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10. Welche Haltung sollten Christen dem Staat gegenüber einnehmen?

Donnerstag, 17. September 2009 | Autor:

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Verfasser Horst Stricker Kempten

Im Superwahljahr machen sich auch Christen viele Gedanken über Staat und Politik. Das ist gut so. Denn wir leben ja noch nicht im Himmel. Und unser aller Existenz wird Tag für Tag davon beeinflusst, was Staat und Politik entscheiden und gestalten.

Insofern können wir uns aus politischen Fragen nicht heraushalten und einen vermeintlich neutralen Boden einnehmen. Gerade auch die biblische Botschaft, die ja alle Lebensbereiche umfasst, klammert die öffentlich-politische Seite unseres Menschseins keineswegs aus:

Da ist die Rede von Völkern, Königen, Kaisern, Steuern, Volkszählung, Krieg, Soldaten, Richtern, Macht, Autorität, Obrigkeit usw. Und der entscheidende Satz von Paulus über den Staat und sein Politik lautet: „Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatliche Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes…“(Römer 13,1-2)
Auf diesen Hintergrund wollen wir nun der Frage nachgehen, wie wir uns als Christen heute gegenüber dem Staat und seiner Politik verhalten sollten? Ja, worin müssten sich Christen in ihrem Verhältnis zum Staat auszeichnen?

Sechs Einstellungen möchte ich hier zur Sprache bringen:

1.Dankbarkeit

Christen sollten sich trotz aller politischen Mängel und bürgerlicher Politikverdrossenheit dem Staat gegenüber dankbar erweisen. Denn er ist es, der durch „obrigkeitliche Gewalt“ das Böse in Schranken hält, die Bürger schützt, der Wirtschaft Gestaltungsraum gewährt, die großen Aufgaben der Gesellschaft wie Schule, Bildung, soziale Sicherheit, Verkehrspolitik, Ökologie, Sicherung der Religions-Presse- und Versammlungsfreiheit usw. wahrnimmt.
Selbstverständlich macht der Staat auch Fehler. Und manche Entscheidungen verdienen die gesellschaftliche Kritik – ja die politische Opposition!
Christen wissen aber aus ihrer heilsgeschichtlichen Schau, dass kein Staat vollkommen ist und die beste Partei kein Paradies auf Erden schaffen kann. Die sogenannten Staatsdiener sind auch nur Menschen. Sie können das Mögliche, nicht aber das Unmögliche tun! Die Verantwortung die sie aber tragen, ist enorm; der Einsatz, den sie bringen, übersteigt in der Regel die Kraft und Fähigkeit der meisten von uns! Sollten wir ihnen daher nicht außerordentlich dankbar sein?

Ich denke, es wäre zeichenhaft für uns Christen, wenn wir uns auch beispielsweise von der deutschen Mentalität ständiger Nörgelei und Kritik am Staat entschlossen distanzieren. Die Bibel sagt uns, dass wir Gott danken sollen „für Menschen, für die Könige und für die Obrigkeit…“(1.Timotheus 2,1-2) Selbst dann ist Dank angesagt, wenn uns die Regierung persönlich nicht gefällt und manches auch objektiv kritikwürdig ist. Denn hinter dem Staat steht Gott selbst, durch den er uns dient.

2.Achtung

Dankbarkeit gegenüber den Regierenden ist aber nur möglich, wenn wir sie achten und ehren: „…ehrt den König!“(1.Petrus 2, 17)
In der Demokratie haben wir weiterhin die Achtung vor den Institutionellen vor öffentlicher Autorität verloren. Der Zeitgeist hat alle gesellschaftlichen Zusammenhänge individualisiert, so dass auch der inkompetenteste Mensch Politiker verunglimpfen, beschämen und missachten kann. Wenn man zum Beispiel gewisse Zeitungen und Illustrierte liest, kann man sich oft des Eindrucks nicht erwähren, dass Reporter aus irgendeiner Ecke wieder Dreck hervorgezogen haben, um ihn gegen missliebige Personen des Staates zu schleudern. Wie viele Politiker sind nachweislich durch Presseverleumdungen „Unmöglich“ gemacht worden!
Eine Demokratie, die nicht von Würde, Achtung und Grundvertrauen gegenüber den Staatsdienern getragen wird, löst sich zunehmend auf und zerstört damit jede staattragende Autorität: Der Pöbel beginnt zu regieren und die staatlichen Strukturen auszuhöhlen. Wir stehen als Deutsche mitten in diesem Prozeß der „Unterwanderung der Institutionen“, der 1968 begonnen hat. Ihre Grundhaltung war Rebellion! Heute ernten wir nicht umsonst Perversion, Familienzerfall, Suchtwellen, Gewalt und Werteverlust.
Umso mehr sind wir Christen von Gott aufgefordert, Obrigkeit zunächst grundsätzlich zu akzeptieren und ihr unsere Achtung zu bekunden, denn: „sie ist Gottes Dienerein, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst: Sie ist Strafgericht an dem, der Böses tut“.(Römer 13,4)
Achtung bedeutet hier nicht, dass wir alle Politiker sympathisch finden. Unsere Akzeptanz gilt ihrer von Gott aufgetragenen rechtstaatlichen Aufgabe: nämlich das Böse zu ächten und das Gute zu loben(vgl. 1.Petrus 2, 13 ff). Damit also die Gesellschaft nicht dem gesetzlosen Chaos verfällt, sollen wir die achten und ehren, die die „Notordnung Gottes“ in einer gefallenen Welt aufrechterhalten!
Dazu gehört auch die Polizei. Ihr wird schweres, oftmals bitteres Geschäft zugemutet, wenn sie in brisanten Straßenschlachten und anderen Gefahrenzonen Leib und Leben riskieren muss.

3.Mitverantwortung

Den Staat und seine Träger zu achten darf natürlich nicht als kritiklose Unterwürfigkeit verstanden werden. Leider haben sich gerade Christen oftmals so verhalten. Jemanden zu achten und zu ehren bedeute doch nicht, dass ich alles gutheiße und willenlos hinnehme. Damit wäre auch dem Staat nicht gedient. Wenn schon der Prophet Jeremia den in der Zerstreuung lebenden Juden in Babylon aufträgt, der Stadt Bestes zu suchen(Jeremia 29,8), dann gilt das erst recht uns Christen, die wir in einer freiheitlichen Demokratie leben. Paulus und Petrus sprechen davon, dass wir als Jünger Jesu in der Gesellschaft Gutes tun sollen. Das heißt, die Politik unseres Staates nicht bloß „erdulden“ und als böse Welt abtun, sondern sie mit den Kräften und Taten unseres Glaubens heilsam durchdringen.

Das könnte konkret heißen: Als Christen sind wir uneigennützige Arbeitnehmer, die auch das Wohl des Betriebes im Auge haben. Als Christen sind wir disziplinierte Autofahrer, die sich in ihrer Fahrweise vorbildlich verhalten. Als christliche Lehrer(innen), Kindergärtnerinnen, Sozialpädagogen(-innen) und Therapeuten(-innen) handeln wir nicht nur fachlich verantwortlich, sondern auch aus Einsicht in Gottes Wort und Geist. Als christliche Väter und Mütter lassen wir unsere Familien, nicht im Trend unserer Zeit verkommen, sondern sind bemüht, die wichtigste Zelle der Gesellschaft aus der Kraft des Evangelium zu gestalten. Als Christen, die sich auch der Massenmedien bedienen, scheuen wir uns nicht vor ermutigenden und korrigierenden Stellungnahmen in Leserbriefen und bei Fernsehanstalten.
Ob wir als christliche junge Männer zur Bundeswehr gehen oder Zivis sein möchten, ist nicht so entscheidend. Was zählt ist, ob wir „mit Jesus“ an diesen Plätzen stehen, uns vom Heiligen Geist leiten lassen und das Evangelium leben!
Darüber hinaus braucht unsere Gesellschaft – besonders heute – Modelle des Guten – von Christen aufgebaut! Es gibt viele Gemeinden in unserem Land die Kindergärten, Seniorenheime, Diakoniestationen, Cafes usw. aufgebaut haben, um das Evangelium der Gesellschaft zeichenhaft zu vermitteln.
Es wäre auch wünschenswert, wenn wir uns mit den Gedanken vertraut machen, dass der Heilige Geist Christen direkt in die Politik ruft. Warum nicht? Wenn sie von Gott ein Mandat mit Weisheit und Sachverstand haben, können sie außerordentliche Segensträger für das ganze Volk sein.

4.Evangelisation

Die Mitverantwortung der Christen in Staat und Politik darf nicht so missverstanden werden, als habe die Gemeinde Jesu als solche einen direkten politischen Auftrag wahrzunehmen. Viele Pfarrer und Kirchen „verdrehen“ an dieser Stelle das Evangelium: Sie verkündigen nicht mehr, sondern politisieren. Sie verkürzen das Wort Gottes auf allzu irdische, ja tagespolitische, Zusammenhänge.
Gerade Martin Luther war es, der im Anschluss an die biblische Botschaft die „Zwei-Reiche-Lehre“ entwickelte. Sie bedeutet, dass Gott sozusagen mit zwei Armen sein Regiment ausübt: Mit der „linken Hand“ bedient er sich aller staatlichen-obrigkeitlichen Autoritäten, um das natürliche und irdische Reich aufrechtzuerhalten und vor den Chaosmächten des Bösen zu schützen. Dazu hat Gott dem Staat die entsprechende Machtmittel(„Schwert“ = Justiz, Polizei, Soldaten etc.) anvertraut. Auf diese Weise bewahrt der Herr die Gottlosen vor möglichen, selbstverschuldeten, Untergang.
Mit seiner „rechten Hand“ leitet ER die Seinen, das Volk Jesus Christi – die Gemeinde. In ihr regiert Gott nicht mit dem „Gesetz des Schwertes“, sondern mit dem „Gesetzt des Geistes“ – dem Evangelium.
Es wäre – nach der Bibel, Martin Luther, Bismarck und anderen – ein grobes Missverständnis, wenn nun die Kirche Jesu Christ anfinge, die Welt mit dem Evangelium(Bismarck: der Bergpredigt) zu regieren! Das liefe auf einen fatalen Idealismus hinaus. An dieser Stelle sehe ich zumindest die Gefahr, dass die momentanen kleine christlichen Parteien Evangelisation mit Politik verwechseln!
Evangelisation bis in die Politik hinein – das ist es, was unser Gesellschaft heute dringend braucht. Politik macht neue Gesetze, durch Evangelisierung aber schafft Gott neue Herzen. Durch das Evangelium wirkt er Vergebung, Versöhnung, Heil, Erneuerung und Sinngebung.
Wenn Christen nach ihrem Hauptauftrag in Gesellschaft, Staat und Politik fragen, dann ist es die unverwechselbare Aufgabe der Evangelisierung. Nicht um MACHT auszuüben, sondern um Menschen für das Reich Gottes zu gewinnen, ohne das sie ewig verloren wären! Diesen menschenfreundlichsten aller Dienste hat uns Jesus aufgetragen. Wahl dem Staat und dem Volk, das diesen rettenden und heilenden Dienst der christlichen Gemeinde zulässt und fördert:

So könnte es durch die Kraft des Evangeliums passieren, dass Hunderttausende ihr Leben Jesus geben: Betrüger des Finanzamtes, Drogen – und Alkoholabhängige, Ehebrecher, Homosexuelle, Ladendiebe, Verkehrsrowdies, Terroristen, Abtreibungsbefürworter, politische Amigos und sonstige „Weiße-Kragen-Täter“. Was wäre das für ein Segen für Staat und Gesellschaft!
Können wir uns vorstellen, dass Gott sein Volk so heilsam gebrauchen will? Ja – das will ER! Es gibt kirchengeschichtliche Beispiele zuhauf, die das längst belegt habe! Schon dann, wenn nur ein Ehemann oder eine Ehefrau Jesus als ihren Retter annehmen, kommt eine ganze Familie, eine große Verwandtschaft, möglicherweise sogar ein ganzes Dorf unter heilsamen Einfluss. Welch ein Politikum!

5.Fürbitte

Ein weiter unverwechselbarer Auftrag der Christen in Staat und Gesellschaft ist das Gebet(1.Timotheu 2, 1-3). Es richtet sich nicht gegen die unsichtbaren bösen „territorialen Mächte“, sondern umschließt im Namen Jesu Christe alle Politiker und staatstragenden Autoritäten.
Christen beten für alle Institutionen und Personen, die um das Wohl der Menschen bemüht sind und er Gesellschaft Tag für Tag dienen. Sie brauchen mehr als andere Gottes Kraft und sein Bewahrung vor Arroganz, Korruption und Machtgehabe.
In der gezielten Fürbitte schalten wir Christen uns gleichsam in das Tagesgeschäft der Politik ein, ja wir regieren mit – durch Gottes Weisheit und die Inspiration des Heiligen Geistes. Auf diese Weise bewegen wir „Gottes rechten Arm“, der führend, lösend, befreiend, stärkend, aber auch erschütternd und richtend in die Geschicke der Welt eingreift. Der Fall der Mauer und der Absturz des kommunistischen Systems sind dafür beredte Beispiele.

An dieser Stelle brauchen wir fraglos mehr Überzeugungskraft, mehr Glauben mehr reale Erwartung und praktische Konsequenzen. Wenn die Fürbitte eine Art geistliche Intervention, eine reale Einflussnahme des Reiches Gottes in das Reich der Welt ist, dann sollten wir dieses Instrument mit größter Hingabe einsetzen.
Paulus betont in 1.Timotheus 2, 1 ff, dass die Fürbitte für Staat und Gesellschaft mindestens eine doppelte Auswirkung hat:
1. Gott erhält in der Gesellschaft den Frieden(„ruhiges und stilles Leben“), damit die Rahmenbedingungen für die Verkündigung des Evangeliums gewährleistet sind,
2. Gott „will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“.

Evangelisation und Fürbitte gehören also wesensmäßig zusammen. Es sind die beiden „Tragflächen“, mit denen die Gemeinde Jesu Christi die Höhen des Reiches Gottes einnimmt und Segen für Staat und Gesellschaft freisetzt.
Als Gemeinde sollten wir in diese Mandat Gottes noch mehr als bisher hineinwachsen!

6.Widerstand

Gibt es nun Situationen, in denen wir Christen der Obrigkeit gegenüber Widerstand leisten müssten?
Ich denke – ja! Und zwar dann , wenn der irdische Staat die Hoheitsgebiete Gottes antastet. Jesus sagt: Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört und Gott, was Gott gehört(Matthäus 22, 12). Wenn also eine irdische Autorität von mir etwas verlangt, worüber Gott allein das letzte Wort hat, dann werde ich mich als Christ dem Staat – oder welcher irdischen Autorität auch immer – widersetzen!

Das kann bedeuten,

  • den Wehrdienst zu verweigern,
  • den Abtreibungsgesetzen zu widerstehen
  • familienauflösenden Tendenzen den Kampf anzusagen
  • staatlicherseits zugelassene Perversion und Gewalt zu bekämpfen
  • für das Evangelium auch dann einzutreten, wenn uns das irdische Macht verwehren will

Als Petrus und Johannes von den religiösen Autoritäten an der Evangeliumsverkündigung gehindert wurden und man ihnen Einschränkungen auferlegte, reagierten sie angstfrei mit dem Wort: „Urteilt selbst, ob es vor Gott recht ist, dass wir euch mehr gehorchen als Gott“.(Apostelgeschichte 4, 19)
Noch leben wir in einem weltanschaulich neutralen Staat, der uns Christen jede Freiheit in der Verkündigung lässt. Dafür dürfen wir Gott danken und sie zum Wohl Deutschlands mutig und kreativ nutzen.

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Thema: Christ und Politik

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2 Kommentare

  1. 1
    edgar wittgenstein 

    Hey Du/Ihr
    war auf der suche nach Bibelstellen zum Thema Politik und Wiederstand. Wenn wir in unsere Vergangenheit schauen (NS), dann sehe ich da schon Zeiten, in denen ein Aktiver Wiederstand angebracht war – oder haben diese Menschen gegen Gottes Wille gehandelt? Vielleicht leben wir schon lange nicht mehr in einer „freiheitlichen Demokratie“?

    mfg ew

  2. 2
    intern 

    Lieber Edgar,
    sicher kann man dazu viele Meinungen haben. Für mich als Christ gilt immer nur dass was Jesus getan hat. Hat er sich gegen das herrschende römische System aufgelehnt? Nein! Ich muss zugeben, dass ich in dieser Hinsicht noch viel von Jesus lernen muss.

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