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459. Nachdenkliches für Manager – Entscheidungsfragen 9-95

Sonntag, 18. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Entscheidungsfragen

Zweimal hatte ich ihm freundlich zugenickt, aber es kam keine Reaktion. Sein Blick ging quer durch den ICE-Großraumwagen inhaltslos an meinem rechten Ohr vorbei.
Entweder, dachte ich, ist er ganz weit weg mit seinen Gedanken, vertieft in irgendein Problem, oder er ist inzwischen kurzsichtig und hat vergessen, seine Brille aufzusetzen? Vielleicht erkennt er mich nicht wieder, nach so vielen Jahren, oder er will es auch nicht, weil ich für ihn eine Phase seines Lebens repräsentiere, an die er nicht so gerne denkt? Letzte Möglichkeit: Es ist überhaupt nicht der Werner Gundlach, sondern eine Verwechslung.
Sollte ich einfach hinübergehen und ihn fragen, ob er vor anderthalb Jahrzehnten bei einer bestimmten Firma war und mal einen Karlheinz Binder gekannt hat?
Aber während ich noch überlegte, verlangsamte der Zug seine Fahrt, eine Lautsprecherdurchsage kam, wir würden in wenigen Minuten Mannheim erreichen und da stand er auf, zog seinen Reisemantel an, nahm den Handkoffer oben aus der Ablage und ging. Leider in die Richtung von mir weg, sonst hätte ich ihn womöglich doch am Rockschoß festgehalten, denn inzwischen erschien es gewiß: Er mußte es sein.

Als er ausstieg, an meinem Fenster vorbeiging und Schritt für Schritt die Bahnsteigtreppe nach unten verschwand, stiegen in mir die Erinnerungen auf.
In seinem Unternehmen war er damals ein wichtiger Mann. Hoch intelligent, gelehrt und belesen. Ein brillanter Analytiker, präzise und gewissenhaft im Denken und genau deshalb vertraute man ihm ein besonderes Zukunftsprojekt an: Die Entwicklung eines kompletten Auftragserfassungs-, Produktions- und Abrechnungssystems mit Übernahme aller Werte in die Buchhaltung, mit Statistiken über Maschinenauslastung, mit genauer Nachkalkulation und Leistungsbilanz
Das waren jedenfalls die globalen Vorgaben.

Werner Gundlach wußte, daß er genau der richtige Mann war, ging mit Elan und Begeisterung an die Arbeit, holte sich zwei Mitarbeiter, später auch einen dritten. Sie nannten sich „Spezialteam Systementwicklung“, machten einen genauen Plan für ihr Vorgehen mit fünf Phasen: 1: Sammeln von Daten und Informationen. 2: Aufstellen eines Grobkonzeptes. 3: Präsentation vor der Geschäftsleitung und Freigabe. 4: Detailausarbeitungen mit Stufen und Richtlinien, das neue System einzuführen und endlich 5: Realisierung, aber dazu kam es nie, denn Werner Gundlach erschien das Problem so wichtig, daß er meinte, verbindliche Aussagen und Vorschläge erst dann machen zu können, wenn ihm alle Aspekte bekannt waren. Er kaufte Stapel von Fachliteratur, studierte Dissertationen über die Thematik und alle angrenzenden Bereiche, fuhr zu Seminaren, ließ Experten kommen und befragte Unternehmen, die ähnliche Projekte durchgeführt hatten, aber je mehr Informationen Gundlach und seine Mitstreiter auf diese Weise bekamen, um so unsicherer wurden sie, umsomehr Alternativen erschienen relevant und damit rückte eine Entscheidung in immer weitere Ferne.
Nach drei Jahren löste man seine Stabsstelle auf und trennte sich von ihm.
Wir Kollegen aus den anderen Ressorts bedauerten sein Fortgehen, denn wir schätzten ihn fachlich und menschlich. Was ihm fehlte, waren Entscheidungskraft und Wagemut. Er hatte nicht begriffen, daß die letzten paar Prozente bis zur völligen Gewißheit immer einen immensen Aufwand an Zeit, Kraft und Geld kosten. In jeder Sache gibt es einen Punkt, an dem wir den Mut haben müssen, das dann noch verbleibende Restrisiko in Kauf zu nehmen und zu entscheiden.

Das waren jedenfalls damals meine Gedanken, als Werner Gundlach die Firma verließ und ich empfand trotz allem für ihn Verständnis, denn es gab einen Sektor in meinem Leben, wo ich genau so handelte: In meinem Verhältnis zu Gott. Die Frage, wer er war, was er als die Bestimmung und das Ziel von uns Menschen auf dieser Erde ansah, erschien mir so wichtig und zugleich komplex, daß hier absolute Gründlichkeit angesagt erschien. Und wie Gundlach kaufte ich eine respektable Menge kompetenter Bücher. Über Theologie, Philosophie und ihre Vermischungsformen. Aber je mehr ich in ihnen las, um so komplizierter schien mir die Sache mit Gott, desto ratloser wurde ich, wie man ihn jemals begreifen, ihm näherkommen könnte. Und dennoch hatte ich immer das Gefühl, dicht an der Erkenntnis zu sein. Ich wartete förmlich auf die Initialzündung, den Urknall, den Aha-Effekt, der mich tüchtig machen würde, mein Leben zu ändern und während ich gebeugt über meinen so vielen, so dicken und so intelligenten Büchern saß, sah Gott von seiner höheren Warte, von oben her, immer nur meinen Rücken.
„Wie lange“, fragt er im Alten Testament durch den Propheten Jeremia, wie lange soll es noch dauern, daß ausgerechnet Ihr alle, die Ihr Ansehen und Verantwortung habt, mir den Rücken zuwendet und nicht Euer Gesicht. Alles, was Ihr wissen solltet, habe ich Euch durch Mose und die Propheten, durch die Bibel, sagen lassen, aber Ihr hörtet weder darauf, noch hatte es irgendwelche Konsequenzen“.

Da saß ich bei einer Veranstaltung mit einem begabten Theologen am Tisch. Wir kamen auf die vielen Wissenstheorien, Zeitströmungen und Lehrmeinungen im Christlichen zu sprechen. Er kannte sie ausnahmslos alle, aber als ich ihn nach seiner persönlichen Stellung zu Jesus Christus fragte, sagte er mir: „Mein Verhältnis zu ihm ist nicht eindeutig geklärt, ich weiß zu viel“, und er lachte in einer Art, die deutlich machte: Ihm war nicht nach Lachen zumute.

Wissen hilft vorwärts, es schafft wichtige, unabdingbare Grundlagen, aber es ist eben noch keine Entscheidung.
Fakten und Informationen zu sammeln gehört zu unserer Sorgfalt, aber wir dürfen dabei nie vergessen, daß irgendwann der Punkt erreicht ist, unser Vertrauen in Gott zu investieren und es dabei in Kauf zu nehmen, daß ein Restdefizit von letzter Erkenntnis bleibt.
Nicht die absolute Kumulation von Wissensinhalten, sondern Vergebung und Versöhnung brauchen wir, Absolution. Umkehr und Heimkehr zu dem, der uns geschaffen hat und der allein unserem Dasein Sinn und Ziel gibt
Paulus schreibt über diese Sachlage, über den Gundlach-Effekt, vor lauter Informationen den Mut zur Konsequenz zu verlieren, im Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus: „Es gibt Menschen, die lernen immerdar und können nimmer zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“.

Wir brauchen „Decision-Makers“. Sind Sie einer?

Karlheinz Binder

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Thema: Nachgedacht

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