462. Nachdenkliches für Manager – Ende einer Dienstfahrt 11-95
Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor: intern
Lieber Blog Besucher,
die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.
Ende einer Dienstfahrt
Ich schaltete Scheinwerfer und Scheibenwischer aus, drehte den Zündschlüssel zwei Rasten nach links und lehnte mich aufatmend zurück.
Drei harte Tage und dreihundert Kilometer Nachtfahrt bei strömendem Regen lagen hinter mir.
Meine Frau hatte mich gehört. Aus dem Lichtkegel der Haustürleuchte kam sie im Schutz des vorsorglich mitgebrachten Schirmes zu mir herüber. Ich stieg langsam aus, nahm sie in die Arme und unter dem Trommeln der Tropfen auf dem ausgespannten Stoffdach dachte ich: Es tut gut, wieder nachhause zu kommen. Warum wird mir das nicht auch an ganz normalen Tagen bewußt? Ist dazu erst eine solche Reise nötig? Seltsam, daß man nicht immer wieder neu voller Dank dafür ist, sondern es nur dann so deutlich empfindet, wenn man eine Zeit lang weg war.
Als ich im Bett lag, konnte ich trotz aller Müdigkeit und Erschöpfung nicht schlafen. Noch immer waren meine Nerven auf die Regenschleier und die nasse Fahrbahn programmiert, noch immer gingen mir die Diskussionen, Gedanken und Beschlüsse der letzten Tage durch den Kopf, das innere Schwungrad wollte nicht zum Stillstand kommen. Ich wünschte mir, auch in solchen Situationen könnte ich ganz einfach den Zündschlüssel herumdrehen und die Stille wäre auf einmal da.
Oft, wenn ich abends ausgelaugt nachhause kam, war es mir so gegangen und ruhelos hatte ich mich im Zurückdenken gefragt, was ich denn an diesem arbeitsreichen Tag nun wirklich Wichtiges, Wesentliches, Bleibendes getan und bewegt hatte und die Bilanz fiel so manches mal schlecht aus. Ich kam mir vor wie der Hamster meines damals noch kleinen Sohnes: Unermüdlich im Laufrad rennend, meinend, er hätte wer weiß was geschafft, nur von der Stelle war er nicht gekommen.
Es war mein großes Problem. Gestreßt und nervös wußte ich, daß ich eigentlich in die kontemplative Stille müßte. Aber genau in solchen Situationen ist es kaum möglich, weil wir vor lauter Angespanntsein keine Ruhe finden.
Ich hetzte beim Arbeiten, beim Essen, ich hetzte beim Lesen und so geriet alles zur Hektik mit der Folge: Wenn jemand kam und mich unterbrach, wurde ich ungehalten und überlegte im Geheimen, was ich alles hätte schaffen können, genau und gerade in der Zeit, die der andere mir eben wegnahm und er spürte meine negativen Gedanken.
Was hatte neulich ein guter Freund ehrlich und besorgt zu mir gesagt: „Karlheinz Binder, Du brauchst Erlösung von Dir selbst, von Deinen Erwartungen, von Deinen falschen Prioritäten, von Deiner Atemlosigkeit, von Deinem Ego-Drive, der Dich nicht zur Ruhe kommen läßt“.
Stefan Skirl, erfolgreicher Buchautor und Psychologe, hat sich intensiv mit dieser Frage befaßt und festgestellt, daß sich viele Manager in ihrem Versuch, inneren Frieden zu finden, völlig falsch verhalten. Sie rennen morgens durch den Wald, essen Margarine statt Butter und versuchen so, über eine bessere körperliche Kondition eine bessere seelische Disposition zu bekommen, denn in einem gesunden Körper, da muß auch ein gesunder Geist wohnen und ein gesunder Geist macht eine gesunde Seele, oder?
Nur bei wenigen wächst die Einsicht, daß man das Problem dort angehen muß, wo es entsteht: Im gottleer gewordenen Raum der Sinnfrage unseres Lebens, eines Daseins, das seinen Halt in der Selbstbestätigung, dem Erfolg und in der Reputation findet.
Einer, der permanent unter Dampf steht, der keine Pausen und keine Muße hat, unfähig dazu geworden, der gleicht, wie jemand gesagt hat, einem Mann, der sein Auto nachts mit laufendem Motor in die Garage stellt und sich irgendwann über den Kraftstoffverbrauch und den Verschleiß wundert.
Da berichtete die Süddeutsche Zeitung über ein Angebot für „Faulenzer-Seminare“, wo man endlich wieder lernen soll, einfach nichts zu tun und das kostet dann auch noch eine Menge Geld: Dreitausendfünfhundert Mark für zwei Tage!
In den Volkshochschulen gibt es ein großes Angebot an Techniken und Methoden, wie Menschen zur Ruhe und zur Stille kommen: Entspannungsübungen, Yoga, Autogenes Training, Meditation. Aber was sie erzeugen, ist Ruhe anderer Art als die, von der zum Beispiel die Bibel spricht.
Ruhe im biblischen Sinn ist immer mit innerem Frieden verbunden und innerer Frieden heißt Frieden mit Gott.
In einer Zeit der immer hektischer ablaufenden Wandlungen ist und bleibt Gott der Ewige, Treue, Beständige, Unwandelbare.
An die Ruhe- und Rastlosen, an die mit den verschobenen und deformierten Lebensinhalten, an die mit dem verlorengegangenen Sinnhorizont, ersetzt durch materielle Ziele, schreibt der Prophet Micha besorgt und ohne Beschönigungen: „Du wirst essen und doch nicht satt werden. Und was Du an Vorräten und Sicherheiten schaffst, kann Dich im Letzten nicht retten, denn Du hast Dich nach den Handlungsweisen und dem Denken derer gerichtet, die nichts von mir, Deinem Schöpfer und Gott, wissen, darum wird alles was Du tust ohne Frucht und ohne Gültigkeit bleiben“.
Deshalb ist Stille so notwendig. Deshalb ist Nachdenken so wichtig, Besinnung über die Art und Weise, wie wir leben und was wir mit der Frage nach Christus anfangen.
Glauben wir wirklich, daß Gott sich mit der Antwort zufriedengibt, wir hätten vor lauter Arbeit und Streß weder die Zeit noch die Ruhe dazu gehabt?
Karlheinz Binder