206. Werte – aber woher?
Mittwoch, 12. Januar 2011 | Autor: intern
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Hansjürg Stückelberger
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Wir brauchen Werte. 16-jährige Jungen und Mädchen betrinken sich regelmäßig; Gewalt unter Jugendlichen in den Schulen ist an der Tagesordnung. Längst macht sich ein Gefühl der Unsicherheit und Angst breit. Der Wirtschaftsoptimismus hat sich in den Krisen in Luft aufgelöst. Was wird aus unserem Land, wenn sich der Trend so weiterentwickelt? Verlieren wir dann nicht mehr als nur „Moral“?
Die Finanzkrise hat es an den Tag gebracht. Europa braucht Werte. Denn die Krise ist nicht ausschließlich ein Problem von geldgierigen Bankern. Sie hat auch einen allgemeinen moralischen Aspekt. Der Krise voraus ging der Wertezerfall, der nicht nur bei den Bankern Spuren hinterlassen hat. Und die Krise kam nicht über Nacht. Grundlegende Werte sind absichtlich zerstört worden. Die Philosophie der 68er-Revolution (Herbert Marcuse) bezeichnete die Familie als das System der Versklavung: Der Mann unterdrücke die Frau, die Eltern unterdrücken die Kinder. Für seine Entfaltung brauche der Mensch schrankenlose Freiheit, auch schrankenlose sexuelle Freiheit. Haben nicht viele Jugendliche von den Erwachsenen gelernt? Mir als Pfarrer tut es weh, dass kirchliche Kreise beim Werteabbau, welcher der 68er-Bewegung folgte, zum Teil kräftig mitgeholfen haben.
Das Resultat hat der ehemalige Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Peter Hasler, leider ziemlich treffend zusammengefasst, als er erklärte, die Kirchen hätten ihre Funktion zur Orientierung der Öffentlichkeit verloren. Dieser Moralabbau hat bei vielen ein Gefühl der Enttäuschung und ohnmächtiger Wut hervorgerufen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass Bücher und Zeitungsartikel sich mit dem Thema Werte befassen. Werte haben anscheinend Hochkonjunktur. Kaum eine große Zeitung, die ihren Lesern nicht Stoff für eine Wertediskussion liefert. Doch gerade diese Diskussionen machen schmerzhaft deutlich, wie umfassend unsere Werteverwirrung und Orientierungslosigkeit geworden sind.
Was ist ein Wert:
Sind Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit, Höflichkeit, Toleranz, etc. gute Eigenschaften, also Tugenden oder Werte? Sind Werte dem Wandel der Zeit unterworfen? Gab es Werte, welche für unsere Großeltern wichtig waren, für moderne Menschen aber belangslos sind? Sind Werte vom Einzelnen abhängig? Darf, oder muss jeder seine Werte selbst bestimmen? Werte, die jeder auch wieder selber abschaffen kann? Oder brauchen wir doch allgemein verbindliche Werte? Werte, die für alle gelten, für Ehe, und Familie, für Politiker, Konzernvorstände, Fließbandarbeiter, Beamte, Mitglieder des Bundestages, Chauffeure und Journalisten?
Gibt es absolut gültige, zeitunabhängige Werte? Wenn ja, wo finden wir sie?
Wer sagt uns, was unveränderbare, vielleicht sogar ewige Werte sind, auf die wir uns verlassen können, weil sie uns helfen, unser Leben sinnvoll zu gestalten?
Unser Begriff „Wert“ stammt vom mittelhochdeutschen Wort „Werder“ und bezeichnet eine Flussinsel oder einen Landstrich, der auch bei Hochwasser nicht überschwemmt wird. In einigen deutschen Städten gibt es noch heute eine Region, die Werder genannt wird. Auf den „Wert“ kann man also sichere Häuser bauen. Jede Gesellschaft lebt von festen Werten, sonst hat sie keinen Bestand. Gewiss kann und muss auch jeder für sich selbst Werte wählen, nach denen er lebt, die nicht für alle anderen Gültigkeit haben müssen. Aber für eine Gesellschaft, die sich im Wechsel der Geschichte und in den Auseinandersetzungen unserer globalisierten Wirtschaft bewähren will, sind bleibende und allgemein verbindliche Werte unverzichtbar.
Gerechtigkeit
Es gibt solche tragenden Werte. Das Fernsehen ist voll von Kriminalfilmen. Dabei weiß der Zuschauer genau, dass am Ende die Gerechtigkeit siegen wird. Sonst ist es kein guter Krimi. Schon kleine Kinder haben einen ausgesprochenen Sinn für Gerechtigkeit. Das wissen alle Eltern und jede Lehrkraft. Jeder Rechtsstaat ist auf diesem Gefühl für Gerechtigkeit aufgebaut, das in jedem Menschen vorhanden ist. Das Bewusstsein von Gerechtigkeit ist also dem Menschen angeboren. Zwar kommt es häufig vor, dass unter dem Einfluss von Tradition und Kultur Menschen über ein und dieselbe rechtliche Frage zu sehr unterschiedlichen Urteilen gelangen. Aber wir finden in allen Menschen ein Rechtsempfinden. Und nicht nur das. Alle Menschen wollen, dass Gerechtigkeit hergestellt wird, auch wenn die Umsetzung in der Praxis sehr unterschiedlich ausfallen kann. Es lebt also in allen Menschen ein moralisches Gesetz, das der Mensch nicht selbst gemacht hat. Es gibt also Ordnungen, die nur von dem stammen können, der den Menschen geschaffen hat. Wer da rauf baut, setzt auf einen ewigen Wert.
Kostspieliger Werteverfall
Wer das nicht tut, muss dies teuer bezahlen – der Moralabbau hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Sozialkosten in allen europäischen Ländern in den letzten 15 Jahren explodiert sind. Er kostet den Steuerzahler Milliarden. Aber wir können den Zerfall der Werte nicht lösen, indem der Staat immer mehr Polizei, Sozialarbeiter, Psychologen und Berater anstellt und immer neue Überwachungssysteme einrichtet. Vieles, was in dieser Hinsicht geschieht, ist gut und leider nötig. Aber vieles ist nur Symptombekämpfung, also eine Scheinlösung zu Lasten der öffentlichen Hand. In den ganzen Diskussionen um die Finanzkrise vermisse ich eine selbstkritische Einsicht. Europa, nicht nur die Finanzindustrie, hat ein großes Problem, nämlich ein massives Wertedefizit. Wir müssen das Übel an der Wurzel behandeln. Europa braucht eine christlich- abendländische Reform. Nur so kann es seine Zukunftsfähigkeit wieder gewinnen.
Mit diesem Magazin und den begleitenden Hilfsaktionen wollen wir mithelfen, jene Ordnungen wieder zu entdecken, aus denen Europa entstanden ist, und auf die wir unsere Zukunft bauen können. Das sind Ordnungen, die ihren Ursprung im Schöpfer haben, die Schöpfungsordnungen. Das sind keine Beschränkungen oder gar Fesseln. Im Gegenteil. Sie helfen zu einer sinnvollen Entfaltung der Persönlichkeit, zu einem erfüllten Leben und einem gesellschaftlichen Zusammenleben in Frieden, Wohlstand und Lebensfreude. Die Schöpfungsordnung, erläutert und präzisiert durch die christliche Offenbarung, gibt uns sichere Werte. Wenn viele sich dar- auf ausrichten, – und wir sind ja nicht allein – wird ein Umdenken in Deutschland und in Europa gelingen.
Was praktisch tun?
Wenn Sie diese hier aufgelisteten Werte als solche anerkennen, dann fordern Sie diese in Ihrem Lebensumfeld auch ein.
Nicht mehr länger schweigen!
Das beginnt bei scheinbar belanglosen Gesprächen mit Freunden und Bekannten. Sprechen Sie aus, was Sie denken – bezeichnen Sie etwas als schlecht, was Sie als solches empfinden. Bringen Sie ein, wofür Sie eigentlich sind. Sagen Sie es aber entspannt und lassen Sie die Meinung des anderen gelten, auch wenn Sie in Ihren Augen nicht richtig erscheint…nur nicht mehr schweigen, darum geht es! Damit beginnt die Umgestaltung der Gesellschaft.
Sieben Werte für Frieden, Wohlstand und Lebensfreude
► Menschenwürde
Gott hat den Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen. Diese Würde zeichnet ihn vor allen anderen Geschöpfen aus und begründet seine Menschenrechte.
► Gerechtigkeit
Das in der Menschenwürde begründete Selbstwertbewusstsein jedes Menschen fordert Schutz, indem Unrecht angemessen bestraft wird.
► Solidarität/Nächstenliebe
Nächstenliebe und solidarische Gesellschaftsstrukturen bauen Glück und Wohlstand für alle auf.
Vater-u.Sohn-sabrina-gonstalla_pixelio.de
► Freiheit
Jeder Mensch kann mit Gott in persönlicher Beziehung stehen. Darum hat er den Menschen Freiheit zur Selbstbestimmung gegeben, die an der Freiheit der Mitmenschen und dem göttlichen Willen ihre Grenze findet.
► Ehe und Familie
Ehe und Familie sind die von Gott vorgesehene Ordnung, aus der menschliches Leben in Geborgenheit entsteht, heranreift und ohne die es Gemeinschaft und Gesellschaft nicht gibt.
Bund fürs Leben_web_R_B_by_JMG_pixelio.de
► Recht auf Leben
Da alle Menschen ohne Einschränkung mit derselben Würde ausgezeichnet sind, haben auch alle Schwachen und Ungeborenen ein unantastbares Recht auf Leben.
► Toleranz
Das friedliche Zusammenleben von freien Menschen mit unterschiedlichen Standpunkten ist nur mit gegenseitiger Toleranz möglich. Diese Toleranz schließt gewalttätige und totalitäre Intoleranz aus.
Wenn wir Werte wiederentdecken wollen, dürfen wir den Blick vor akuten Problemen unserer Tage nicht verschließen. Wir sollen uns auch nicht scheuen, zu den bewährten Wurzeln unserer Kultur zurück zu finden.
Welche Instanz ist angemessen, um festzulegen, welche Inhalte unserer Gesellschaft tatsächlich tragfähige Werte sind? Unterliegt das der freien Wahl des Einzelnen, entscheidet das die EU? Oder können wir auf eine höhere Instanz zurückgreifen?