482. Nachdenkliches für Manager – Die Verwechslung 9-97
Montag, 19. Oktober 2015 | Autor: intern
Lieber Blog Besucher,
die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.
Die Verwechslung
Als der Infrarot-Sensor mein Nahen registrierte, setzte sich die chromblitzende Hotel-Drehtür lautlos in Bewegung, nahm mich förmlich in den Arm und leitete mich ins Foyer.
Die IVCG-Leute hatten ein Hinweisschild aufgestellt mit richtungsweisenden Pfeil nach links und ich folgte ihm.
An Ende einer Reihe gläserner Vitrinen, in denen örtliche Boutiquen ihre vornehmen Artikel präsentierten, standen fünf Herren, einander zugewandt im intensiven Gespräch. Als sie mich wahrnahmen, formierte sich die Gruppe zum Halbkreis, einer von ihnen kam mit strahlendem Gesicht auf mich zu, hielt mir die Hand entgegen und sagte: „Grüß Dich, ich bin der Erich!“
Ich lachte genau so herzlich zurück, antwortete mit einem langen, kräftigen Händedruck: „Und ich bin der Karlheinz“, während in meinem Hinterkopf ein intensives Suchprogramm startete. Mein Gehirn glich das optische Bild des vor mir Stehenden mit allen jemals gemachten Sinneseindrücken ab und checkte zugleich alle Gedächtnisinhalte über sämtlich Erichs, die ich jemals kennengelernt hatte.
Aber schon wieder ergriff einer energisch meine Hand, der zweite der fünf: „Ich bin der Friedhelm“, tönte er und renkte mir fast die Finger aus. Das gleiche Ritual vollzog sich mit der Nummer drei und Nummer vier, aber der fünfte musterte mich lange, intensiv und fast mißtrauisch und dann stellte er fest: „Du Erich, den kenne ich überhaupt nicht!“ Und wieder zu mir gewandt: „Hast Du wirklich damals bei Professor Winterfeld studiert?“
„Moment mal“, sagte ich und blieb unwillkürlich beim Du: „Seid Ihr denn nicht von der IVCG?“
„Wer ist das“?
„Die Internationale Vereinigung Christlicher Geschäftsleute.“
„Nie gehört, erkläre mal“. Und das tat ich dann, nicht ohne die abschließende Frage, mit wem, bitteschön, denn ich es zu tun hätte.
„Wir haben alle hier an der Uni vor genau fünfundzwanzig Jahren unser Diplom gemacht und dieses Jubiläum feiern wir heute“ erklärte Erich, und schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. Wir fühlten uns durch diesen Irrtum auf eine heitere Weise miteinander verbunden, stellten fest, daß wir uns mochten und der eine von ihnen, der mich so skeptisch angesehen hatte, meinte: „Du, bei uns wird es heute abend eine ganz große Fete geben. Wenn es bei Eurer IVCG langweilig ist, dann haust Du einfach ab und kommst zu uns rüber. Betrachte das als verbindliche Einladung!“
„Klasse“, sagte ich, „da gibt es nur ein Problem: Ich bin nämlich der Referent“. Und dann lachten wir sechs so laut, daß der Portier von der Rezeption besorgt herüberblickte.
Erich schlug mir auf die Schulter: „Auch wenn Du der Redner bist: Wenn es langweilig wird, hast Du erst recht einen Grund, Dich zu verdrücken, das Angebot bleibt bestehen, klar?“
Auf dem Weg zum Bankett-Raum erinnerte ich mich an mein eigenes Klassentreffen. Auch wir hatten bei der Abschlußfeier einander versprochen: Hier und heute in fünfundzwanzig Jahren! Und dann standen wir uns nach so langer Zeit tatsächlich wieder gegenüber, die meisten auf den ersten Blick erkennend, bei manchen ratlos, bis wir allmählich im Aussehen und der Gestik die Züge des anderen wiederentdeckten, seine Besonderheiten, seine Originalität, das, was ihn und nur ihn ausmacht.
Jeder von uns ist einmalig. Noch nie hat es Ihresgleichen und meinesgleichen gegeben und nie wird jemand existieren, der genauso ist wie Sie und ich. Wir sind genuine Schöpfung eines liebenden Gottvaters. Oder hätte er sonst die Mühe und Arbeit auf sich genommen, aus jedem von uns ein Unikat zu machen?
Andere mögen uns wohl verwechseln, er nicht, niemals.
Da war dieser Jeremia im Alten Testament. Sein Vater Priester, und sicherlich lag auch vor diesem jungen Mann eine klare, theologische Laufbahn.
Und dann ruft Gott ihn plötzlich und Jeremia ahnt, das ist das Ende der Alltäglichkeiten, der Bruch mit der Normalität und deshalb versucht er sich zu drücken: Erstens, Gott, habe ich kein großes Talent als Redner, und zweitens bin ich noch viel zu jung!
Und Gott sagt zu ihm: Erstens, Jeremia, sage nicht, du bist zu jung, und zweitens, ich kannte dich, ehe du gezeugt und geboren warst!
Einer unserer Kirchenväter hat es so gesagt: „Jeder Mensch ist ein Gedanke Gottes“.
Wir sind keine biologischen Zufallsprodukte, sondern erklärter Wille des Schöpfers und genau darin liegt unsere unverwechselbare Einmaligkeit, unser Wert und unsere Würde, eben das, was uns ausmacht. Und genau darin liegt unsere Verantwortung.
Wir sind die einzigen Lebewesen, denen Gott, der Unendliche, Ewige, Unfaßbare, sich durch seinen Sohn Jesus Christus verständlich und verstehbar gemacht hat. Wir sind die einzigen Lebewesen mit der Fähigkeit, darauf zu reagieren, Antwort zu geben. Und genau hier liegt für mich die Trennlinie: Ob einer groß ist, oder ob er Größe hat. Ob einer religiös ist oder Christ. Ob einer seine Identität in sich selbst, oder in Gott findet. Ob einer Person ist oder Persönlichkeit.
Bitte Selbsteinstufung !
Karlheinz Binder