und seinem Rat“, hatte ich geschlossen und dabei um die Festigkeit meiner Stimme gekämpft.

Ich merkte, wie mich die Erinnerungen wieder übermannten und konzentrierte mich willentlich und ganz bewusst auf das, was Mathias Born mir da in seinem Brief weiter geschrieben hatte:“Mein Vater“, stand da, „war Ihnen nicht zuletzt deshalb so sehr verbunden, weil er, genau wie Sie, Zeit seines Lebens ein überzeugter und engagierter Christ gewesen ist.“

Mit einem Anflug von Verblüffung las ich diesen Satz ein zweites Mal.
Richtig, Roland Born war ein guter, gerechter, liebenswerter Mensch, ich hielt ihn über all die Jahre für einen edlen Humanisten, der Anerkennung und Achtung verdiente, aber dass er ein wahrhaftiger, aktiver Christ gewesen wäre, das war mir nicht aufgefallen. Nie hatte er darüber gesprochen, sich nie dazu bekannt.

Was sind das für Christen, dachte ich, die sich ihr ganzes Leben bedeckt halten? Die eine Hoffnung haben und niemals sagen, dass diese Hoffnung einen Namen hat, den, nach dem sie sich nennen: Jesus Christus?

War es nicht genauso wichtig, wie etwas in dieser Welt zu tun, auch deutlich zu erklären, warum wir so handeln? Was Grund und Anlass unserer Nächstenliebe ist? Wie denn sonst konnte Evangelium in der Praxis, vor Ort, transportiert werden? Als eine Botschaft, die eben keine Privatsache ist?

Und als meine Verblüffung anfangen wollte, eine ganz sachte Färbung von Enttäuschtsein anzunehmen, überlegte ich: Befand sich mein alter Freund und Mitarbeiter Roland Born mit seinem Verhalten nicht mitten in diesem Christlichen Abendland in einer großen, solidarischen Gesellschaft der Lauheit und des Verschweigens?
Und wie war das mit mir? War ich nicht lange genug selber so gewesen?

Als Christus seine Jünger aussandte, wie es im Matthäus-Evangelium steht, damit sie die Botschaft verkündigen und zum Nachdenken und zur Umkehr aufrufen sollten, da gab er ihnen auf den Weg: „Wenn ihr in eine Stadt oder ein Dorf kommt, erkundigt euch, ob jemand darin wohnt, der es wert ist, und bei dem bleibt.“
Was wäre, wenn morgen einer in meinen Wohnort, meinen Bezirk oder auch nur in meine Strasse käme und er sagte: „lch möchte bei jemandem übernachten, der es wert und ein wirklicher Christ ist“, würde dann mein Name genannt?

Und ihrer?

 

Karlheinz Binder

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Thema: Nachgedacht

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