518. Nachdenkliches für Manager – Die Entdeckung (Agrigento) 3-91
Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor: intern
Lieber Blog Besucher,
die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.
Die Entdeckung (Agrigento)
Die große Bahnhofsuhr zeigte genau 7 Uhr 24 als ich meine Autotür zuschloss.
In 7 Minuten würde mein Zug fahren, ich war gut in der Zeit.
Auf der Treppe zum Gleis 3 traf ich Joachim Schwarz• Wir kannten uns von kulturellen Veranstaltungen und begegneten uns des Öfteren auch bei gesellschaftlichen Anlässen. Er war Redakteur einer angesehenen Fachzeitschrift, und beide, sowohl er als auch sein Blatt, genossen einen guten, soliden Ruf.
„Wo geht es hin?“ fragte ich ihn.
„München“,sagte er, „und Sie?“
„Frankfurt“.
Wir drehten im Großraumwagen des Zuges zwei Einzelsitze zueinander und, um das Gespräch in Gang zu bringen, forschte ich neugierig: „Wie war das Wochenende?“
„Interessant, höchst interessant“, Iächelte er, „und ungewöhnlich.“
Ich beugte mich interessiert nach vorn: „Schiessen Sie los!“
„Ja“, sagte er, „eigentlich fing es als ein ganz normaler Sonntag an. Die Kinder machten einen Ausflug mit Freunden und auf diese Weise waren meine Frau und ich ganz allein.
Wir machten es uns so richtig gemütlich, saßen beim Frühstück, ließen uns die Brötchen schmecken und ich mir ganz besonders den Kakao. Der gehört für mich zu einem richtig schönen Wochenende.
Wir hatten das Radio an und hörten Musik. Dann kamen die Nachrichten. Nichts Besonderes, nichts Weltbewegendes: Ein prominenter Politiker hatte gefordert, dass die europäische Einigung weiter beschleunigt werden müsse, das Brutto-Sozialprodukt und die Wirtschaftsdaten lagen fast genau innerhalb der gesteckten Rahmenwerte, die Nationalelf hatte am Sonnabend ihr Länderspiel knapp mit 4:3 gewonnen, und im Hafen von Agrigento waren zwei Fährschiffe miteinander zusammengestossen, Personen wurden nicht verletzt. Das Wetter würde sonnig bleiben und keine Behinderungen auf den Autobahnen und Fernstrassen.
Und dann fragte mich meine Frau, wo eigentlich dieses Agrigento Iäge, und ich zuckte mit den Schultern und sagte, ich wüsste es nicht, irgendwo am Mittelmeer. Der Name klinge italienisch, aber ich könne ja mal nachsehen im großen Schulatlas meines Sohnes, weil mich das jetzt selber interessierte.
Ich ging also die Treppe hinauf in sein Zimmer.
Er hatte seine besondere Art Dinge aufzubewahren – er nannte das eine kreative Systematik, ich Chaos -, als ich also versuchte mich darin zurechtzufinden, um den Atlas zu entdecken, stieß ich auf ein Buch, das mich von seiner originellen Aufmachung her anzog. Es war in Jeans-Stoff gebunden, und auf der Vorderseite war ein Lederetikett aufgenäht, so wie Burschen es auch auf ihren Hosen tragen. Ich nahm es in die Hand und las: „Die Gute Nachricht“, und als ich in ihm blätterte, war es eine Bibel, ein Neues Testament. Flott und verständlich formuliert, übersichtliches Schriftbild, gute Typographie. Sie wissen, als einer der selber schreibt, sieht man so etwas ja mit anderen Augen. In gewisser Weise war ich überrascht, sozusagen im doppelten Sinn. Zum einen, dass es so etwas
Las er sie auch? Warum? Nahm er das ernst, oder war das vielleicht eine Art intellektuelle Auseinandersetzung mit einem Buch, das man als wacher und denkender Mensch eigentlich gelesen haben sollte?
Ich hatte mir das seit vielen Jahren selber vorgenommen, aber nie hatte ich die Zeit und die innere Stimmung dazu gefunden.
War mein Sohn womöglich konsequenter?
Ich setzte mich auf die Bettkante und vertiefte mich in den Inhalt, und plötzlich begriff ich: Das war gar nicht ein weltfremdes, veraltetes, uns nichts mehr angehendes Werk, sondern ich war betroffen, nein mehr: Ich war getroffen von dem, was ich da las. Das war hautnah, zupackend, das zielte auf mich.
Irgendwann muss meine Frau wohl unruhig geworden sein, weil ich nicht wiederkam. Und sie fand mich im Zimmer meines Sohnes, ganz konzentriert. Sie setzte sich neben mich und sagte: „Das muss aber spannend sein, was du da hast, lies vor“. Und dann ging es ihr ähnlich wie mir.“
Joachim Schwarz lachte mich an, ohne das geringste Zeichen von Verlegenheit, die wir doch sonst immer haben, wenn das Gespräch auf die Frage nach Gott kommt.
„Es war schon ein interessanter, ein seltener Nachmittag gestern. Wenn ich als Journalist dafür eine Headline formulieren müsste, dann wäre es wohl diese: „Columbus suchte Agrigento und entdeckte eine neue Welt!“
Der Zug verlangsamte sein Tempo. Wir würden gleich in Karlsruhe sein, wo ich umsteigen musste. Ich nahm meinen Koffer, gab Schwarz die Hand, herzlich und mit dem festen Druck des inneren Einverständnisses und stieg aus.
Warum, überlegte ich, warum denken wir Menschen so wenig darüber nach, was es heißt, die Bibel zu haben. Gott hat sich in ihr uns mitgeteilt. Alles, was wir über den Sinn unseres Lebens, über Gottes Liebe, über seine Zuwendung durch Jesus Christus wissen sollten und wissen können, steht in diesem Buch. Lesbar, greifbar, begreifbar, jederzeit.
Worte, die erschüttern, mahnen, erschrecken, trösten, heilen, Zuversicht geben, Hoffnung begründen, Entscheidung abverlangen. Worte der Liebe, der Gnade, der Freiheit, der Freude.
„Nehmt euch das alles zu Herzen“, sagt Gott den Israeliten, „denn es sind nicht leere Worte, sondern es ist euer Leben.“
Und Jesus Christus vertieft das und sagt seinen Zuhörern: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort Gottes, denn die Worte, die ich rede, die sind Geist und sind Leben.“
Joachim Schwarz suchte Agrigento und entdeckte eine neue Welt.
Karlheinz Binder