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236. „Und dann stehst du vor Gott …!“

Freitag, 21. Januar 2011 | Autor:

Gemälde Anbetung Hannes Stets

 

„Und dann stehst du vor Gott …!“

Gott wird uns einmal fragen …

Im Zug saß er eine Reihe vor mir, und obwohl ich ihn nicht sehen konnte, war es unmöglich, ihn nicht zu überhören. Und was ich zu hören bekam, störte mich vom ersten Moment an. Ich bin normalerweise ein freundlicher Zeitgenosse. Doch wenn es um pausenloses „Um Gottes Willen“, „o Gott, o Gott“, „Ach Gott nochmal“ und ähnliche Gedankenlosigkeiten geht, werde ich fast immer nervös, wenn sie lautstark vorgetragen werden auch etwas agressiv. Zuerst wollte ich einfach weghören – keine Chance. Dann lagen mir ein paar spitze Bemerkungen auf der Zunge – „das kommt genauso schlecht!“ mahnte mich meine Frau zu Recht. Aber irgendetwas muss man doch tun, dachte ich reichlich genervt, aber auch schon ein bisschen resigniert, denn die genannten Phrasen hörten nicht auf, sondern verstärkten sich eher noch. Da mir nichts Vernünftiges einfiel, blieb ich schließlich gegen meinen inneren Impuls sitzen, bis sich das Problem an einer der nächsten Haltestellen von selbst löste. Als ich am Abend noch einmal über diese Begebenheit nachdachte – etwas frustriert und auch ein bisschen beschämt – wurde ich an einige Sätze erinnert, die man im Lübecker Dom entdecken kann. In Stein gemeißelt steht da:

Ihr nennt mich Retter – und lasst retten euch nicht.
Ihr nennt mich das Licht – und glaubt an mich nicht.
Ihr nennt mich den Weg – und geht ihn nicht.
Ihr nennt mich das Leben – und begehret mich nicht.
Ihr nennt mich Meister – und folget mir nicht.
Ihr nennt mich herrlich – und liebet mich nicht.
Ihr nennt mich weise – und fraget mich nicht.
Ihr nennt mich Herr – und dienet mir nicht.
Ihr nennt mich allmächtig – und vertrauet mir nicht.
Kenn ich euch einstens nicht – so wundert euch nicht.

Bernhard Matzel

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Thema: Denke einmal nach!

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