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240. Kanada: Die Transformation einer Nation

Sonntag, 23. Januar 2011 | Autor:

 

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Kanada: Die Transformation einer Nation

Europa steht vor gewaltigen Herausforderungen. Die Erodierung der Werte, fehlender Nachwuchs, Islamisierung, Wirtschaftskrise, Globalisierung, Umweltkatastrophen. Gibt es da noch Hoffnung? Ein Bericht aus Kanada zeigt, welches Lösungspotenzial in Schuldaufarbeitung und Versöhnung liegt und alle Gesellschaftsbereiche erfasst.

Roland Andergassen

www.ZfürZukunft.de

 

In den letzten zehn Jahren hat sich ein Team um den aus Ägypten stammenden Visionär David Demian aufgemacht, Grundprobleme der Nation Kanada zu analysieren – ein inhomogenes, schwieriges Land. Der französische Teil mit Quebec als Zentrum, wollte sich vom englischen Teil lösen. Die Ureinwohner wiederum fühlten sich nicht als Teil des Landes. Dieser Schmelztiegel erzeugte eine komplizierte und angespannte politische Lage. Die Fundamente der kanadischen Gesellschaft, die sich ursprünglich auf christliche Werte begründeten, verloren immer mehr an Bedeutung und drohten zu erodieren.

Einwanderern nach Kanada fiel es schwer sich zu integrieren – auch nach längerer Zeit fühlte man sich fremd. Einwanderer in die USA hingegen empfanden sich recht schnell als stolze Amerikaner.

Wo war ein Ansatzpunkt für diese Problemstellung zu finden? – Man stieß auf Antisemitismus – klingt absurd, wer würde Kanada in diese Schublade stecken wollen?

Im Juni 1939 wurde das Schiff „St. Louis“ mit über 900 jüdischen Flüchtlingen an Bord, die vor dem nationalsozialistischen System aus Deutschland geflohen waren, abgewiesen. Die dramatische Reise hatte ursprünglich Kuba als Ziel. Aber es stellte sich heraus, dass die Visa, die man teuer erkaufen musste, nicht gültig waren. Die Einreise wurde verwehrt. Das Schiff steuerte auf Miami, Florida zu. Mittels Telegrammen wendete man sich an Präsident Roosevelt mit eindringlichen Asylgesuchen. Alle Bitten fanden nur taube Ohren. Die letzte Hoffnung war Kanada. Doch auf Grund internationaler politischer Beziehungen hatte auch Kanadas Premierminister das Gnadengesuch abgelehnt. Und während sich internationale Politiker am grünen Tisch darüber unterhielten, was wohl mit den Juden auf diesem Schiff geschehen sollte, steuerte es zurück nach Deutschland. Über zwei Drittel dieser Flüchtlinge sind daraufhin in Konzentrationslagern ums Leben gekommen. Noch weitere Berichte über die Abweisung jüdischer Flüchtlinge von Kanada während des zweiten Weltkrieges kamen ans Licht.

Wie wirkt sich so eine Schuld auf das Wohl einer Nation aus? Was kann dagegen unternommen werden? Was passiert ist, ist nun mal passiert – oder?

Wie konnte das kleine Team um David Demian ein Bewusstsein im Lande entwickeln, dass Schuld überhaupt als Schuld erkannt wurde? Wenn ein Übel nicht als solches benannt wird, kann man sich davon auch nicht distanzieren. Umgang mit Schuld ist immer sehr subtil – schuld sind doch immer nur die anderen.

Ein Jahr reiste David Demian mit seinem Team quer durch dieses weite Land – es erstreckt sich immerhin über fünf Zeitzonen. Eindringlich machten sie verschiedene Führungskräfte und Meinungsbildner, vor allem aus kirchlichen Kreisen, mit diesen Zusammenhängen vertraut.
„Wenn mein Volk, über dem mein Name ausgerufen ist, sich demütigt, betet und mein Angesicht sucht und sich von seinen bösen Wegen umkehrt – dann werde ich hören, ihre Sünden vergeben und das Land heilen.“ Das Zitat aus 2. Chronik 7,14 wurde zum Motto.

In den TV-Nachrichten war zu sehen, wie der kanadische Premierminister Jean Chretien sich die Tränen aus dem Gesicht wischte, nachdem ein kanadischer Holokaust-Überlebender für seine Mutter und Schwester im Konzentrationslager betete. Der Besuch von Auschwitz und Birkenau hat den Premierminister tief erschüttert. „Da gibt es keine Worte – wir haben eine gemeinsame Verantwortung sicher zu stellen, dass das tatsächlich nie wieder geschieht.“

Chretien ist der erste kanadische Premierminister, der ein Nazi-Konzentrationslager besuchte. Begleitet wurde er von dem kanadischen Holokaust-Überlebenden Mordechai Ronen und seinem Sohn Moshe.

David Demian und sein Team erkannten, wie bedeutend es ist, zum einen Schuld anzuerkennen, und zum anderen, diese, wie auch immer möglich, wieder gut zu machen. Sie gingen auf die Suche nach Überlebenden in Israel und luden diese nach Kanada ein. Und es gelang, die zuerst skeptischen Überlebenden zu gewinnen. Das Eis war gebrochen, nachdem auch offizielle Kirchenvertreter sich bei den Juden für das Verhalten ihrer Vorfahren entschuldigten. Dies führte letztlich dazu, dass auch die Regierung unter Premier Harper offiziell um Vergebung bat.

Wie wirkt sich nationale Schuld auf das Wohl eines Landes aus? Können dadurch Krisen entstehen? Wenn ja, gibt es auch ein Gegenmittel?

Was daraufhin geschah, zeigte, welche positive Auswirkungen Vergebung auslösen kann. Denn in den letzten Jahren entwickelten sich sowohl zwischen Christen und Juden als auch zwischen der kanadischen und israelischen Regierung äußerst gute Beziehungen. Diese gehen inzwischen so weit, dass Kanada in der UNO als einzige Nation beim Gaza-Konflikt Israel das Recht auf Selbstverteidigung zugestanden hatte, während die meisten anderen Nationen Israel als Aggressor ansehen, – trotz der über 7000 Hamas-Raketen, die seit Sommer 2005 auf Israel abgefeuerten wurden.

Versöhnung mit den Ureinwohnern wurde mit Rohstofffunden belohnt

Volk vollzogen war, wurde ein weiteres großes Problem offensichtlich: Die unehrenvolle Behandlung der Ureinwohner seit der Einwanderung und Kolonialisierung durch die Europäer.

Die Urbevölkerung von Kanada verlor durch das Vordringen der Engländer und Franzosen nicht nur ihre Souveränität, sondern auch angestammte Gebiete, und, was das schlimmste war, die Kinder dieser Ureinwohner wurden zwangsbeschult und den Eltern weggenommen. Dies führte zu einer weitgehenden Verelendung der verschiedenen Gruppen von Eskimos, Indianern und Inuits.

Wiederum waren Christen in Kanada bereit, diese Schuld gegenüber Vertretern dieser Gruppen anzusprechen, anzuerkennen und die Ureinwohner um Vergebung zu bitten.

Was dieser Schritt auslöste, grenzt an ein Wunder, zeigt aber zugleich die bedeutende Kraft von Versöhnung. In einzelnen Reservaten wurden daraufhin größere Vorräte an Gold und Öl gefunden. Natürlich waren diese Ressourcen davor schon vorhanden, aber sie waren nicht bekannt.

Die Ereignisse von Kanada sind die reinste Promotion für Versöhnung. Wer diese Resultate sieht, wird sicher Versöhnung suchen, wo immer er kann.

Diese Ureinwohner brachten zum Ausdruck, dass sie sich erstmals als Kanadier fühlten, und diese Funde nicht für sich allein behalten, sondern die ganze Nation an diesen Ressourcen teilhaben lassen wollten.

Während einer Konferenz, bei der ca. 3.000 Kanadier und ca. 60 internationale Gäste anwesend waren, kam plötzlich ein Mann auf die Bühne und zeigte auf die aktuelle Nachricht auf seinem Handy, die meldete, dass Kanada die erste Nation war, die die Wirtschaftskrise hinter sich ließ – davon berichteten am nächsten Tag auch die kandadischen Tageszeitungen. Und das zu einer Zeit, in der die Krise in den anderen Industrienationen erst so richtig begann.

Heute verfügt Kanada über eines der stabilsten Wirtschafts- und Bankensysteme. Der kanadische Dollar, vormals nur ca. die Hälfte des amerikanischen, nähert sich dem amerikanischen Dollar immer mehr an.

Versöhnung zwischen französischstämmigen und englischstämmigen Kanadiern

Ein weiteres Problem, das Kanadas Entwicklung behinderte bzw. sogar deren Existenz bedrohte, war das Auseinanderdriften der englischsprachigen Provinzen und Quebec, der französischsprachigen Region. Obwohl der frankophone Teil nur ca. ein Fünftel der Gesamtbevölkerung von 30 Millionen Kanadiern ausmacht, war die Auswirkung für Kanada bedeutsam. Eine eigene „Separatisten-Partei“ machte seit Jahren von sich reden und spaltete die Nation.

Es ist wichtig zu wissen, dass bei der Besiedelung Kanadas nicht klar war, ob nun die Engländer oder die Franzosen die Oberhand gewinnen würden. Erst durch die kriegerischen Auseinandersetzungen Ende des 18. Jahrhunderts konnte England die Franzosen besiegen, weil die Hilfe aus dem Heimatland ausblieb.

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Die Urbevölkerung von Kanada verlor durch das Vordringen der Europäer nicht nur ihre Souveränität, sondern auch angestammte Gebiete. Die Inuit konnten sich schwer als Kanadier identifizieren

Dieser alte Konflikt führte verständlicherweise zu großen Animositäten der Franzosen gegenüber den Engländern, die sich immer noch überlegen fühlten. Im Aufarbeitungsprozess der historischen Altlasten wurde diese Problematik vorerst nur zwischen christlichen Vertretern der jeweiligen Volksgruppen angesprochen und gegenseitige Vergebung gesucht.

Die politische Folge auf diesen scheinbar belanglosen Schritt war jedoch wieder beachtlich. Erneut zeigt sich die positive Auswirkung von Versöhnung. Die sogenannte „Separatisten-Partei“ war in weiterer Folge bedeutungslos geworden und die Franzosen in Kanada konnten sich nunmehr viel besser als bisher mit ihrer Nation identifizieren.

Kanada befand sich vor über 10 Jahren noch in einer sehr schwierigen Situation.
Eine Veränderung wurde dadurch eingeleitet, dass engagierte Christen auf jeweils beiden Seiten bereit waren, über die jeweiligen Konflikte und daraus entstandenen Demütigungen und Verletzungen zu reden, sie zu vergeben und Versöhnung zu suchen.

Dies führte inzwischen dazu, dass sich nunmehr auch die Kirchen und die Politik für Versöhnung und Wiedergutmachung öffneten und so eine nationale Dimension in diesen Bereichen erreicht wurde.

So wie Unvergebenheit Entwicklungen blockieren kann, so löst Vergebung und Versöhnung ungeahnte Kanäle und Möglichkeiten, sowohl im persönlichen Leben, als auch auf nationaler Ebene.

Kanada ist ein vorzeigbares Beispiel, wie durch einen inzwischen zehnjährigen Prozess der Geschichtsaufarbeitung durch Versöhnung eine ganze Nation profitiert, sei es in der Stärkung der Identität, des Zusammenhaltes der wirtschaftlichen Prosperität und des Lebensgefühls.

Das positive Beispiel von Kanada kann auch von anderen Nationen als Anregung aufgegriffen werden. So fand im Frühjahr 2010 in Hongkong eine Konferenz statt, bei der Kanadier, einige Vertreter chinesischer Christen aus Taiwan, dem Festland und Hongkong dabei halfen, sich zu versöhnen, um auch in den Genuss dieser positiven Auswirkungen zu kommen.

Die Kanadier gehen davon aus, dass jeder Mensch und jede Nation eine gottgegebene Berufung hat. Es lohne sich, diese herauszufinden, sie entscheide letztlich Ziel und Zukunft von Menschen und Nationen und wird maßgeblich durch Vergebung und Versöhnung freigesetzt.

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Thema: Christ und Politik

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