479. Nachdenkliches für Manager – Ichthyologie 5-97
Montag, 19. Oktober 2015 | Autor: intern
Lieber Blog Besucher,
die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.
Ichthyologie (Was ist eigentlich Evangelium?)
Zuerst bemerkte ich in den Regenschleiern nur den ausgestreckten Daumen, der mir in gängiger Zeichensprache signalisierte, daß sein Besitzer gern mitgenommen würde.
Schon halb an ihm vorbei trat ich auf die Bremse, setzte zurück und machte, mich hinüberbeugend, die rechte Autotür einladend auf.
Der Anhalter schlug seine Anorak-Kapuze zurück und da erkannte ich ihn, es war der Sohn eines angesehenen und erfolgreichen Geschäftsmannes aus dem Nachbarort meines Wohnsitzes.
„Danke“, sagte er, „ich habe meinen Bus nicht mehr bekommen, weil wir heute in der Penne eine Abitur-Arbeit schreiben mußten. Die war so schwierig, daß ich bis zur letzten Minute voll zu tun hatte“.
Wir unterhielten uns die nächsten drei oder vier Kilometer über die Schule und ihren Streß und mir fielen dabei meine gelegentlichen Alpträume wieder ein: Manchmal, wenn ich nachts schlecht schlief, wiederholten sie sich. Ich saß mitten in einer Mathe-Arbeit und als ich den Umschlag mit den Aufgaben öffnete, waren das ohne Ausnahme solche, bei denen ich aus irgendwelchen Gründen im Unterricht gefehlt hatte. Schweißgebadet und fast panisch starrte ich ratlos auf das Papier, bis ich ebenso schweißgebadet aufwachte und mir drei- oder viermal sagte: Ruhig, ganz ruhig, das hast Du alles hinter dir! Dann wurde mein Herz allmählich wieder frei. Und als der junge Mann von der rigorosen Anspannung bei seinem Abitur erzählte, konnte ich seine Situation lebhaft mitempfinden und miterleiden.
„Übrigens“, wechselte er plötzlich das Thema, „was bedeutet eigentlich der Fisch neben Ihrem Nummernschild am Heck?“
Das ist ein Symbol, mit dem sich die Christen schon vor fast zweitausend Jahren gegenseitig zu erkennen gegeben haben.“
„Und warum haben Sie das selber am Auto?“
„Weil ich Christ bin“, sagte ich, „eben nicht christlich, sondern Christ“.
„Und wo liegt da der Unterschied?“
„Nun, einer der wirklich Christ ist, lebt vom Evangelium her, weil…“, aber an dieser Stelle unterbrach er mich: „Was verstehen Sie unter Evangelium?“
Ich sah ihn verblüfft von der Seite an: „Das Neue Testament. Kennen Sie es nicht?“
„Meinen Sie damit die Bibel?“ war seine Reaktion.
Ich nickte mit dem Kopf und er ergänzte: „Es klingt vielleicht komisch, aber ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine Bibel in der Hand gehabt. Das sind alles für mich Fremdwörter“.
Wir waren angekommen. Ich hielt, wir gaben uns die Hand, er stieg aus und ließ mich irritiert zurück. Da hatte dieser achtzehn- oder neunzehnjährige einen intelligenten, tüchtigen, angesehenen Vater, eine kultivierte, kluge, gebildete Mutter, er selber stand mitten im Abitur, den Kopf gefüllt mit Erkenntnissen, Wissen und Weisheiten, aber er kannte die Bibel nicht. Nicht die Botschaft von Jesus Christus, die seit Jahrhunderten Basis für das Christliche Abendland war. Lebensinhalt vieler vor Gott großer Menschen. Namensgeber und Karteimerkmal für die überwiegende Mehrheit aller Einwohner Europas, die sich katholisch, evangelisch, reformiert, freikirchlich, methodistisch, anglikanisch, calvinistisch oder orthodox nannten und sich auch so betrachteten und mitten unter ihnen wachsen Menschen auf in absoluter Funkstille, wie in einem Faradayschen Käfig.
Wer hatte schuld?
Seine Eltern, die zwar für die gesicherte materielle und intellektuelle Zukunft ihres Sohnes gesorgt hatten, aber nicht für seine Seele und deren Heil?
Er selber, weil er sich nie die Zeit genommen hatte, über das Alltägliche hinauszudenken und sich zu fragen, ob Leben nicht einen Sinn haben sollte, haben muß?
Seine Umgebung, die über alles redet, kein Thema mehr als tabu empfindet bis auf dieses eine: Jesus Christus?
Wir alle, die wir uns Christen nennen, es aber kaum mehr sind, weil wir die letzten Worte des Jesus, seinen Marschbefehl, ignorieren: „Gehet hin in alle Welt und verkündigt die Gute Nachricht: Wer zum Glauben kommt und sich taufen läßt, wird gerettet!“
Um dieses einen jungen Menschen und um der vielen anderen werden wir uns als Eltern, Freunde, Vorgesetzte, Nachbarn, vor allem aber als Christen zu verantworten haben:
Warum es immer mehr Menschen gibt, die noch nicht einmal mehr wissen, ob das Wort Bibel nun mit „i“ oder mit „ie“ geschrieben wird.
Warum wir geschwiegen haben über die freimachende Botschaft, daß dieser Christus der Weg und die Wahrheit und das Leben ist.
Warum wir den jungen Menschen nichts gesagt haben von der Hoffnung und der Zuversicht, die Gott uns geben will, einer Zuversicht, die über das Jahr Zweitausend in die Ewigkeit reicht.
Frage: Weiß Ihr Sohn, weiß Ihre Tochter, weiß Ihr Ehepartner, wissen Sie selber, worum es im Christsein geht?
Wenn Nein, was dann?
Karlheinz Binder