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457. Nachdenkliches für Manager – Mißglückter Rapport 6-95

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

Mißglückter Rapport

Als das Flugzeug in Frankfurt am Terminal andockte, schaute ich aus dem Bordfenster. Es regnete in Strömen, ich war müde und zweihundert Kilometer Autobahn lagen noch vor mir.

Ganz gegen meine Gewohnheit stellte ich mich auf dem Weg in die Halle B auf das Personen-Transportband, denn sonst regten mich immer wieder die Leute auf, die auf diesem Fortbewegungs-Instrument einfach stehenblieben und mir, dem notorisch Eiligen den Weg blockierten, aber an diesem Abend tat ich es den anderen gleich, setzte meinen Koffer hin, stützte mich auf den sich mitbewegenden Handlauf, betrachtete die Gesichter der entgegenkommenden Fluggäste und ganz plötzlich sah ich ihn mit seinem inzwischen älter gewordenen, aber unverändert markanten Gesicht, der quer über die linke Wange laufenden Narbe, die ihn kühn aussehen ließ: Bernhard Kowalski.
Vor vielen Jahren hatten wir in einem Hanseatischen Unternehmen Zimmer an Zimmer gearbeitet, uns prächtig verstanden, waren Freunde geworden und uns dann berufsbedingt aus den Augen verloren.
„Hey Bernie!“, schrie ich quer durch die Geräusche des großen Flughafens, aber er hörte mich nicht.
Am Ende des Bandes machte ich eilig linksum kehrt und lief den Weg zurück in der Hoffnung, ihn noch einzuholen, aber er war spurlos in der Menschenmenge verschwunden.

Wie es ihm wohl geht, dachte ich, als ich in der Tiefgarage in mein Auto stieg.
Was mochte er jetzt tun? In welcher Branche, bei welchem Unternehmen? Ob er Familie hatte und hoffentlich auch mit dem Geld auskam, denn früher war er ständig knapp bei Kasse. Er verdiente gut, aber der Pegel seines Lebensstandards richtete sich nach der Art kommunizierender Röhren immer nach seinem Einkommen mit einer notorischen Differenz von rund zehn Prozent und auf diese Weise war er immerzu pleite.

Ich erinnerte mich an ein Telefonat, das gerade für ihn kam, als ich in seinem Zimmer saß. Er meldete sich mit seiner forschen, kräftigen Stimme, wurde dann immer leiser, kleinlauter unter dem Stakkato das aus dem Hörer durch den ganzen Raum tönte und zum Schluß sagte er, sehr kleinlaut, fast mit verzagtem Ton: „Ich verspreche Ihnen, ich bringe das wieder in Ordnung“.
Als er auflegte, sah ich ihn fragend an: „Der Boß?“
„Nein, zum Glück nicht, aber genau so schlimm“. Und dann erzählte er: „Du weißt ja, daß ich immer Geld brauche, und vor ein paar Wochen rief mich ein Kumpel an und fragte, ob wir uns mal schnell am Wochenende ein paar Hunderter verdienen wollten. Er kannte da einen, der sich sein feudales Wohnzimmer neu tapezieren lassen wollte, in Schwarzarbeit, aber da hatten wir keine Skrupel.
Wir sagten zu, besorgten uns den richtigen Klapptisch, große Schere, Leiter, alte Zeitungen, Quast und Eimer, alles, was man so braucht, und Sonnabendfrüh traten wir an mit der glaubwürdig vorgetragenen Zusicherung, der Hausherr habe es mit zwei absoluten Profis zu tun und er möge uns, bitteschön, nicht bei der Arbeit stören, und er ging dann auch.
Also, das muß ich ihm lassen“, sagte Bernie mit Anerkennung in der Stimme, „die Tapete war Spitzenklasse, schwer und gediegen. Wir rührten den Spezialkleister laut Gebrauchsanweisung in den Eimer und während er quoll, nahmen wir Maß von der genauen Raumhöhe und schnitten die Bahnen exakt auf Länge im voraus zu. Aber als wir anfingen zu kleben, kriegten wir einen eisigen Schrecken: Die Tapete hatte einen Rapport. Du weißt was das ist? Die Muster gehen ineinander über und das taten sie bei uns nicht. Und dann haben wir wie die Blöden gepuzzelt, aneinandergelegt, verglichen und geschnibbelt und so einigermaßen bekamen wir es hin, nur ein paar Quadratmeter fehlten, eben durch den Verschnitt. Aber wir wußte eine Lösung: Hinter dem riesengroßen Bücherschrank haben wir einfach frei gelassen und alles sah zum Schluß recht gut aus. Der Hausherr war zufrieden, zahlte und wir waren erleichtert.
Dann kam die Katastrophe: Gestern hat ihm seine Frau gesagt, eigentlich sei das Zimmer jetzt so schön, daß man es doch wagen sollte, die Möbel mal anders hinzustellen, dann sähe alles ganz neu aus und sie haben geräumt, gerückt und geschoben, bis sie unsere Schummelei hinter dem Schrank entdeckten. Deshalb hat er mich angerufen, angebrüllt. Er will, daß wir die ganze Arbeit noch mal machen, einschließlich Material auf unsere Kosten. Bei der teuren Tapete! Kannst Du mir so eine Art Überbrückungskredit geben?“

Dieser Bernie, dachte ich, mit seinem vertrauenwerweckenden Gesicht, seiner überzeugenden Art zu reden, mit seinem sicheren Auftreten, hatte seine Tapeten-Defizite elegant versteckt und war doch aufgeflogen.

Wie viele Menschen um uns her gibt es wohl, ging es mir durch den Kopf, die uns so sehr beeindrucken, uns begeistern, und klammheimlich haben sie irgendwo die berüchtigte Leiche im Keller.
Nach außen hin sieht ihr Lebenskonzept klar, konsequent, sauber und logisch aus und dahinter sitzen Ängste, Verletzungen, Empfindlichkeiten, Schuld, Einsamkeit und Ungeborgensein, kaschiert mit temporeicher Aktivität, kompensiert durch demonstrative Erfolge.
Wie oft begegnen mir Menschen, die den Sinn ihres Daseins und Gott verloren haben und deshalb krampfhaft versuchen, Halt an sich selber zu finden. Leben als Inhalt des Lebens, wie ein unendliches Vexierbild, das sich immer in sich selbst wiederholt.
Aber irgendwann kommt alles zutage.
Was sagt die Bibel im Hebräerbrief?: „Kein Geschöpf ist vor Gott verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor seinen Augen, vor ihm, dem wir Rechenschaft geben müssen“.

Wie sieht es hinter Ihrem Schrank aus?
Karlheinz Binder

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Thema: Nachgedacht

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