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504. Nachdenkliches für Manager – Das Schweigen 10-89

Dienstag, 20. Oktober 2015 | Autor:

Lieber Blog Besucher,

die tiefsinnigen Gedanken von Karlheinz Binder haben mich viele Jahre erfreut und immer wieder zum Nachdenken angeregt. Genießen Sie diese Worte und nehmen Sie davon etwas in Ihrem Alltag mit.

 

 

Das Schweigen

Das Essen nach diesem Sitzungs-Vormittag fing mit einer kleinen Enttäuschung an. Als Vorspeise gab es Kraftbrühe mit gefüllten Pfannkuchen, so stand es auf der Menükarte. Ich hatte großen Appetit und freute mich darauf. Aber die Pfannkuchen erwiesen sich als pfenniggroße, spärliche Inseln in der Suppe. Allerdings, aber das reichte nicht zur Versöhnung, konnten sie schwimmen.

Wir saßen mit elf Personen um den Tisch und hielten noch einmal Nachlese über die Probleme und Ergebnisse der letzten Stunden, und gerade, als ich meinen Löffel hinlegte, geschah es, ganz unerwartet, wirklich überraschend: Das Gespräch zwischen uns erstarb, ein tiefes Schweigen entstand. Von draußen hörte man durch das geöffnete Fenster das Geräusch eines vorbeifahrenden Autos, bis auch das sich verlor. Stille, sonst nichts.
Ich studierte aufmerksam und eingehend den fein ziselierten Griff des Messers neben dem Teller und vermied es, die anderen anzusehen. Einem Blick zu begegnen hätte für mich die Herausforderung bedeutet, irgend etwas zu sagen, um diese Situation der Sprachlosigkeit zu beenden, aber ich schwieg.

Seltsam, dachte ich, da sitzen elf kampferprobte, geübte, redegewandte Manager um einen Tisch. Und so, wie es ja manchmal passiert, dass drei gleichzeitig anfangen zu reden, hatte sich jetzt genauso zufällig das Schweigen ergeben, und wir alle empfanden das als peinlich. Als ob eine Gesprächspause etwas Unhöfliches sei, oder fast ein Autoritätsverlust, weil alle anderen meinen könnten, man hätte tatsächlich nichts zu sagen.

Mir fiel eine Geschichte ein, die ich irgendwann einmal gelesen hatte: Da war der Abt eines Klosters in Ehren grau geworden, und als er fühlte, es würde mit ihm bald zu Ende gehen, fasste er den Entschluss, seinen langjährigen und gleichaltrigen Freund noch einmal zu besuchen, um Abschied zu nehmen. Er bat einen jungen Mönch, ihn zu stützen und zu begleiten.
Nach langer, beschwerlicher Wanderung durch die Berge fielen sich die zwei Alten in die Arme, setzten sich nieder und betrachteten sich schweigend.

Nachdem sie so lange verharrt hatten,erhob sich der Abt, griff nach dem Arm des Jungen und sagte: „Lass uns jetzt gehen“, und sie machten sich auf den Heimweg.

„Warum habt Ihr kein Wort miteinander geredet?“ forschte nach einer Weile der junge Mönch, und der Alte antwortete: „Reden kann ich mit jedem Menschen auf der Welt, aber zum Schweigen braucht man einen wirklichen Freund.“ Und der Mönch begriff: In dieser
Zeit des Stilleseins voreinander und vor Gott hatten die beiden mehr erlebt und mehr Gemeinschaft gehabt, als wenn sie gesprochen hätten.
In der Stille redet das Herz, in der Stille redet Gott.

Ich überlegte: Wie oft hatte mir irgend jemand eine Frage gestellt, auf die ich im Augenblick keine Antwort wusste, aber ich sprach weiter. Warum eigentlich? Müssen wir immer und ständig etwas zu sagen haben und vergessen darüber, wie hilfreich und heilsam das Schweigen sein kann?

Ein lautes, gedehntes: „Naja“ holte mich aus meinen Gedanken zurück an den Tisch. Da hatte einer seinem inneren Drängen nachgegeben und die Stille zerstört. Vielleicht eine Minute mochte sie gedauert haben, und als wir das Gespräch eifrig und lautstark aufnahmen, war so etwas wie Erleichterung zu spüren. Die Normalität hatte uns wieder.
Aber während ich mich an der Unterhaltung beteiligte, wurde ich einen Gedanken nicht los: Dass Ausnahme-Situationen so eine Art herausforderndes Geschenk sein können. Anlass, einmal darüber nachzudenken, wie viele Inhaltslosigkeiten Tag für Tag zwischen Menschen ausgetauscht werden. Das Müllproblem, dachte ich, sind nicht allein die vielen leeren Konservendosen und Flaschen, sondern die leeren Worte.

Brauchten wir nicht solche Momente des Schweigens? Ab und zu einmal das Gefühl des Verlorenseins, der Einsamkeit, um zu wachsen? So ein kleines Stück Wüste mitten in unserem hektischen, atemlosen Alltag? War nicht genau diese Wüste, von der die Bibel immer wieder berichtet, nicht nur ein Ort der Anfechtungen, sondern auch zugleich der Segnungen und des Gebetes?

„So spricht der Herr, der Heilige Israels: Nur in der Umkehr und in der Ruhe liegt eure Rettung. Nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft!“ Das hatte der Prophet Jesaja geschrieben.

War ich gemeint?

 

Karlheinz Binder

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Thema: Nachgedacht

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