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196. Die Würde des Menschen ist unantastbar – eine Farce

Freitag, 31. Dezember 2010 | Autor:

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Zum Geleit

Die Selbstbestimmung des Menschen und die Freiheit der Forschung sind wichtige Errungenschaften und hohe Rechtsgüter. So wie jeder einzelne Mensch für sein Tun verantwortlich ist, so müssen allerdings auch Forschung und Wissenschaft ethisch verantwortet werden. Nicht alles, was möglich ist, ist darum auch schon erlaubt. Auch die neuen Erkenntnisse der sogenannten Biomedizin über die Zusammensetzung des Menschen und die gentechnischen Möglichkeiten, in menschliche Grundstrukturen einzugreifen, entlassen niemanden aus dem Spannungsfeld von Freiheit und Verantwortung. Deshalb sieht sich die Deutsche Evangelische Allianz herausgefordert, in der Diskussion über ethische Grundfragen des Menschseins aus christlicher Verantwortung Stellung zu nehmen.

Die Würde des Menschen ist die Perle des Rechtsstaates
Die Würde des Menschen ist unantastbar

(eine Farce in Deutschland und der Welt)

Foto Lebensgeschichten.de foetus_11wochen2-k

 

– ein unaufgebbarer Verfassungsgrundsatz

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. Dieser oberste Verfassungsgrundsatz in Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes wurde, auch als Folge der Erfahrungen einer menschenverachtenden totalitären Herrschaft des Dritten Reiches, an die Spitze der deutschen Rechtsgrundsätze gesetzt. Im Gegensatz zu anderen Artikeln der Verfassung ist dieser Artikel auch nicht durch eine verfassungsgebende Mehrheit in den deutschen Parlamenten abänderbar (Artikel 79 Abs. 3). Wir sind aber in großer Sorge, dass trotz der gültigen Verfassungsgrundsätze die Würde des Menschen immer weiter angetastet wird.

Der Mensch ist keine menschliche Erfindung

– darin liegt seine besondere Würde
Wer seinen Ursprung vergisst, verliert leicht die Orientierung. Deshalb erinnern wir daran, dass der Mensch keine menschliche Erfindung ist. Die Erschaffung des Menschen war und ist Gottes Idee. Dabei sprechen wir von dem Gott, der uns in der Bibel als der Schöpfer des Universums und Vater Jesu Christi vorgestellt wird. Es ist ein besonderer Adel des Menschen, dass ihn dieser Gott am Schöpfungsauftrag beteiligt – „Seid fruchtbar und mehret euch“ (1. Mose 1, 28). Jeder neue Mensch, der durch die Vereinigung von weiblicher Ei- und männlicher Samenzelle gezeugt wird, hat seine eigene ihm von Gott gegebene Würde. Diese Würde kann und darf nicht davon abhängen, wie andere Menschen zu ihm stehen und über ihn denken. Weil jeder Mensch von Gott gewollt, bejaht und geliebt ist, kommt ihm eine unumstößliche Menschenwürde zu.

Der Mensch ist Mensch von Anfang an
– deshalb gibt es nur ein umfassendes Schutzkonzept

Mensch von Anfang an
– deshalb gibt es nur ein umfassendes Schutzkonzept
Es gehört zu den unbestrittenen Errungenschaften jeder humanen Gemeinschaft, dass das menschliche Miteinander nicht vom Recht des Stärkeren gegenüber dem Schwächeren geprägt sein darf. Deshalb muss es ein vorrangiges Rechtsprinzip in einer auch zukünftig lebenswerten Gesellschaft sein, dass der Staat den Schwächeren gegebenenfalls auch mit den Mitteln des Strafrechts schützt. In den Naturwissenschaften und der Medizin herrscht ein weitestgehender Konsens darüber, dass menschliches Leben mit der vollendeten Verschmelzung von Samen- und Eizelle beginnt. Im deutschen Embryonenschutzgesetz trägt der Gesetzgeber dieser Erkenntnis Rechnung, indem er bereits den frühesten Embryonen Menschenwürde zuerkennt mit allem damit verbundenen Schutz der staatlichen Gemeinschaft. Wir stimmen der wissenschaftlichen Erkenntnis zu, dass mit der unumkehrbaren Entstehung des neuen Genoms ein neues menschliches Leben beginnt. Aus biblischer Sicht ist die „Gottesebenbildlichkeit“ dem ganzen menschlichen Leben zugesprochen. Darin liegt auch die Menschenwürde begründet.

Jeder Mensch ist gleichberechtigt
– weil alle gleichwertig sind

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Das ist ein unumstößlicher Grundsatz demokratisch rechtsstaatlicher Gesellschaften. Innerhalb der menschlichen Gemeinschaft darf es daher keine Wertsetzung geben, die in ihren Konsequenzen zu einer erneuten Differenzierung zwischen mehr oder weniger lebenswertem Leben führt. Die ausdrückliche Präzisierung im deutschen Grundgesetz, dass auch Behinderte gleichberechtigt sind, ist eine konsequente Folgerung aus diesen Grundsätzen. Deshalb darf es auch keine minderen Menschen- und Schutzrechte für alte, behinderte, gebrechliche, kranke, sterbende und ungeborene Menschen geben. Keinem darf erlaubt werden, über das Leben anderer Menschen zu entscheiden.

Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht
– aber die Kranken brauchen Hilfe
– aber die Kranken brauchen Hilfe

Auch wenn der Begriff Gesundheit wissenschaftlich nicht eindeutig definiert werden kann, streben die Menschen zu Recht nach einem möglichst hohen Maß an Gesundheit. Kranke und Behinderte dürfen aber dennoch nicht weniger Rechte in unserer Gesellschaft haben als Gesunde. Deshalb muss auch weiterhin ärztliches Handeln in erster Linie auf Heilung, bei nicht oder noch nicht möglich erscheinender Heilung auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes von Kranken, ausgerichtet sein. Soweit dies nicht möglich ist, kann es nur darum gehen, Schmerzen und Leiden zu mindern. Die Verhinderung von Krankheit, Behinderung, Schmerzen und Leiden ist aber kein Ziel, für das anderes Menschenleben verbraucht werden darf; wie z.B. bei der Embryonenforschung. Deshalb sind auch medizinische Untersuchungen nur akzeptabel und zuzulassen, wenn und solange sie dem ärztlichen Heilungsauftrag dienen. Die ärztliche Pflicht, Leben zu ermöglichen und zu erhalten, darf nicht relativ werden. Insbesondere ist es nicht legitim die medizinische Wissenschaft und ärztliche Kunst zur Tötung von Menschen, irreführend „Hilfe zum Sterben“ genannt, zur künstlichen und beabsichtigten Beschleunigung des Sterbeprozesses oder zur Selektion zwischen lebenswertem und lebensunwertem menschlichen Leben zu missbrauchen.

Der Mensch im Mutterleib
– pränatale Diagnostik darf nicht zur Selektion führen

Die vorgeburtlichen medizinischen Untersuchungsmethoden (pränatale Diagnostik) lassen schon früh mögliche Behinderungen von Kindern im Mutterleib erkennen. Die Mitteilung von tatsächlichen oder auch nur möglichen Behinderungen und selbst die Veranlagung zum Ausbruch möglicher unheilbarer Krankheiten der noch nicht geborenen Kinder führt in den meisten Fällen dazu, dass Ärzte – schon um spätere eventuelle Haftungsansprüche auszuschließen – zu einer Abtreibung raten oder Eltern sich zur Tötung des Kindes im Mutterleib entschließen. Diese Selektion behinderter Menschen vor der Geburt widerspricht der Gleichwertigkeit allen menschlichen Lebens und der grundgesetzlich verankerten Gleichberechtigung. Da diese Tatsache von niemandem geleugnet werden kann, ist es oberste Pflicht aller Verfassungsorgane, wenn nötig auch durch Gesetzesänderungen, den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz Behinderter zu verwirklichen. Darüber hinaus fordern wir, dass die Methoden der pränatalen Diagnostik nur unter bestimmten Bedingungen zum Einsatz kommen dürfen, nämlich nach intensiver individueller fachlicher Beratung und zugleich mit der Absicht und der begründeten Aussicht, dass erfolgreiche medizinische Frühbehandlung möglich ist und die Eltern eine verantwortliche, zum neuen Leben ermutigende Begleitung erfahren. Insbesondere lehnen wir alle vorgeburtlichen genetischen Tests ab, die erst in späterem Lebensalter auftretende Krankheitsschicksale prognostizieren. Und es muss schließlich darüber hinaus einen Gewissensschutz für Ärzte, Eltern und Patientinnen geben, die auf pränatale Diagnosen ganz oder teilweise verzichten. Ihnen dürfen dadurch keine materiellen oder sozialrechtlichen Nachteile entstehen. Der Möglichkeit, dass sich Krankenkassen künftig durch eine Klage gegenüber Ärzten, die nicht zu einer Abtreibung raten und Eltern, die sich zum Austragen kranker oder behinderter Kinder entschließen, der Kostenübernahme für Krankenbehandlung und Behindertenpflege entledigen könnten, muss ein deutlicher Riegel vorgeschoben werden.

Der ungeborene Mensch außerhalb des Mutterleibes
– die Präimplantationsdiagnostik muss verboten bleiben

Der ungeborene Mensch außerhalb des Mutterleibes
–muss verboten bleiben

Wir sind der Überzeugung, dass Kinder eine Gabe Gottes sind. Das gilt für alle Kinder von Anfang an. Aber genauso wenig wie ein prinzipielles Recht auf Gesundheit geltend gemacht werden kann, so kann es auch
keinen Rechtsanspruch auf ein Kind oder gar auf gesunde Kinder geben. Wenn darum auch ärztliche Hilfe und Beratung nicht zur Erfüllung eines Kinderwunsches führen, müssen den wissenschaftlichen Möglichkeiten
künstlicher Zeugung Grenzen gesetzt werden bzw. bleiben. Deshalb treten wir insbesondere ein für ein Verbot

– der extrakorporalen Befruchtung durch In-Vitro-Fertilisation mit anschließendem Embryo-Transfer. Nur dadurch könnte auch die für die Zukunft der Menschheit nicht notwendige und darum entbehrliche Unterhaltung von Samenbänken, mit aller nach wie vor ungelösten Problematik, vermieden werden; ebenso die Einfrierung von Embryonen und dergleichen mehr.

– der Erzeugung von „überzähligen“ Embryonen zu Forschungszwecken. Zurecht dürfen derzeit in Deutschland auch bei einer extrakorporalen Befruchtung nicht mehr Embryonen erzeugt werden, als dann anschließend in die Mutter implantiert werden. Wir treten dafür ein, dass dieses durch das Embryonenschutzgesetz bestehende
Verbot nicht aufgeweicht wird.

– der Präimplantationsdiagnostik (PID). Denn sie ist eine Methode, deren eindeutiges Ziel es ist, „lebenswertes“ Leben von „lebensunwertem“ Leben zu unterscheiden. Solche Urteile über menschliches Leben verstoßen eindeutig gegen die Verfassung. Die Präimplantationsdiagnostik führt – noch viel mehr als die pränatale Diagnostik – todsicher zur Selektion von nicht gewünschten Kindern.

– der Forschung mit embryonalen Stammzellen.Wenn nun neuerdings darauf verwiesen wird, dass bei einer solchen Argumentation auch die Abtreibung logischerweise grundsätzlich verboten werden müsste, dann bejahen wir diese Konsequenz. Wir bitten die Politiker, die notwendigen gesetzlichen Folgerungen zu ziehen.

Jeder Mensch ein Original Gottes
– Absage an das Klonen von Menschen

Wissenschaftliche Neugierde und die Freiheit der Forschung rechtfertigen nicht, alles zu tun, was man kann und wofür es Interessen gibt. Deshalb ist die Herstellung genetischer Duplikate (Klonen) eines Menschen grundsätzlich und ohne Ausnahme abzulehnen. Gott, der Schöpfer, lässt uns zwar durch die liebevolle geschlechtliche Gemeinschaft zwischen Mann und Frau an seinem Schöpfungshandeln teilhaben. Dies ist jedoch keinesfalls ein Freibrief zur Selbst-Erschaffung des Menschen. Hier greift der Mensch vielmehr selbstherrlich nach Gottes Rechten. „Du, Gott, hast mich bereitet im Mutterleib“ (Psalm 139). Die Herstellung genetisch identischer Menschen im Labor bedeutet eine grundlegende Missachtung der Menschenwürde. Zudem sind die seelischen Folgen, die sich durch das Klonen von Menschen ergeben würden, nicht absehbar. Um des Menschen und der menschlichen Zukunft willen warnen wir vor einem neuen – jetzt biomedizinischen – „Turmbau zu Babel“. Darum müssen bereits alle Versuche zum Klonen unter Strafe gestellt werden.

Jeder Mensch hat das Recht auf Selbstbestimmung
– darum keine fremdnützige Forschung

Das vom Europarat verabschiedete Übereinkommen über Menschenrechte in der Biomedizin sieht u. a. Möglichkeiten fremdnütziger Forschungen an nicht einwilligungsfähigen Personen vor. Anstatt allen Versuchen entgegenzutreten, zwischen „lebenswertem selbstbestimmtem“ und nicht in gleichem Maße lebenswertem und darum fremdbestimmbarem menschlichem Leben zu unterscheiden, werden in Europa ganz offenbar ethisch unverantwortliche Grundsätze konsensfähig gemacht. Wir widersprechen, wenn z. B. dem Gesundheitsideal das Lebensrecht anderer Menschen, wie z. B. ungeborener Embryonen, im Mutterleib getöteter und dann abgetriebener Kinder und sterbender Menschen, untergeordnet wird.

Die Würde des Menschen hat kein Ende
– deshalb darf die Euthanasie nicht wieder eingeführt werden

In Europa wird wieder über die Begriffe „mindere Lebensqualität“ und „unwertes“ Leben diskutiert – und damit erneut Euthanasie ernsthaft als erlaubtes Handeln praktiziert. Wir erschrecken auch darüber, dass mitten in der rechtsstaatlich verfassten europäischen Staatengemeinschaft das Töten, die Beihilfe zum Töten, Töten auf Verlangen und selbst Töten ohne persönliche Einwilligung möglich geworden ist. Wer das Töten anderer Menschen als Hilfe zum Sterben bezeichnet, missbraucht den Begriff Hilfe und verschleiert damit sein unrechtmäßiges Tun. Grundsätzlich sind alle Formen von Euthanasie und die dann vielleicht bald auch diskutierte und gesetzlich verankerte „soziale Indikation“ zur Tötung schwerstpflegebedürftiger Menschen, bei Alten, Behinderten, behinderten Neugeborenen, Gebrechlichen und Kranken, für alle Zeiten zu ächten. Stattdessen sollten die vielfältigen Formen der Hilfen im Sterben (palliative Medizin, Hospize usw.) verbessert und ausgebaut werden.

Werteverlust führt zum Verlust der Menschenwürde
– wir dürfen unsere Wurzeln nicht vergessen

In der Diskussion um die Würde des Menschen erkennen wir: Unsere Probleme hängen eng damit zusammen, dass immer mehr Menschen immer weniger sich selbst und andere Menschen als Gottes Geschöpf betrachten. Sie sehen sich infolge dieser Entwicklung auch immer weniger für den Schutz der Menschenwürde verantwortlich. Der Gottes-Verlust führt langfristig zum Werte-Verlust: Humanität ohne Bindung an Gott kann auch zur Inhumanität gegenüber den Schwachen führen und deren Lebensrecht bedrohen. Wir können und wollen als Christen aus verschiedenen Kirchen gemeinsam mit Ernst darauf hinweisen, dass für alle Menschen, auch wenn sie sich nicht zum christlichen Glauben bekennen, Gottes Gebote und das biblische Menschenbild eine lebensfördernde Orientierung sowohl für das öffentliche als auch das private Handeln bieten. Dass dies der Fall ist, lehrt uns auch die Geschichte. Abendländische Kultur und Tradition ist ohne das Christentum und seine Werte nicht denkbar.

Deshalb erinnern wir daran, dass es einen wert-neutralen Staat nicht gibt, weil die sogenannte Neutralität entweder zu einem Werte-Vakuum oder zur ideologischen Fremdbestimmung und damit zum Verlust an Menschlichkeit führt. Das christliche Menschenbild bietet auch im 21. Jahrhundert die beste Orientierungshilfe für die zu treffenden ethischen Entscheidungen in einer humanen Gemeinschaft.

Deutsche Evangelische Allianz

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